Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Trockenen Fußes durch die Gewitterfront
Beim 2:1 gegen Hoffenheim trotzt der FC Bayern allen Widrigkeiten und kommt auch zu zehnt ungeschoren davon
- Alle hatten sie ihr Päckchen zu tragen an diesem Tag. Aber keiner im Hoffenheimer Team tat dies so formvollendet wie Niklas Süle. Der Mini-Rucksack, mit dem der 1,95 Meter große Modellathlet in der Mixed Zone erschien, wirkte auf dem breiten Kreuz des Innenverteidigers ziemlich vernachlässigenswert. Und Süle wollte auch kein großes Drama machen aus dieser am Ende etwas unglücklichen 1:2 (1:1)-Niederlage. „Jetzt sind wir natürlich enttäuscht, aber wir können auch viel Positives mitnehmen“, meinte Süle. „Wir haben heute sehr gut gespielt und waren sehr nah dran, die Bayern zu schlagen.“
Torhüter Oliver Baumann untersuchte die Ergebnismisere gegen den großen Gegner (elfte Niederlage im 15. Bundesligaspiel, kein Sieg), noch etwas akribischer und entdeckte, dass man „noch nie so nah dran“gewesen sei. Der ehemalige Freiburger dachte da vor allem an die 73. Minute, als sich die Sinsheimer Gewitterfront über den Bayern auszugießen drohte. Jérôme Boateng musste nach einer Gelb-Roten Karte von draußen zusehen, wie Baumanns Teamkollege Eugen Polanski zum Elfmeter anlief und sich anschickte, alles zu zerstören, was sich die Bayern eine Stunde lang gegen erbitterten Widerstand aufgebaut hatten. Doch Polanskis Elfer klatschte an den rechten Pfosten, die Bayern entkamen dem unverdienten Schicksal.
Die ganzen Minuten zuvor nämlich schien es nur eine Frage der Zeit, bis es zum zweiten Mal einschlagen würde im Hoffenheimer Tor. Aber dann verlor Rafinha auf der rechten Außenbahn den Ball an Marc Uth, Boateng foulte Kevin Volland in Not und blockte anschließend Sebastian Rudys Freistoß mit dem Oberarm: zweimal Gelb plus Strafstoß. Es ist eine der speziellen Gemeinheiten des Fußballs, dass ein kurzer Moment der Nachlässigkeit genügt, um die Arbeit von 90 Minuten zu vernichten.
Den ersten Sekundenwahnsinn hatten sich die Bayern gleich zu Beginn der Partie erlaubt, grad so, als wollten sie die Sache spannend machen. Den ersten Überfall der Hoffenheimer hatte Schiedsrichter Tobias Stieler wegen Übereifrigkeit zurückgepfiffen, doch die Bayern ignorierten die Warnung. Nochmal An- stoß, nochmal Überfall – aber David Alaba döste immer noch und spielte, bedrängt von Kevin Kuranyi, einen Traumpass auf Volland, den der nach neun Sekunden zum 1:0 nutzte. Weihnachten und Ostern mitten im August, die Bayern reißen jeden Rekord an sich, auch die negativen. Ein paar Zehntelsekunden schneller fiel dieses Tor als jenes von Karim Bellarabi beim Dortmunder 0:1 gegen Leverkusen in der Vorsaison, wie die Chefstatistiker vom Fernsehen flugs aufdeckten.
„Wir wollten die Bayern von Anfang an unter Druck setzen und haben bedingungslos draufgehalten. Das haben wir die ganze Woche trainiert“, berichtete Volland stolz. Umso größer war die Enttäuschung. Auch bei Trainer Markus Gisdol, der „nach den Leistungen gegen Lever- kusen und die Bayern“gern ein paar Punkte auf dem Konto gesehen hätte und die „brutale individuelle Qualität“der Bayern dafür veranwortlich machte, dass es wieder nicht reichte für Zählbares. Wie stark die Hoffenheimer war, zeigt Pep Guardiolas Einschätzung. Der Bayern-Trainer bescheinigte seinen Stars eines „der besten Bundesligaspiele der letzten drei Jahre.“Am Ende gab, wie schon bei Thomas Müllers 1:1 (41.), eine weitere famose Einzelaktion von Neuzugang Douglas Costa den Ausschlag: Der Brasilianer setzte sich auf Rechtsaußen unwiderstehlich gegen Jin-Su Kim und Polanski durch, Lewandowski profitierte.
Im Übrigen hat Guardiola schon nach zwei Spielen der Alltag wieder eingeholt. Vor dem Spiel noch hatte der Spanier über die Segnungen eines üppigen Kaders referiert, doch die Zeiten der freien Auswahl sind schon wieder vorbei. Am Samstag gegen Leverkusen muss er beide Innenverteidiger ersetzen: Mehdi Benatia musste schon nach 36 Minuten mit einer Muskelverletzung raus. Nun wird Dante wieder gebraucht und ein weiterer der Edelreservisten – ein Ärgernis für Guardiola, aber ein Segen fürs Mikroklima.