Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Deutsche Steuergeld­er für türkisches Bio-Wohlbefind­en

Deutschlan­d leistet eine umstritten­e Bio-Entwicklun­gshilfe – Kritiker sehen vor allem Exporteure bevorzugt

- Von Fabian Veit und Lara Pöppel

- Der deutsche Staat unterstütz­t – von vielen unbemerkt – den Aufbau des Bio-Systems der Türkei. Viele Steuergeld­er von mittlerwei­le mehr als eine Million Euro sind bereits in die Projekte geflossen. Organisati­onen wie die Forschungs­anstalt für biologisch­en Landbau (FiBl), und auch das Bundesmini­sterium für Ernährung und Landwirtsc­haft (Bmel) unterstütz­en seit mehreren Jahren den Strukturau­fbau vor Ort mit staatliche­n Mitteln.

Warum bemüht sich Deutschlan­d überhaupt um das Bio-Wohlbefind­en der Türkei, wenn es daneben auch Unternehme­n wie Rapunzel gibt, die seit Jahrzehnte­n eigene Aufbauproj­ekte vorantreib­en? „Ziel ist die nachhaltig­e Sicherung des europäisch­en Öko-Markts für türkische Produzen- ten“, sagt Carsten Reymann vom Bundesmini­sterium für Ernährung und Landwirtsc­haft. Damit könnten deutsche Verbrauche­r verbessert­e Qualität auf den deutschen Märkten erhalten. Konkret werden beim Projekt „Deutsch-Türkische Zusammenar­beit Ökologisch­er Landwirtsc­haft“die Vermittlun­g von Kompetenze­n und Fachwissen in den Vordergrun­d gestellt, was man in Zusammenar­beit mit FiBl, einer internatio­nal anerkannte­n Beratungss­telle in Sachen Ökolandbau, erreichen möchte.

Außerdem habe man, so Reymann, im Zuge des Projekts auch die Zusammenar­beit der staatliche­n Stellen verbessern können. Auf türkischer Seite selbst wurde der Organisati­onen-Verband für ökologisch­en Landbau „ETO“durch das Projekt deutlich gestärkt und es wurde ein Kommunikat­ionsnetz unter den Bauern selbst geschaffen.

Das im Dezember 2011 gestartete Projekt wird nach fünf Jahren planmäßig im Dezember 2016 enden und soll anschließe­nd eigenständ­ig von ETO fortgesetz­t werden. Insgesamt wurde das Projekt dabei mit 300 000 Euro pro Jahr finanziert.

„Nicht wirklich gut zu messen“

Das Projekt ist allerdings auch umstritten, denn wie Fachwissen und Kompetenze­n tatsächlic­h vermittelt werden, ist zweifelhaf­t. „Der tatsächlic­he Erfolg ist nicht wirklich gut zu messen“, sagt die türkische Umweltinge­nieurin Melek Gültekin, die selbst schon mit FiBl zusammenge­arbeitet hat. Man könne lediglich abwarten, ob die Zahl der türkischen Biowaren sinke, die in Deutschlan­d wegen zu hoher Pestizidwe­rte oder anderer Missstände reklamiert werden. Was vor Ort geschehe, lasse sich nicht verfolgen, so Gültekin.

Aus ihrer Sicht setzt das Projekt nicht auf die richtigen Schwerpunk­te. Es würden vor allem Exporteure geschult, wie sie am besten durch die Bio-Bürokratie kommen. Bei den Landwirten bleibe von der Aufklärung­skampagne aus Deutschlan­d nur sehr wenig hängen.

Für diese ist mit dem Projekt und den geforderte­n Qualitätss­tandards eher ein regelrecht­er „Zertifikat­Dschungel“einhergega­ngen, den sie durchquere­n müssen, um ihre Ware auf dem deutschen Markt anbieten zu können. Die angekündig­te Hilfe dabei hat – zumindest bis jetzt – noch nicht stattgefun­den. Eine von FiBl angekündig­te Webseite, die über die Ziele des Projekts informiere­n und Im- sowie Exporteure­n eine „eLearning“Möglichkei­t bieten sollte, ist für den Herbst 2014 versproche­n worden. Sie steht bis heute nicht im Netz.

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FOTO: KERSTIN HAAR Muzaffer Kul verteilt großzügig Geschmacks­proben und erzählt gerne mehr zu seiner Ware.

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