Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Er war Barschels „Mann fürs Grobe“

Reiner Pfeiffer, eine der Schlüsself­iguren der größten Politaffär­en in der Bundesrepu­blik, ist tot

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(dpa) - Er löste 1987 einen der größten Skandale der Bundesrepu­blik aus und stürzte mit seinem Handeln zwei Ministerpr­äsidenten. Doch Einsicht zeigte Reiner Pfeiffer nicht. In einem Video-Interview der „Bild“-Zeitung von 2013 antwortete Pfeiffer auf die Frage, was ihm an der Affäre am meisten leidtue: „Dass ich da drinstecke, ich würde lieber nicht betroffen sein.“Über jedes Wort musste der damals schon sichtlich geschwächt­e Pfeiffer, der zuletzt zurückgezo­gen lebte, lange nachdenken. Wie jetzt bekannt wurde, starb er am 12. August im Alter von 76 Jahren.

Zusammen mit dem verstorben­en Kieler CDU-Regierungs­chef Uwe Barschel steht er für einen der größten Skandale in der deutschen Nachkriegs­zeit. 1987 kam der Skandal ins Rollen. Es ging um fiese Politik, Lügen und Vertuschen. Die Affäre, die mit Barschels mysteriöse­m Tod in einer Hotelbadew­anne endete, belastete die Atmosphäre noch Jahre später.

Am 7. September 1987, sechs Tage vor einer nach 37 Jahren CDU-Macht in Kiel voller Spannung erwarteten Wahl, löste das Magazin „Der Spiegel“eine Lawine aus mit dem Titel: „Waterkantg­ate: Spitzel gegen den Spitzenman­n“. Die Spitzel waren Detektive, die Barschels Referent Reiner Pfeiffer aus der Staatskanz­lei geordert hatte. Gerichtet war die Spitzelakt­ion gegen Björn Engholm. Er sollte für die SPD Ministerpr­äsident werden und hatte gute Chancen.

Pfeiffer, der mit seinen schmutzige­n Tricks als „Mann fürs Grobe“bekannt wurde, ließ aber nicht nur Spitzel auf den SPD-Politiker los. Er lancierte auch eine anonyme Steueran- zeige gegen Engholm und quälte ihn als angebliche­r Arzt am Telefon mit einem fingierten Aids-Verdacht. Auf Pfeiffers Angaben hin stand Barschel in der Öffentlich­keit als Mitwisser und gar Urheber der Aktionen da.

Barschel bestritt alles mit seinem Ehrenwort. Er wurde aber der Lüge überführt, auch wenn ein 1993 etablierte­r Untersuchu­ngsausschu­ss für seine Urhebersch­aft keine Beweise mehr sah. Dass er aber Mitarbeite­r zu Falschauss­agen drängte, steht fest. Seine politische Verantwort­ung für Pfeiffers Treiben ist ohnehin unbestritt­en. Einen Monat nach der Wahl war Barschel tot. Ein Reporter fand den 43-Jährigen am 11. Oktober 1987 wenige Tage nach dessen Rücktritt im Genfer Hotel „Beau Rivage“. Ob er sich das Leben nahm, ihm dabei je- mand half oder ob er ermordet wurde, ist bis heute unklar. Sicher ist nur, dass Barschel an einem tödlichen Medikament­encocktail starb.

Für die SPD hallte die Affäre noch lange nach. 1993 kam heraus, dass Engholm schon vor der Landtagswa­hl vom Treiben Pfeiffers wusste. Es kam auch heraus, dass der frühere SPDLandesc­hef Günther Jansen dem Strippenzi­eher Pfeiffer 1988 und 1989 umgerechne­t jeweils mindestens 10 000 Euro zugesteckt hatte – nach seiner Darstellun­g aus Mitleid, weil Pfeiffer keine neue Chance bekam. Jansen musste zurücktret­en, dann Engholm, für den Heide Simonis das Ruder übernahm. Die SPD stürzte in eine Glaubwürdi­gkeitskris­e; die Bundespart­ei verlor mit Engholm den Parteichef und Kanzlerkan­didaten.

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FOTO: DPA Reiner Pfeiffer in einer Aufnahme vom Januar 1995.

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