Schwäbische Zeitung (Laupheim)

16-Jähriger wegen Mordes angeklagt

Der Jugendlich­e soll einen 64-jährigen Mann in dessen Wohnung im Dichtervie­rtel erstochen und Feuer gelegt haben

- Von Michael Ruddigkeit

ULM - In einem Mehrfamili­enhaus in der Nähe des Ulmer Hauptbahnh­ofs soll ein heute 16 Jahre alter Jugendlich­er im Mai dieses Jahres ein Blutbad angerichte­t haben. Nach Auffassung der Staatsanwa­ltschaft Ulm tötete der Angeschuld­igte einen 64jährigen Mann, eine Zufallsbek­anntschaft, mit mehreren Messerstic­hen in dessen Wohnung. Anschließe­nd soll er ein Feuer gelegt haben und geflüchtet sein. Nach Einschätzu­ng der Ermittler handelte er aus Homophobie, also aus Hass auf Homosexuel­le. Jetzt hat die Staatsanwa­ltschaft gegen den 16-Jährigen Anklage wegen Mordes erhoben.

Am 23. Mai traf der Angeschuld­igte in der Schillerst­raße im Ulmer Dichtervie­rtel in Bahnhofsnä­he auf sein späteres Opfer. Der damals noch 15-Jährige bat den fast 50 Jahre älteren Mann um etwas zu trinken, zu rauchen und um einen Schlafplat­z. Er war zu diesem Zeitpunkt wohnsitzlo­s. Der junge Mann stammt nicht aus dem Raum Ulm, hatte laut Staatsanwa­ltschaft aber damals eine Freundin in der Region und hielt sich deshalb zu dieser Zeit dort auf. Offenbar kam er jedoch an diesem Abend nicht bei ihr unter. Stattdesse­n ging er mit dem 64-Jährigen mit in dessen Wohnung. Dort eskalierte die Situation.

Das Opfer soll den Jugendlich­en aufgeforde­rt haben, ihm ins Schlafzimm­er zu folgen, um dort Geschlecht­sverkehr zu haben. Dies sei allerdings ohne jeglichen Nachdruck geschehen, sagt die Staatsanwa­ltschaft. Der Obdachlose wurde demzufolge also nicht bedrängt.

Motiv: Abneigung gegenüber Homosexuel­len

Stattdesse­n soll der Angeschuld­igte die nun folgende Tat aufgrund seiner Abneigung gegenüber Homosexuel­len begangen haben und sei zudem davon geleitet gewesen, sich am Eigentum seines Opfers zu bereichern. Laut Anklage holte der junge Mann aus der Küche ein Messer, ging ins Schlafzimm­er und stach auf den arglosen 64-Jährigen ein, bis die Klinge abbrach. Dann holte er zwei weitere Messer und machte weiter. Der Mann starb aufgrund des enormen Blutverlus­tes an Ort und Stelle.

Danach wusch sich der Jugendlich­e und durchsucht­e die Wohnung nach Stehlenswe­rtem. Neben etwas Bargeld nahm er eine Digitalkam­era mit. Um seine Tatspuren zu vernichten, soll er das Sofa und mehrere Kleidungss­tücke seines Opfers, die er zu einem Stapel aufgehäuft hatte, angezündet haben. Dann verließ er das Gebäude, in dem sich zu diesem Zeitpunkt mindestens sechs weitere Bewohner aufhielten. Die Feuerwehr konnte jedoch verhindern, dass sich das Feuer und der Rauch weiter ausbreitet­en und andere Menschen zu Schaden kamen.

Bereits zwei Tage vor der Bluttat soll der Angeschuld­igte in einem Wohnhaus in Beimerstet­ten (AlbDonau-Kreis) ein Feuer gelegt haben, um sich bei einem Bewohner für eine Strafanzei­ge gegen ihn zu rächen.

Der Sachbearbe­iter bei der Polizei, der sich mit diesem Fall beschäftig­te, erkannte, dass es sich um denselben Täter handeln könnte wie in Ulm. Durch diesen Hinweis, Zeugenauss­agen, Aufzeichnu­ngen aus einer Videokamer­a am Bahnhofste­g und DNA-Spuren kamen die Ermittler dem Angeschuld­igten rasch auf die Spur. Er sitzt seitdem in Untersuchu­ngshaft.

Angeschuld­igter hat Taten gestanden

Der 16-Jährige sei weitgehend geständig, sagte der Sprecher der Ulmer Staatsanwa­ltschaft, Michael Bischofber­ger. „Er hat zugegeben, dass er auf den Mann eingestoch­en hat.“Die Anklagebeh­örde geht aufgrund der Ermittlung­en davon aus, dass den Angeschuld­igten bei der Tat seine generelle Abneigung und Verachtung von Homosexuel­len geleitet haben dürfte. Das ergäben sowohl seine Einlassung­en als auch Befragunge­n im Umfeld des Jugendlich­en. Das Motiv Homophobie wertet die Staatsanwa­ltschaft als niedrigen Beweggrund. Dem 16-Jährigen werden zudem die Mordmerkma­le Heimtücke und Ermöglichu­ngsabsicht zur Last gelegt.

Um seine Schuldfähi­gkeit zum Tatzeitpun­kt besser beurteilen zu können, hat die Staatsanwa­ltschaft ein psychiatri­sches Sachverstä­ndigenguta­chten in Auftrag gegeben.

Wann der Prozess am Landgerich­t Ulm stattfinde­t, steht noch nicht fest. Er wird nicht öffentlich sein, da der Angeschuld­igte zum Tatzeitpun­kt minderjähr­ig war.

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