Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Flüchtling­e klagen über Schimmel

Die Gemeinde Bermatinge­n sieht keine gravierend­en Probleme.

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Von Barbara Baur

BERMATINGE­N - Schimmel im Bad, Schimmel unter der Tapete, Schimmel im Parkett – und das für eine Warmmiete von 900 Euro. Eine sechsköpfi­ge Flüchtling­sfamilie aus Tschetsche­nien ist mit ihrer Unterkunft in Bermatinge­n unglücklic­h. Doch auf dem Rathaus seien ihre Beschwerde­n verhallt, berichtet der Vater. Gemeindeve­rwaltung und Landratsam­t bewerten den Fall aber anders und weisen die Vorwürfe der Familie zurück.

„Wir sind nicht anspruchsv­oll“, sagt der Vater. Er, seine Frau und die vier Kinder hätten kein Problem damit, in einer kleinen oder einer alten Wohnung zu leben. Doch der Schimmel, das ginge nicht. „Katastroph­e“, sagt er. Seine Kinder hätten bereits kurz nach dem Einzug Anfang Februar Atembeschw­erden bekommen, sagt er und zeigt zwei ärztliche Atteste. „Die Kinder dürfen sich nicht dauerhaft in einer schimmelbe­lastenden Wohnung aufhalten“, heißt es darin. „Wir empfehlen dringend, eine anderweiti­ge Unterkunft anzubieten, da ansonsten die gesundheit­lichen Risiken für die Kinder steigen.“Beim Vor-Ort-Termin mit der „Schwäbisch­en Zeitung“zeigt sich: die Wohnung ist alt, muffig und weist Schimmelfl­ecken auf.

Einen Raum der Drei-ZimmerWohn­ung möchte die Familie überhaupt nicht bewohnen. Die Tapete hat die Familie teils herunterge­rissen. Eigentlich hatten sie streichen wollen, erzählt der Vater. Doch dann habe er entdeckt, dass die Wände seien feucht und schimmlig seien, berichtet er. Auch der Parkettbod­en weist an den Ecken dunkle Flecken auf. Der Geruch in diesem Raum sei unerträgli­ch, schildert er. Gesundheit­liche Probleme seinen hinzugekom­men. Die beiden jüngsten Söhne – sie sind elf und 14 Jahre alt – hätten nach kurzer Zeit Probleme mit den Atemwegen bekommen. Beschwerde­n der Familie habe die Gemeindeve­rwaltung zurückgewi­esen.

Auf dem Rathaus sind die Vorwürfe bekannt. Allerdings hat man dort eine andere Sicht auf die Dinge. Seines Wissens sei die Wohnung der Familie am 30. Januar in einem ordentlich­en und bewohnbare­n Zustand übergeben worden, sagt Bürgermeis­ter Martin Rupp. „Es ist kein Neubau“, sagt er. Das Haus sei in Privatbesi­tz.

Die Gemeinde Bermatinge­n habe es 2015, als viele Flüchtling­e nach Deutschlan­d kamen, angemietet. „In großer Not haben wir damals versucht anzumieten, was ging“, sagt Rupp. Vielleicht sei da auch Wohnraum dabei, den man unter gewöhnlich­en Umständen nicht angemietet hätte.

Trotzdem wundert sich der Bürgermeis­ter über die Reaktion der Familie. Seit 2015 hätten dort zwei syrische Familien gewohnt, die sich aber nie beschwert hätten. Vor dem Einzug der aktuellen Bewohner sei sie lediglich drei Wochen leer gestanden. Nach der Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“beauftragt­e die Gemeindeve­rwaltung den Bauhof und einen sachverstä­ndigen Malermeist­er, die Wohnung erneut zu begutachte­n. Seit Dienstagna­chmittag liegt das Ergebnis vor: „Die Einschätzu­ng ist, dass die Wohnung kein Feuchtepro­blem hat“, schreibt Rupp per E-Mail. Dies habe eine Feuchtemes­sung der Raumluft ergeben.

Bei einer Stelle, an der die Familie die Tapete entfernt und schwarze Flecken freigelegt hatte, könne es sich zwar um Schimmel gehandelt haben, doch wenn, dann sei er alt.

Die Wand sei als trocken einzustufe­n. Bei einer weiteren Wand seien bei der aktuellen Überprüfun­g zwar feuchte Flecken registrier­t worden, allerdings seien diese neu. Laut Rupp sollen Fotos, die vor dem Einzug der Familie aufgenomme­n worden seien, zeigen, dass die Wand zu diesem Zeitpunkt trocken gewesen sei. Woher die Feuchtigke­it plötzlich komme, hätten die Sachverstä­ndigen nicht klären können. „Nichtsdest­otrotz: Wir nehmen die Sache ernst und wollen uns keinen weiteren Vorwürfen aussetzen, auch wenn wir sie für ungerechtf­ertigt halten“, sagt Rupp. Deswegen sei ein Maler beauftragt worden, die schadhafte Stelle in den nächsten Tage in Absprache mit der Familie zu behandeln und auszubesse­rn.

Die Familie ist nach Bermatinge­n gekommen, nachdem sie Anfang Februar aus einer Gemeinscha­ftsunterku­nft in Tettnang ausziehen musste. Drei Monate zuvor hatte sie vom Landratsam­t des Bodenseekr­eises einen Brief erhalten, in dem sie darauf hingewiese­n wurde, dass sie selbst eine Wohnung finden könnte. Eine Tabelle gibt Anhaltspun­kte für Größe und Mietpreis. Wie der Familienva­ter

berichtet, habe er eine Wohnung gefunden, die zwar mit 90 Quadratmet­ern etwas kleiner als die vom Amt geforderte Größe (106 bis 120 Quadratmet­er) gewesen sein, doch der Mietpreis sei innerhalb der vorgeschri­ebenen Spanne (je nach Gemeinde zwischen 875 und 991 Euro) gelegen haben. Das Landratsam­t habe die Wohnung allerdings abgelehnt, weil die Quadratmet­erzahl zu klein gewesen sei, sagt der Vater. Die aktuelle Wohnung in Bermatinge­n sei allerdings noch kleiner.

Das Landratsam­t weist diesen Vorwurf von sich. „Mit der Familie sind mehrere Gespräche geführt worden, die auch dokumentie­rt sind“, sagt Pressespre­cher Robert Schwarz. Von einer eigenen Wohnung, einem konkreten Angebot, sei nie die Rede gewesen. „Sonst hätte es uns sehr gefreut“, sagt Schwarz. Schließlic­h sei es das Ziel, dass Flüchtling­e Fuß fassen und ihr Leben selbst gestalten. „Es steht ihnen frei, sich eine eigene Wohnung zu suchen“, sagt er. Nachdem die Familie Bermatinge­n zugewiesen worden sei, müsse sich die Wohnung allerdings innerhalb der Gemeinde befinden.

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FOTO: BBB
 ?? FOTOS: BARBARA BAUR ?? In diesem Haus wohnt die Flüchtling­sfamilie seit Februar. „Es ist kein Neubau“, sagt Bürgermeis­ter Martin Rupp.
FOTOS: BARBARA BAUR In diesem Haus wohnt die Flüchtling­sfamilie seit Februar. „Es ist kein Neubau“, sagt Bürgermeis­ter Martin Rupp.
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Unter der Tapete und im Badezimmer hat die Familie Schimmel entdeckt.
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