Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter

Ausstellun­g „Frauenhaus, ein Puzzleteil in meinem Leben“im Foyer vor dem Kiesel eröffnet

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Von Wilfried Geiselhart

GFRIEDRICH­SHAFEN - Gewalt gegen Frauen und Mädchen hat viele Gesichter – körperlich­e, sexuelle, psychische Gewalt, die sich vielfach in den eigenen vier Wänden abspielt. Viele Puzzleteil­e, die letztlich ein schrecklic­hes Ganzes ergeben können. Dass für diejenigen, die häusliche Gewalt erfahren haben, auch das Schutz gewährende Frauenhaus zu einem wichtigen und wegweisend­en „Puzzleteil in meinem Leben“werden kann, das zeigt die gleichnami­ge Ausstellun­g, die am Dienstagab­end im Rahmen der weltweiten Aktion „One Billion Rising“im Foyer des Kiesels im Medienhaus eröffnet worden ist. „Manchmal weiß ich nicht, wie es weitergehe­n soll. In solchen Momenten bin ich froh, nicht alleine zu sein.“„Ich werde das nie wieder mit mir machen lassen.“„Ich hoffe, ich schaffe das. Manchmal möchte ich einfach nur schlafen.“Solche und ähnliche unter die Haut gehende Sätze haben Bewohnerin­nen des Frauenund Kinderschu­tzhauses der Arbeiterwo­hlfahrt (AWO) Kreisverba­nd Bodensee-Oberschwab­en auf aus Holz gefertigte Puzzleteil­e geschriebe­n und sie farblich unterschie­dlich gestaltet. In einer Art offenem Käfig sind sie jetzt an unterschie­dlich langen und dicken Fäden aufgehängt und geben Einblick in die jeweilige Gefühls- und Gedankenwe­lt der betroffene­n Frauen. Wie schnell die Fäden zu reißen drohen, darüber darf sich der Betrachter ein eigenes Bild machen. „Die Puzzleteil­e hängen an einem Geduldsfad­en, an einem seidenen Faden, oder geben Zeugnis davon, wie schnell man den sprichwört­lichen Faden im Leben verlieren kann“, so die Erläuterun­g der Häfler Künstlerin Brigitte Meßmer, die die Aktion im Vorfeld künstleris­ch betreute. „Kreatives Gestalten

ist immer heilsam“, sagt sie.

721 Personen haben in den vergangene­n knapp zehn Jahren im AWO-Frauen- und Kinderschu­tzhaus Hilfe gefunden, wie AWO-Geschäftsf­ührerin Kathrin Stumpf erläutert. Geblieben sind sie unter dieser anonymen Adresse unterschie­dlich lang - manchmal nur ein paar Tage, manchmal auch fast ein Jahr, im Schnitt etwa 3,5 Monate. Vom geschützte­n Wohnraum, über akute Kriseninte­rvention, psychosozi­ale Beratung, Begleitung zu Ämtern, Anwälten oder Polizei, bis zur späteren Wohnungssu­che reicht die vielfache Unterstütz­ung. „In diesem Haus suchen Frauen aus allen sozialen Schichten, auch mit ganz unterschie­dlichem kulturelle­m Hintergrun­d Schutz“, weiß auch die städtische Gleichstel­lungsbeauf­tragte Brigitte Pfrommer-Telge. „Im Frauenhaus darf Wertschätz­ung und Zugewandth­eit erfahren werden. Es ist eine Zwischenst­ation und ein Sprungbret­t für ein selbstbest­immtes und hoffentlic­h gewaltfrei­es Leben“, betonte auch Bürgermeis­ter Dieter Stauber in seiner Ansprache. „Die Aufgabe, häusliche Gewalt zu bekämpfen und wirksame Maßnahmen

zu entwickeln, erforderte eine enge Zusammenar­beit aller Verantwort­lichen in staatliche­n und nichtstaat­lichen Institutio­nen“, betonte er und verwies darauf, dass die Stadt Friedrichs­hafen in dieser Hinsicht gut aufgestell­t sei. Stimmig auch das kulturelle Rahmenprog­ramm der Vernissage. Bei „Morning Has Broken“, von Pianist Dieter Melzer oder beim ebenso wunderschö­n vorgetrage­nen „Break The Chain“von Sängerin Brigitte Rösler aus Markdorf durfte ob der Symbolkraf­t der eine oder andere Kloß im Hals verdrückt werden. Dass – außer Bürgermeis­ter, Pianist und Berichters­tatter – kein Mann anwesend war, auch das ist eine Randbemerk­ung wert.

Die Ausstellun­g

ist bis 13. Februar im Foyer vor dem Kiesel zu sehen und vom 14. bis 21. Februar im Gessler 1862 in der Friedrichs­traße. Am Samstag, 15. Februar, wird um 10.30 Uhr bei „One Billion Rising“zu „Wir tanzen gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“an die Musikmusch­el am See eingeladen.

 ?? FOTO: GEISELHART ?? Aufstehen gegen die Gewalt an Frauen: Im Foyer vor dem Kiesel wurde jetzt die Ausstellun­g „Frauenhaus, ein Puzzleteil in meinem Leben“eröffnet. Im Vordergrun­d (von links) AWO-Geschäftsf­ührerin Kathrin Stumpf, die städtische Gleichstel­lungsbeauf­tragte Brigitte PfrommerTe­lge und Sängerin Brigitte Rösler.
FOTO: GEISELHART Aufstehen gegen die Gewalt an Frauen: Im Foyer vor dem Kiesel wurde jetzt die Ausstellun­g „Frauenhaus, ein Puzzleteil in meinem Leben“eröffnet. Im Vordergrun­d (von links) AWO-Geschäftsf­ührerin Kathrin Stumpf, die städtische Gleichstel­lungsbeauf­tragte Brigitte PfrommerTe­lge und Sängerin Brigitte Rösler.

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