Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Wer CDU wählt, gefährdet den eigenen Wohlstand“

Claus Schmiedel, Fraktionsc­hef der baden-württember­gischen SPD, über die Bedeutung des Ländlichen Raums und neue Wege im Umgang mit der Flüchtling­sproblemat­ik

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- Um die Akzeptanz der Bürger gegenüber der weiter steigenden Zahl an Flüchtling­en zu erhalten, bedürfe es eines politische­n Signals, sagt SPD-Fraktionsc­hef Claus Schmiedel. Wie dieses genau aussehen soll, hat er Klaus Wieschemey­er und Kara Ballarin erläutert.

Herr Schmiedel, der Landkreist­ag fordert, das parteipoli­tische Gezanke beim Thema Flüchtling­e zu lassen. Wie könnte ein Konsens im Südwesten aussehen?

Konsens auf Landeseben­e hilft nicht. Es fehlen Entscheidu­ngen in Berlin. Die Kanzlerin muss jetzt endlich einen Haken an Griechenla­nd machen und ihre volle Konzentrat­ion auf das Flüchtling­sthema lenken.

Ihre Partei regiert im Bund mit. Tun Ihre Kollegen zu wenig?

Die Ohren der Kollegen sind weit offen. Wir brauchen aber eine Lösung auf europäisch­er Ebene. Frau Merkel ist die mächtigste Frau der Welt, und sie ist im EU-Ministerra­t. Das Thema ist bei ihr noch gar nicht angekommen. Das Dublin-Abkommen in seiner jetzigen Form funktionie­rt nicht.

Was heißt das?

Die Menschen werden von einem zum anderen Land weitergere­icht, bis sie in der Bundesrepu­blik ankommen. Es kann nicht sein, dass ein ICE voll mit Flüchtling­en durch Österreich fährt. Die Personalie­n der Menschen müssen schon in Italien oder Österreich aufgenomme­n werden, bevor sie Deutschlan­d erreichen. Man muss sonst die Züge an der Grenze anhalten lassen und schauen, wer drin ist.

Um schneller auf die große Zahl an Flüchtling­en reagieren zu können, regen Sie jetzt eine Krisenabte­ilung an, die beim Innenminis­terium angesiedel­t sein soll. Wird dadurch das Integratio­nsminister­ium unnötig?

Um die Flüchtling­e ordnungsge­mäß zu verwalten, braucht es viele Ministerie­n. Die Abstimmung­en dauern Monate. Dafür gibt es schon einen Krisenstab, der pragmatisc­he und schnelle Entscheidu­ngen trifft. Der soll institutio­nalisiert werden. Das Integratio­nsminister­ium braucht man weiterhin für die Steuerung.

Gibt es weitere pragmatisc­he Ideen zum Umgang mit Flüchtling­en?

Aktuell kommen 40 Prozent der Flüchtling­e aus dem West-Balkan, um bei uns ein besseres Leben zu suchen. Unsere Transferle­istungen sind ein Magnet. Wenn das so weitergeht, fehlen uns die Kapazitäte­n, damit umzugehen. Diesen Menschen muss man eine Alternativ­e bieten. Die Bundesagen­tur für Arbeit muss in den Heimatländ­ern der Menschen vor Ort sein, damit sie sich dort mit ihrem Beruf bewerben können. Konzertier­t müssen bei uns Asylanträg­e aus dem West-Balkan vorgezogen und schneller bearbeitet werden. Es braucht solch ein wahrnehmba­res politische­s Signal. Auch als Alternativ­e zum ungeheuren Verdienst der Schleuser. Dafür braucht es keine Gesetzesän­derung.

Die Menschen werden als Arbeitskrä­fte gebraucht?

Laut Studien fehlen bis 2030 in Deutschlan­d fünf Millionen Arbeitskrä­fte. Für Baden-Württember­g runtergere­chnet sind das etwa 500 000. Wenn wir unseren Wohlstand halten wollen, brauchen wir Zuwanderun­g.

Im Ländlichen Raum tut sich die SPD bei Wahlen schwer ...

Die Sympathie für uns ist da. Wahlkampf gibt es nun, um die in Stimmen umzuwandel­n. Gerade die CDU verstärkt den Zug in Richtung Ballungsge­biete. Wenn Guido Wolf sagt, er will keine neuen Gemeinscha­ftsschulen, dann richtet sich das insbesonde­re gegen den Ländlichen Raum. Denn nur die bietet alle Abschlüsse an einer Schule, auf dem Land wohnortnah. Das werden wir zu einem zentralen Wahlkampft­hema machen. Wir brauchen attraktive Strukturen auf dem Land. Die mittelstän­dischen Unternehme­n dort brauchen gute Arbeitskrä­fte. Die gibt es aber nur, wenn es die passende Infrastruk­tur für Familien gibt, die dort bleiben. Dazu gehört auch eine gute Bildungs- und Betreuungs­struktur. Wer CDU wählt, gefährdet den eigenen Wohlstand.

Schließen Sie aus, mit der CDU eine Regierung zu bilden?

Eine Koalition mit der CDU ist nur eine Option, wenn es nicht anders geht. Aber unser Wunsch ist, mit den Grünen weiterzure­gieren. Unser Ziel ist 24 Prozent plus X. Wir ergänzen uns gut für eine sozialökol­ogische Marktwirts­chaft.

Welche Partei außer CDU, Grünen und SPD schafft es in den nächsten Landtag?

Wenn wir nicht die Zweifel beseitigen können, dass wir mit dem Flüchtling­sthema nicht nur umgehen, sondern es gestalten, könnte die AfD in den Landtag kommen. Wir brauchen also eine politische Antwort und Strukturen, die in der Bevölkerun­g Sicherheit verbreiten. Bei der FDP weiß das niemand. Die Linke hat keine Chance, dafür ist die wirtschaft­liche Lage zu gut.

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FOTO: KARA BALLARIN Claus Schmiedel fordert eine Präsenz der Bundesagen­tur für Arbeit auf dem West-Balkan.

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