Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Gute Zahlen, großes Selbstbewusstsein
Die Betriebe der Handwerkskammer Ulm wachsen und gehen optimistisch ins Jahr 2020
Von Benjamin Wagener
GULM - Der Ton, den Joachim Krimmer anschlägt, ist zurückhaltend, der Inhalt nicht. Der zeugt von Selbstbewusstsein, von großem Selbstbewusstsein – zumindest im Hinblick auf den Wirtschaftszweig, den der Funktionär vertritt. „Das Handwerk ist für die Volkswirtschaft systemrelevant“, sagt der Präsident der Handwerkskammer Ulm. Der Senior-Chef der Leutkircher Heizungs- und Sanitärfirma Krimmer vertritt 19 500 Betriebe zwischen Ostalb und Bodensee mit rund 120 000 Handwerkern und einem Umsatz von mehr als 15 Milliarden Euro (plus vier Prozent).
Das Selbstbewusstsein Krimmers und seines Hauptgeschäftsführers Tobias Mehlich speist sich nicht zuletzt dadurch, dass es läuft auf dem Bau, bei den Metallbauern, bei den Elektrikern, Bäckern, Heizungsbauern und Optikern. „Wir sind in allen meisterpflichtigen Gewerken gewachsen“, erläutert Mehlich bei der Jahrespressekonferenz der Handwerkskammer in Ulm. „Und in den vergangenen Jahren haben die Betriebe auch ihre Eigenkapitalausstattung verbessert. Man kann sagen, sie haben Speck angelegt.“
Im Hinblick auf die unsichere gesamtwirtschaftliche Prognose stehe das Handwerk stabil da – auch wenn die Konjunktur etwas an Dynamik verloren hat. „Zugpferde sind der private Konsum und die Bautätigkeit“, erläutert Mehlich die Konjunkturumfrage der baden-württembergischen Handwerkskammern. Hinsichtlich der nächsten Monate erwarten 85 Prozent der Betriebe eine weiterhin gute oder noch verbesserte Geschäftsentwicklung als im vergangenen Jahr. Sorgen macht Mehlich allerdings die Lage in Gewerken, die der Exportindustrie, dem Maschinenbau sowie Unternehmen der Metall- und Elektrobranche Produkte und Dienstleistungen bieten. „Diese verlängerte Werkbank spürt natürlich die Zurückhaltung ihrer Auftraggeber“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Kammer Ulm.
Mit Blick auf die anstehenden Transformationen in der Metall- und
Elektroindustrie und im Automobilbereich, wo die Automatisierung, die Digitalisierung und auch die Elektromobilität viele Rahmenbedingungen von Grund auf verändern, macht sich die Handwerkskammer wenig Sorgen. „Erst einmal sind die allermeisten Produkte des Handwerks nicht digital, sondern analog“, erklärt Mehlich. „Und zweitens haben wir nur sehr wenige Betriebe, die in einer Mono-Abhängigkeit von einer Branche
sind.“Wenn in einem Segment Aufträge zurückgingen, könne das mit anderen Standbeinen aufgefangen werden. Ungewiss sei allerdings, auf was genau sich das Kraftfahrzeuggewerbe einstellen muss. „Dort ist die Abhängigkeit von der Autoindustrie hoch, und große Veränderungen stehen bevor“, sagt Mehlich. „Der Verkauf wird digitaler, der Wartungsaufwand bei Elektrofahrzeugen geringer. Da werden wir uns auf eine grundlegende Umstrukturierung der Arbeitsinhalte einstellen müssen.“
Für die Handwerkskammer Ulm war 2019 allerdings nicht nur wegen der stabilen Zahlen ein gutes Jahr, sondern vor allem auch aufgrund der handwerkspolitischen Entscheidungen. Joachim Krimmer begrüßte die Meisterprämie, die obwohl umstritten, am Ende im Landtag doch noch eine Mehrheit fand, und freute sich über die Wiedereinführung der Meisterpflicht in zwölf Gewerken. Ausdrücklich lobte Krimmer die Initiative von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), die sich für eine Internationalisierung der Bezeichnung des Meistertitels eingesetzt hatte: Fertige Meister können sich nun im grenzüberschreitenden Geschäft auch „Bachelor Professional“und „Master Professional“nennen. „Wir sind Handwerksmeister, und wir bleiben Handwerksmeister“, erläuterte Krimmer. „Aber so wird auch international verständlich, was für einen Bildungsgrad ein Handwerksmeister hat.“
Die Anerkennung der Kenntnisse, der Ausbildung und der Leistungen der Handwerkskollegen, darum geht es Krimmer und Mehlich auch, wenn sie über handwerkspolitische Ziele sprechen, die sie in 2020 angehen wollen. Und die Grundlage ist wieder das Selbstbewusstsein des so erfolgreichen Handwerks: „Wir sind systemrelevant für die Volkswirtschaft – und wenn man uns braucht, dann sollte man auch die Ausbildungswege gleich behandeln“, sagt Joachim Krimmer. Und er erläutert, wie aus Sicht des Handwerks Meisterstudenten im Vergleich zu akademischen Studenten benachteiligt werden – bei Studiengebühren und Kindergeld, bei den Beiträgen zu Sozialkassen und staatlichen Zuschüssen, bei Eintritten für kommunale Einrichtungen und den Tickets für Busse und Bahnen. „Diese Unterschiede sind aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt“, erklärt Mehlich. Und Krimmer fügt an: „Das wollen wir zu einem Schwerpunkt machen im nächsten Jahr.“Wie eine Drohung klingen die Worte nicht, aber das Selbstbewusstsein ist zu spüren.