Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Online-Handel hilft der Umwelt
Lieferung nach Hause schneidet gut ab in der Klimabilanz – Studie des Öko-Instituts
- Der Kauf soll bequem und billig, die Ware schnell zu Hause sein. Darum geht es den Verbrauchern beim Online-Einkauf. Wie aber steht es mit den Umweltauswirkungen? Die zunehmende Zahl der Paket-Lastwagen, die per Internet bestellte Waren an die Privathaushalte liefern, könnte auf eine schlechte Umweltbilanz hindeuten. Eine Berechnung des Öko-Instituts kommt jedoch zu einem positiven Ergebnis.
Die Umweltexperten haben abgeschätzt, welcher Kohlendioxid-Ausstoß verursacht wird, wenn man ein Paar Schuhe im Internet bestellt und nach Hause liefern lässt. Im Vergleich dazu betrachteten sie konventionelle Einkäufe in stationären Geschäften. Das Ergebnis: Die OnlineVariante schneidet sogar günstiger ab als der Einkauf zu Fuß oder per Rad. Auch die Shoppingfahrt mit Bussen und Bahnen bewirkt einen höheren CO2-Ausstoß, eine Tour mit dem Auto zum Geschäft sowieso.
Diese Einschätzung ist interessant, weil der Zuwachs der OnlineBestellungen und Lieferfahrten immer wieder die Frage nach den Umweltauswirkungen provoziert. Das Sendungsvolumen im deutschen Kurier-, Express- und Paket-Markt (KEP) sei 2015 um 4,5 bis fünf Prozent gestiegen, gab kürzlich der Branchenverband (BIEK) bekannt. Im Vergleich zu 2014 hätten die Firmen etwa 140 Millionen Pakete zusätzlich befördert.
Lieferdienste entlastet
Wer nun seine Schuhe im Internet bestellt, ist laut Öko-Institut verantwortlich für 660 Gramm klimaschädliches CO2. Diese Umweltbelastung verursacht rechnerisch und durchschnittlich das kleine Päckchen, das der Lieferdienst an der Haustür abgibt. Gefallen die Sportschuhe nicht und werden sie zurückschickt, steigt wegen der zusätzlichen Fahrt die Umweltbelastung auf gut 1000 Gramm. Demgegenüber schlägt der Einkauf der Schuhe im normalen Geschäft mit knapp 1300 Gramm CO2 zu Buche, wenn man zu Fuß zum Geschäft geht oder mit dem Rad hinfährt. Benutzt man die Straßenbahn oder den Bus, sind es schon 1700 Gramm. Trotz der ökologischeren Fortbewegung auf dem Weg zum Geschäft, ist die Lieferung per Lkw nach Hause also mit einem Klimavorteil verbunden.
Erstaunlich – Moritz Mottschall vom Öko-Institut erklärt den Befund so: „Der Energieverbrauch in den normalen Geschäften beispielsweise für Wärme und Licht ist erheblich.“Das Institut beziffert allein diesen Posten im Sportschuh-Beispiel mit einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 1000 Gramm. „Unter anderem die starke Beleuchtung braucht viel Strom und bewirkt klimaschädliche Emissionen“, sagt Mottschall. Das Ergebnis der Umweltspezialis- ten hat so ähnlich auch eine Untersuchung im Auftrag der Otto Gruppe und seines Versanddienstes Hermes zutage gefördert. Dabei wurden Verbraucher nach ihrem konkreten Einkaufsverhalten befragt. Ein Resultat: 61 Prozent der Fahrten zu den konventionellen Geschäften finden im Auto statt. Durchschnittlich sind die Konsumenten dabei gut 13 Kilometer unterwegs. Das zugrundegelegt, verursacht die Zustellung von Produkten per Kurierdienst weniger CO2 als der individuelle Einkauf. „Das Ergebnis der Otto-Untersuchung ist plausibel“, sagt Moritz Mottschall.
Allerdings weist der Experte vom Öko-Institut auf die beschränkte Aussagekraft solcher Klimabilanzen für Onlinebestellung und Kurierdienste hin. Für den neuerdings sich entwickelnden Markt der Lebensmittel-Lieferung zur Haustüre würden diese beispielsweise nicht gelten. Dabei müsse man davon ausgehen, dass die Touren deutlich schlechter geplant werden können als bei den Paketzustellern. Wegen der engen Zeitfenster für die Lieferung und der Verderblichkeit der Ware sei mit größeren Umwegen und Leerfahrten zu rechnen.
Aspekte nicht berücksichtigt
Außerdem, so Mottschall, habe auch das Öko-Institut viele Aspekte nicht berücksichtigen können, die zur Klimabilanz eigentlich dazu gehörten. So sei der Aufwand an Verpackungsmaterial bei den Kurierdiensten nicht eingerechnet. Würden viele Kartons verwendet, könnte das die Umweltwirkung des Onlinekaufs nachteilig beeinflussen, so Mottschall. Auch der ganze Bereich von Müll, Verwertung und Recycling sei außen vor geblieben.
Unter anderem deshalb plädiert Mottschall dafür, aus der positiven Bilanz der Paket-Lieferung nicht die Empfehlung abzuleiten, „hemmungslos online einzukaufen“. Schließlich blende die Berechnung eines Durchschnittswerts pro Paket den Einzelfall des individuellen Einkaufs aus. Wer beispielsweise auf einer Tour Lebensmittel und gleich noch eine Jeans oder ein paar Schuhe erwerbe, senke seine Klimabelastung erheblich.
Die großen Kurierdienste wissen, dass sie die Öko-Frage auch künftig positiv beantworten müssen, wollen sie in der Öffentlichkeit nicht unter Rechtfertigungsdruck geraten. Deshalb experimentiert die Deutsche Post-Tochter DHL in Bonn mit dem Einsatz von Elektro-Lkw. Auch UPS nutzt einige elektrisch betriebene Lieferfahrzeuge. Ob diese die heute gebräuchlichen Diesel-Transporter irgendwann ersetzen, ist noch nicht klar.
Um den Prozess zu beschleunigen, fordert der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD), die Stadtverwaltungen hierzulande sollten die Kurierdienste verpflichten, umweltfreundliche Fahrzeuge einzusetzen.