Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Tausende Biker demonstrieren gegen Fahrverbot
Motorradfahrer wehren sich gegen eine Bundesrat-Initiative zur Reduzierung von Motorradlärm
FRIEDRICHSHAFEN – Der Ansturm überraschte mancherorts die Organisatoren: Viele Tausend Motorradfahrer haben am Samstag bundesweit gegen mögliche Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen demonstriert. Allein in Friedrichshafen kamen zwischen 5000 und 6000 Motorradfans zu einem Demo-Korso zusammen. Die Veranstalter hatten mit lediglich rund 1000 Teilnehmern gerechnet. Die Biker wollten mit den DemoKorsos Flagge zeigen gegen eine Initiative des Bundesrats zur Reduzierung von Motorradlärm.
Zwischen 5000 und 6000 Teilnehmer haben sich laut Organisator Jörg Brucker am Samstagvormittag mit ihren Motorrädern auf dem Messeparkplatz West getroffen, um ihrem Unmut gegen ein mögliches Fahrverbot an Sonn- und Feiertagen eindrucksvoll Luft zu machen. „Wir sind ob der enormen Resonanz einfach überwältigt. Ursprünglich hatten sich rund 800 Biker bei uns angemeldet. Die Ankündigung der Demo schoss in den sozialen Netzwerken regelrecht durch die Decke“, sagte Roberto Urbano vom Veranstaltungsteam gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“.
Damit hatten selbst die Polizei, am wenigsten aber die Veranstalter gerechnet. Wie Jörg Brucker aus Böhringen sagte, wolle man im Rahmen der gemeinsamen Demo-Fahrt von Friedrichshafen nach Engen an einer entsprechenden Kundgebung auf dem Hegaustern teilnehmen. „Unsere Stimme ist schwergewichtig und zählt, die Aktion heute läuft bundesweit und soll verdeutlichen, wie wir zu dem geplanten Verbot stehen, was wir davon halten.“
Das Problem: Der Ansturm in Friedrichshafen war so groß, dass man kurz vor der Abfahrt gegen 11.30 Uhr überlegte, nicht allen Motorradfahrern die Mitfahrt im Tross zu gestatten: „Die zuständige Versammlungsbehörde hat daraufhin mitgeteilt, dass es keine Einschränkungen auf dem Weg nach Engen geben wird. Allerdings müsse man damit rechnen, dass die Zahl der Fahrer am Kundgebungsort reglementiert, beziehungsweise eingeschränkt wird“, so Oliver Weißflog vom Polizeipräsidium Ravensburg.
Tatsächlich wurde die geplante Route, die von Friedrichshafen am Bodensee entlang über Meersburg, Überlingen, Sipplingen, Ludwigshafen, Radolfzell und Singen bis nach Engen führen sollte, kurzfristig aus Gründen der Verkehrssicherheit geändert: „Ab Überlingen geht es für die Motorradschlange nun nicht mehr am See entlang, sondern auf die B31 neu zur A98 bis nach Engen“.
Harley Fahrerin Petra Steidle zeigte sich begeistert: „Diese Solidarität
unter uns Bikern ist klasse. Es darf kein Fahrverbot an Sonn- und Feiertagen für Motorradfahrern geben“. Michael Sternsinger aus dem Allgäu meinte: „Wegen einiger Idioten, die ihre Rennsemmeln hochtunen oder mit modifizierten Auspuffanlagen manipulieren, sollen wir alle leiden? Niemals. Denken Sie nur an die vielen Gaststätten und Herbergsbetriebe, die wir Biker an Wochenenden während unserer Ausfahrten zum Essen und Trinken besuchen. Als wäre die Corona-Pandemie mit ihren Einschränkungen nicht genug“, betonte der 48-jährige Kemptener, bevor er sich auf seiner Honda CB 500 Four Baujahr 1973 zwischen den vielen Mitstreitern einreihte, um beim anschließenden ohrenbetäubenden Hupkonzert seiner Haltung zum Verbot Gehör zu verleihen.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat den Widerstand der deutschen Bikergemeinde offenbar bereits registriert. In einer Stellungnahme gegenüber der Deutschen Pressagentur (dpa) lehnt er weitere Verschärfungen und Verbote für Motorradfahrer ab: „Wir haben ausreichende geltende Regeln. Die Biker zeigen bei den Protesten ihre Haltung gegen Verschärfungen und Verbote. Das ist auch meine Haltung. Ich werde die Beschlüsse des Bundesrates, also der Bundesländer, nicht umsetzen. „Dem baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann wurde am Samstag in Stuttgart eine Resolution gegen Fahrverbote für Motorräder überreicht. Von drei Abgesandten der Organisatoren jener Demonstration, die am Samstag auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart stattfand. Hermann beschwichtigte via Pressemitteilung: „Ich verstehe, dass die Motorradfahrer um ihr Recht kämpfen. Es handelt sich aber aus meiner Sicht um einen vorsorglichen Protest. Eine allgemeine Sperrung von Strecken steht nicht an, das hat der Bundesrat auch nicht gefordert. Allerdings sage ich auch: Die Rechte des einen dürfen nicht die Rechte des anderen einschränken. Wenn Motorradfahrer zu laut sind, ist das eine schwere Belastung für die Anwohner. Gerade im Sommer betrifft das viele Gemeinden, die sich nun der Initiative gegen Motorradlärm angeschlossen haben. Mittlerweile hat die Initiative 117 Mitglieder. Es gibt also die Sicht der Motorradfahrer, aber auch die Sicht der vielen betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner.“Auf die Frage, welche Maßnahmen gegen Motorradlärm helfen könnten, sagte Hermann: „Erstens, dass es keine Manipulationen an Motorrädern und Auspuffen gibt. Zweitens, dass die Polizei das auch überprüft. Drittens, dass die Motorradfahrer alles dafür tun, leise unterwegs zu sein. Und nur, wenn diese Dinge nicht greifen, kommen zeitlich beschränkte Fahrverbote auf bestimmten stark belasteten Strecken infrage. Diese sind nicht zwingend, aber die Entschließung des Bundesrats fordert, dass die Möglichkeit dafür in Form eines Gesetzes geschaffen wird.“PANORAMA
Video zur Biker-Demo online unter G» www.schwaebische.de/motorrad20
Fotostrecke zur Biker-Demo online unter
G» https://bit.ly/3dXbgr3