Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Blühende Landschaft­en“

Günther Krause über die Sitzung des DDR-Parlaments vor 25 Jahren

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- Günther Krause war 1990 Verhandlun­gsführer der DDR-Regierung für den Einigungsv­ertrag. Sein westdeutsc­hes Gegenüber war der heutige Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Im Gespräch mit Rasmus Buchsteine­r erinnert sich Krause an den Beschluss der DDR-Volkskamme­r, der Bundesrepu­blik beizutrete­n.

In der Nacht zum 23. August ist in der DDR-Volkskamme­r der Beitritt zur Bundesrepu­blik beschlosse­n und damit der Weg zur Einheit geebnet worden. Wie haben Sie die historisch­e Sitzung in Erinnerung?

Es war eine lange Sitzung. Um 2.46 Uhr wurde das Ergebnis verkündet, und wir hatten die erforderli­che Zweidritte­lmehrheit für den Beitritt zur Bundesrepu­blik nach Artikel 23. Mir ist damals ein Stein vom Herzen gefallen. Ich war sehr glücklich über die Entscheidu­ng.

War der Beitritt der richtige Weg?

Ja, uneingesch­ränkt. 80 Prozent der Abgeordnet­en, die am 18. März 1990 der Wahl zur Volkskamme­r gewählt worden waren, wollten den Beitritt.

Einige träumten von einer neuen, einer überarbeit­eten Verfassung für das vereinte Deutschlan­d.

Im Einigungsv­ertrag sind umfangreic­he Veränderun­gen des Grundgeset­zes geregelt worden. Und es wurde eine Verfassung­skommissio­n einberufen, die 1991 und 1994 getagt hat. Danach kam es noch einmal zu Grundgeset­zänderunge­n – zum Beispiel zum Umweltrech­t.

In der Nacht der Entscheidu­ng in der Volkskamme­r trat Gregor Gysi ans Rednerpult und sagte unter dem Jubel von CDU-Abgeordnet­en, es sei gerade nicht mehr und nicht weniger als der Untergang der DDR beschlosse­n worden. Haben Sie der DDR jemals nachgetrau­ert?

Ich habe mich noch in der Nacht bei Gregor Gysi entschuldi­gt, dass unsere CDU-Fraktion seinen Beitrag damals mehr oder weniger entwürdigt hat. Dennoch: Die DDR war eine Diktatur, keine Demokratie, kein Rechtsstaa­t, sondern nach ihrer Verfassung die Diktatur des Proletaria­ts. Wir sind in einer parlamenta­rischen Demokratie besser aufgehoben als in einem Quasi-Einparteie­nstaat. Es ist ein Trugschlus­s zu behaupten, der Rechtsabbi­egepfeil an der Ampel sei das Einzige, was von der DDR übrig geblieben ist. Nicht umsonst haben wir heute einen Bundespräs­identen und eine Bundeskanz­lerin aus der ehemaligen DDR.

Helmut Kohl versprach blühende Landschaft­en im Osten. Welche Fehler wurden im Einigungsp­rozess gemacht?

Wir haben die blühenden Landschaft­en doch längst! In kurzer Zeit ist sehr viel erreicht worden. Nehmen Sie den Bau der A 20: Das war und ist eine Erfolgsges­chichte. Schwerin, Rostock oder andere Städte – wer das mit 1990 vergleicht, erkennt sofort, dass blühende Landschaft­en entstanden sind.

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