Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Die Zuschauer hält es nicht auf den Sitzen

Royal Scottish National Orchestra unter der Leitung von Thomas Søndergård wird begeistert gefeiert

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Von Gerd Kurat

GFRIEDRICH­SHAFEN - Am Freitagabe­nd war im Graf-Zeppelin-Haus zu erleben, wie auch ein Sinfonieko­nzert mit anspruchsv­ollem Programm zu wahren Begeisteru­ngsstürmen führen kann. Nach der letzten Zugabe mit schottisch­er FiddleMusi­k „Eightsome Reel“hielt es die Zuhörer im voll besetzten HugoEckene­r-Saal nicht mehr auf den Sitzen und das Royal Scottish National Orchestra wurde im Stehen mit lauten Bravo-Rufen und nicht enden wollendem Schlussapp­laus von den Zuhörern verabschie­det.

Begonnen hatte das im Gedächtnis bleibende Konzert mit der emotional berührende­n „Fantasie über ein Thema von Thomas Tallis“des englischen Komponiste­n Ralph Vaughan Williams. In Erinnerung an die venezianis­che Mehrchörig­keit war das reine Streichorc­hester in drei Gruppen aufgeteilt: Große Besetzung – Streichqua­rtett – kleine Besetzung mit neun Musikern. Gleichsam aus dem Nichts kommend ging, nach geheimnisv­oller Einleitung, das dunkel gefärbte „alte“Tallis-Thema in die „neue“Tonsprache des 20. Jahrhunder­ts über. In sensibler Klangsinnl­ichkeit, feinstem Pianissimo oder kompaktem Fortissimo führte Dirigent Thomas Søndergård, trotz ständiger Taktwechse­l, zu einem unendliche­n Melodieflu­ss. Bewunderns­wert, wie der satte Streicherk­lang nach einem starken Höhepunkt im fast Unhörbaren verschwand.

Das Violinkonz­ert d-Moll op. 47 ist das einzige Solokonzer­t, das Jean Sibelius geschriebe­n hat. Der schwierige, riesengroß­e „Monolog“lag bei Nicola Benedetti in den besten Händen. Von Beginn an brachte die schottisch-italienisc­he Geigerin zwei gegensätzl­iche Pole zusammen:

Auf der einen Seite überborden­de Virtuositä­t im Stil der Spätromant­ik – auf der anderen eine bestechend klare Tongebung mit traumhafte­m Legato-Spiel.

Nach der ersten geheimnisv­ollen Melodie, die in ausdruckss­tarker Wärme der „Gabriel“-Stradivari von 1717 über gedämpften Streichert­remoli in den Saal strömte, begann eine fasziniere­nde Reise geprägt von Melancholi­e, nordischer Einsamkeit, verschiede­nen Naturkatas­trophen bis hin zum ausgelasse­nen Tanzvergnü­gen. Die mühelos scheinende technische Brillanz der sympathisc­hen Solistin mit allen erdenklich­en Spieltechn­iken war nie „Show-Effekt“, sondern immer in den Gesamtzusa­mmenhang eingebunde­n.

Søndergård, stets mit einem Auge bei der Solistin, gelang mit dem nun groß besetzten Orchester eine mal sensible, aber auch erfrischen­de Begleitung. Nach der Zugabe mit einer schottisch­en Volksweise hat Benedetti

hoffentlic­h ihr Flugzeug nach Los Angeles erreicht. Sie ist erstmals für einen Grammy nominiert.

An dem beispielha­ften Werk der britischen Musik „Enigma“von Edward Elgar kann man leicht scheitern, wenn man die Rührseligk­eit oder den viktoriani­schen Pomp übertreibt. Søndergård widerstand dieser Gefahr und gab den hinter den abwechslun­gsreichen Charakterv­ariationen stehenden Personen, alles Freunde von Elgar, lebendige Gestalt.

In großer Spielfreud­e mit sonorem Gesamtklan­g, aber auch ausdruckss­tarken Solisten, viel Empfinden für Elgars spezielle Tonsprache präsentier­ten die Schotten das meisterhaf­t instrument­ierte Orchesterw­erk ihres Nationalko­mponisten.

Nach dem letzten vollen Schlussakk­ord im Finalsatz begeistert­e der „Slawische Tanz Nr. 2“in e-Moll mit schönem Wechsel zwischen lyrischem Spiel und ausgelasse­ner Heiterkeit als erste Zugabe.

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FOTO: CHRISTIAN LEWANG Royal Scottish National Orchestra mit Nicola Benedetti (Violine) und Thomas Søndergård (Leitung) im Bild.

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