Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Arm, alleinerziehend, abgehängt
Polizeiruf 110: Sabine (ARD, Sonntag, 20.20 Uhr) - Sabine ist müde. Müde von der Arbeit, der Armut, der Demütigung. Die junge Mutter (Luise Heyer) rackert sich als Servicekraft in einer Werft ab, der die Schließung droht. Im Jobcenter, auf der Bank, in der Schule ihres Sohnes – nirgends hat sie den Ungerechtigkeiten der Welt etwas entgegenzusetzen, bis auf ihren traurigen, erschöpften Blick. Als sie eines Abends hört, wie ihr Nachbar wieder einmal seine Frau verprügelt, bringt das Sabines inneres Fass zum Überlaufen. Sie will die Kontrolle zurückgewinnen – indem sie zur Pistole greift.
Regisseur Stefan Schaller nimmt den Zuschauer mit ins Milieu der Abgehängten. Die Trostlosigkeit des Plattenbaus und die rauen Arbeitskämpfe in der Rostocker Werft inszeniert er überaus atmosphärisch. Die Figuren von Drehbuchautor Florian Oeller kommen dabei nicht ohne Klischees aus: der egoistische Konzernchef, der böse Bänker, der bissige Gewerkschafter. Trotzdem tragen sie zu dem überzeugenden gesellschaftlichen Spannungsfeld bei, aus dem sich eine spannende Geschichte entlädt.
Fast schon nebensächlich werden da die Befindlichkeiten des Ermittlerteams: Alexander Bukow (Charly Hübner) entdeckt nach dem Tod seines Vaters seine milde Seite – und seine Gefühle für Kollegin Katrin König (Kim Sarnau). Durch die behäbig erzählte Annäherung der beiden wirkt die Handlung beinahe überladen. Doch Luise Heyer macht das mit ihrer mitreißenden Darbietung als Sabine im Alleingang wieder wett.