Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Unverfälscht und ohne Kompromisse
Außergewöhnliches Kirchenkonzert in Rot an der Rot mit dem Orpheus Vokalensemble und Concerto Köln
- Ein denkwürdiges Konzert konnten Musikliebhaber in der Kirche St. Johann in Rot an der Rot genießen. Das Orpheus Vokalensemble der Landesakademie Ochsenhausen interpretierte zusammen mit den Musikern des Concerto Köln und einem hochkarätigen Solistenquartett sakrale Werke des Komponisten Johann Simon Mayr.
Authentizität hieß das Zauberwort des Abends. Es wurde musiziert, wie es im 18. Jahrhundert üblich war: mit Darmsaiten und Barockbögen. Unverfälscht und ohne Kompromisse, auch wenn die Saiten öfter nachgestimmt werden mussten. Dieser Orchesterklang unterschied sich vollkommen von dem, der uns heute vertraut ist. Doch nach einer kurzen Eingewöhnungsphase erschien der Klang des Concerto Köln umso wärmer und ausgewogener. Nie aufdringlich, mit minimalem Vibrato-Einsatz in den Streichern und vollem Klang in der Holzbläsergruppe gestaltete das Ensemble die Einleitung des Stabat Mater Nr. 5 in c-moll. Dabei erreichte das Orchester eine bemerkenswerte Klarheit in der Tongestaltung.
Mit Darmsaite und Barockbogen
Concerto Köln hat sich in Sachen historische Aufführungspraxis einen Namen gemacht – dafür wurde es bereits mehrmals mit dem Echo-Klassik ausgezeichnet. Auch bemüht sich das Ensemble um die Wiederentdeckung unbekannter Komponisten. Nicht nötig ist das im Falle des Komponisten Johann Simon Mayr (1763 - 1845). Als Zeitgenosse von Haydn und Beethoven, Lehrer von Donizetti und Kapellmeister in Bergamo war er zu Lebzeiten berühmt – hauptsächlich seiner Opernkompositionen wegen. Das Konzert in St. Johann hingegen war eine Hommage an Mayrs kirchenmusikalisches Schaffen.
Der satte Chorklang des Orpheus Vokalensembles ergänzte das Concerto Köln nicht nur im Stabat Mater perfekt. So schwebten die süßen Klänge innerer Zerrissenheit („Quando corpus morietur“) über einer getragenen Bassbegleitung, die an Mozarts Re- quiem erinnerte. Das verdeutlichte: Hier neigt sich etwas dem Ende zu, Vergänglichkeit und Sterbenmüssen sind in der Musik präsent. Nach einem Fugato wurden munterere Töne angeschlagen: Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod.
Fein musiziert waren die Passagen, in denen Mayr zwischen den fulminanten Orchesterzwischenspielen und Choreinsätzen Duette und Trios für Gesang und Solovioline eingebettet hat. Violine und Stimme waren gleichwertig, imitierten einander und stellten musikalische Fragen, die sie sich gegenseitig beantworteten.
Katja Stubers schlanker und reiner Sopran verfügte sowohl über die Durchsetzungsfähigkeit, als auch über eine schmetterlingshafte Leichtigkeit. Altistin Marion Eckstein verkörperte mit samtigem Timbre das Pendant und überzeugte mit ausdrucksstarker Souveränität. Fernando Guimaraes’ heller Tenor war anfangs ein wenig verhalten, gewann aber zunehmend an Ausdruck. Bass Tareq Nazmi demonstrierte großes Volumen, mühelose Tragfähigkeit und eine hinreißende Artikulation.
Monumental klang die Missa in cmoll im zweiten Teil des Konzertabends. Weit ausholend – und ohne Taktstock – gestaltet Dirigent Florian Helgath die Crescendi, formte deliziöse Decrescendi und animierte seine Musiker zu wahren Hochleistungen. Chromatik, Tempo- und Taktwechsel, aber auch schöne Linien in wechselnden Solobesetzungen waren erkennbar. Fast schien es, als ob Simon Mayr sich regelrecht ausgetobt hat auf der Spielwiese seiner musikalischen Möglichkeiten, ihm gelang ein stilistischer Spagat zwischen Klassik und Belcanto.
Viel zu schnell ging dieser musikalische Hochgenuss zu Ende, viel zu schnell erhoben sich die Solisten noch einmal für das abschließende Agnus Dei. Ein rhythmisiertes Bassfundament führte zum letzten Höhepunkt mit aufbrausenden Choreinsätzen und verklang wie ein Seufzen in absteigenden Streicherlinien. Lang anhaltender Applaus und Ovationen würdigten die herausragenden musikalischen Leistungen.