Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Hilfswerke warnen vor dramatischen Corona-Folgen im Nordirak
Organisationen befürchten einen Kollaps des Gesundheitssystems
Von Ludger Möllers und KNA
WIEN/ERBIL - Christliche Hilfswerke sind alarmiert über einen plötzlichen starken Anstieg von CoronaFällen im Nordirak. Die Behörden der Autonomen Region Kurdistan haben eine totale Ausgangssperre verhängt, teilte die in Linz ansässige Initiative Christlicher Orient (ICO) mit. Dabei dürften die Menschen ihre Häuser nicht mal mehr zum Kauf von Lebensmitteln verlassen, berichtete ICO unter Berufung auf ihre Partnerorganisation CAPNI.
Der Irak leidet wegen der CoronaPandemie wie andere Länder der Region unter einer schweren Wirtschaftskrise. Nicht zuletzt der niedrige Ölpreis macht dem Land zu schaffen, von dem seine Einnahmen abhängen. Am Freitag hatte die Regierung erstmals mehr als 1000 Neuinfektionen an einem Tag vermeldet. Bislang hat das Land offiziell fast 10 000 Corona-Fälle und fast 300 Tote registriert.
Im Irak stoße das Gesundheitssystem sehr bald an seine Grenzen, hieß es. Im gesamten Land mit seinen rund 40 Millionen Einwohnern gibt es laut ICO gerade mal 500 Intensivbetten. Aufgetreten sind die Corona-Häufungen in der kurdischen Hauptstadt Erbil sowie in den Provinzhauptstädten Dohuk und Sulaimaniya. Bis vor Kurzem habe es in der Region nur wenige Fälle gegeben. Nun drohten der Bevölkerung dramatische Konsequenzen, hieß es.
Nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“hatten die Menschen in Kurdistan die auch nach den Lockerungen bestehenden Einschränkungen nicht genügend ernst genommen und das Alltagsleben ohne die erforderliche Vorsicht wieder begonnen. Auch seien an der Grenze zum Nachbarland Iran, der als besonderer Hotspot der CoronaPandemie gilt, der Personen- und Handelsverkehr wieder aufgenommen worden.
Besonders die Lage in den Flüchtlingscamps, für die die Weihnachtsaktion „Helfen bringt Freude“der „Schwäbischen Zeitung“um Spenden bittet, werde prekär, hieß es.
Seit April finanzieren „Helfen bringt Freude“und die ICO im Nordirak Soforthilfen für die von den Maßnahmen gegen die Pandemie am schwersten betroffenen Familien. Obwohl die Behörden laut ICO eine Notversorgung der Bevölkerung zugesichert haben, werde sich die Lage für die Menschen weiter verschlechtern, fürchtet das Hilfswerk. Schon bisher sei die Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt und öffentliches Leben nur sehr bedingt möglich gewesen. Nun müssten auch Hilfswerke wie CAPNI ihre Arbeit zurückfahren.
Derweil hat Deutschland Hilfe zugesichert: Im Kampf gegen die Corona-Pandemie sollen insgesamt vier Milliarden Euro an Soforthilfen in Entwicklungsländer fließen. Der Koalitionsausschuss hat dafür bis Ende 2021 drei Milliarden Euro zugesichert. Im Irak sollen sechs Notkrankenhäuser gebaut werden.