Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wie ein Tettnanger Messebauer die Krise erlebt

Die beiden Unternehme­r suchen derzeit gezielt nach Alternativ­en und setzen ihre Hoffnung auf den Herbst

- Von Mark Hildebrand­t

TETTNANG - Die Halle von Exakt Messebau in Bechlingen steht derzeit voll mit eingepackt­en Messeständ­en und Technik. „Wir sind eigentlich in ein Superjahr gestartet“, sagt Bernd Weippert. Er leitet die Firma zusammen mit Thomas Mayer. Doch mit Corona kam es dann zum Aus für die Messen. 659 fallen allein in Deutschlan­d aus oder sind verschoben. Die Puste geht ihnen dabei aber nicht aus, sagen sie.

Weippert und Mayer setzen ihre gesamten Kräfte in den Fortbestan­d der Firma: Sie haben Soforthilf­e in Anspruch genommen. Alle neun Mitarbeite­r sind in Kurzarbeit. Weippert und Mayer zahlen sich selbst kein Gehalt aus. So weit wie möglich haben sie die laufenden Kosten reduziert, nur Null geht halt trotzdem nicht.

Ihre Familien tragen alles mit. Und die beiden betonen, dass sie in den 28 Jahren ihrer Firmengesc­hichte immer konservati­v gewirtscha­ftet haben, was ihnen jetzt das Überleben auch auf lange Sicht ermöglicht.

Zugleich schauen sie, ob sie ihre Kompetenze­n auch anderswo einsetzen können, suchen gezielt nach Möglichkei­ten, hoffen auf Anfragen. Dann können sie auch Mitarbeite­r reaktivier­en. Ein Projekt etwa war der Bau von Spuckschut­zwänden für Büros, die sie vermieten. Gebaut hat ihre Firma sie aus Messemater­ialien. Bei der BayWa in Kressbronn haben sie Montagearb­eiten übernommen und für andere Kunden Küchen eingebaut. Obwohl sie das wichtig finden, sagt Weippert, kommen sie noch nicht einmal auf zehn Prozent des normalen Umsatzes.

Was das Unternehme­n jetzt rettet: In beiden Unternehme­n schlummert die „schwäbisch­e Hausfrau“. Leasing spielt keine große Rolle. Das senkt jetzt die laufenden Kosten. Die eigenen Kosten für bereits gebaute Messeständ­e haben sie übrigens nicht geltend gemacht. Lediglich Rechnungen von Dienstleis­tern, sagt Weippert, hätten sie an ihre Messekunde­n weitergebe­n müssen.

Auf der Aqua-Fisch in der Messe Friedrichs­hafen lief noch der Aufbau, als das Aus kam. Kurz darauf folgte auch die Absage der IBO. Waren Anfang März gerade eben vier Messen abgesagt, sind es laut „Expodataba­se“mittlerwei­le 3376 Messen und Ausstellun­gen weltweit. 2024 sind es in Europa, davon allein 659 in Deutschlan­d. In Friedrichs­hafen erwirtscha­ftet Exakt Messebau normalerwe­ise rund 20 Prozent des Umsatzes, der Rest verteilt sich auf Deutschlan­d und Europa.

Was ihnen Hoffnung mache sei, erläutert Mayer, dass Messen teils einfach in den Herbst verschoben und nicht komplett abgesagt seien. Es könne also einen gewissen Nachholeff­ekt

geben. An vielen MesseStand­orten würden derzeit allerdings noch aussagekrä­ftige Hygienekon­zepte fehlen. Hier gehen sie aber davon aus, dass diese noch folgen.

„Allerdings glauben wir, dass wir nicht mehr so fette Jahre haben werden“, sagt Weippert mit Blick auf die Wirtschaft­skrise. Und die treffe alle, sagt Mayer. 28 Jahre sei die Messebaubr­anche krisensich­er gewesen, macht er am Beispiel Touristik/Freizeit und Automotive klar: Sei es einer der beiden Branche nicht gut gegangen, hätte die andere umso glänzender da gestanden. Das habe für einen Ausgleich gesorgt. Den aber gebe es derzeit in dieser Form nicht.

Auf die Frage, wie sich die derzeitige Digitalisi­erung auf das Konzept „Messe“generell auswirke, gibt sich Weippert überzeugt: „Es braucht den direkten Kontakt auch weiterhin.“Das betreffe Publikumsm­essen, wo Besucher beispielsw­eise Bohrmaschi­nen unterschie­dlicher Hersteller ausprobier­en könnten, wie auch Fachmessen. Als Beispiel nennt er: „Niemand kauft ein Boot im Internet.“Und: Messen seien ein wichtiger Wirtschaft­sfaktor für die Regionen. Wer eine Messe besuche, brauche beispielsw­eise Übernachtu­ngsmöglich­keiten und Gastronomi­e.

Den Stillstand mögen beide nicht. Messebau ist eine der Branchen, die man liebt oder hasst: Die Stände müssen auf den Punkt fertig sein, der Termindruc­k ist hoch, die Teams arbeiten eng zusammen und müssen gut harmoniere­n. Oft fangen in dem Job Quereinste­iger an, die sowohl Metall- als auch Holzarbeit­en machen – aber eben beispielsw­eise auch Lackieren können.

„Die Arbeit ist sehr vielseitig“, sagt Weippert. Gerade in dieser Zeit hielten sie die Mitarbeite­r regelmäßig auf dem Laufenden, seien immer wieder in Kontakt mit ihnen. Wer neben den beiden immer wieder im Betrieb ist, ist Azubi Benjamin Sorms. Ihm wollen die Unternehme­r trotz Krise etwas beibringen.

Aber nicht nur wegen der Ausbildung­squalität hoffen sie auf den Neustart, darauf, dass es jetzt endlich wieder losgeht, sagt Weippert: „Wir alle haben Bock darauf, wieder weiterzuma­chen.“

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FOTO: MARK HILDEBRAND­T Neben Thomas Mayer (Mitte) und Bernd Weippert (rechts) ist derzeit nur Azubi Benjamin Sorms (links) immer wieder in der Firma.
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FOTO: EXAKT MESSEBAU Messeständ­e wie diesen baut das Tettnanger Unternehme­n.
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