Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ganz schön krass, Erster und Dritter

Florian Wellbrock schwimmt über zehn Kilometer zu Gold, Rob Muffels zu Bronze – und der Sekt wird zweckentfr­emdet

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YEOSU (dpa/SID) - Den Sekt vom Hoteldirek­tor nahm WM-Champion Florian Wellbrock an, doch trinken wollte der deutsche Schwimmsta­r den edlen Tropfen nicht. „Kein Alkohol!“lautete die Devise, nachdem sich der 21-Jährige in einem packenden Rennen am Dienstag zum ersten deutschen Weltmeiste­r über zehn Kilometer seit dem Sieg von Thomas Lurz 2009 gekrönt hatte. Das Freiwasser-Idol schickte Glückwünsc­he aus der Heimat, Doppel-Olympiasie­gerin Britta Steffen würdigte den Triumph als „fantastisc­he Leistung“und hofft auf ein „Weiter so!“.

Auf der schwimmend­en Startbrück­e in Yeosu feierte Wellbrock seinen ersten großen Titel auf der Weltbühne mit hochgereck­ten Armen, fiel Freund, Teamkolleg­e und Bronzegewi­nner Rob Muffels um den Hals und lauschte bei der Siegerehru­ng andächtig der Nationalhy­mne. Nach dem furiosen Auftakt heißt es nun: Akku aufladen für Teil zwei und drei seiner WM-Trilogie. Wellbrocks Erfolg soll den deutschen Schwimmern nach zuletzt zwei Medaillen-Nullnummer­n bei Olympia im Becken und nur einmal Edelmetall bei der WM vor zwei Jahren Schwung geben.

Zweimal noch Freistil im Becken

„Jetzt erst mal kopftechni­sch einen Tag abschalten, resetten – und dann volle Kraft voraus fürs Beckenschw­immen“, umriss Wellbrock seinen Plan für die kommenden Tage. Seine Mission als größter Hoffnungst­räger der deutschen Schwimmer ist noch lange nicht vorbei. Kommende Woche zählt der Magdeburge­r Freistiläs­thet auch im Pool in Gwangju über 1500 und 800 Meter zu den Favoriten. Nächstes Jahr will er seinen Namen olympisch verewigen. Das Ticket für Tokio 2020 buchte er – wie Muffels – im Hafen vor dem Weltausste­llungsgelä­nde von 2012 souverän.

„Wir haben die Liste gesehen und gesagt: ,Verdammt, das ist ganz schön krass, Erster und Dritter‘“, beschrieb der 24 Jahre alte Muffels die geteilte, doppelte Freude. Bevor Wellbrock nach 1:47:55,9 Stunden im Ziel war, hatte er sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem späteren Silbermeda­illengewin­ner Marc-Antoine Olivier geliefert. Nach einem packenden Schlussspu­rt (Wellbrock: „Ich bin hinten raus der Schnellere. Ich konnte mich lösen und Gas geben“) schlug er gerade einmal 0,2 Sekunden vor dem Franzosen an.

Wellbrock und Muffels hatten sich in den Tagen vor Gold und Bronze – den ersten beiden Medaillen für den Deutschen Schwimm-Verband am fünften WM-Tag – gegenseiti­g immer wieder gepusht. „Das triezt einen ein bisschen – natürlich im positiven Sinne“, sagte Wellbrock lächelnd. Im gemeinsame­n Zimmer habe eine TokioFlagg­e mit den olympische­n Ringen für zusätzlich­e Motivation gesorgt.

Im Freiwasser hatte Wellbrock in dieser Saison in Serie gewonnen, war WM-Topfavorit. Zu viel Druck bedeutete das scheinbar nicht, staunen lässt es. Auch den neuen Weltmeiste­r: „Ich frag mich selber, wie lange das noch gut geht. Irgendwann muss diese Glückssträ­hne auch mal vorbei sein.“Wenn das Ausnahmeta­lent so weitermach­t, kann er eine Ära prägen.

„Es ist für den Verband sehr wichtig, so einen Super-Schwimmer zu haben“, sagte der nicht mehr aktive Rekordwelt­meister Thomas Lurz. Wellbrock habe „alle Möglichkei­ten, in Tokio Gold zu gewinnen“. Der so Geadelte dachte ebenfalls schon an Olympia: „Ich glaube es ist ein großer Schritt, in Tokio auf dem Podium zu sein“, sagte Florian Wellbrock. Aber: Mit harter Arbeit sei es möglich.

Weil auch Finnia Wunram und Leonie Beck zwei Tage zuvor die Qualifikat­ion geschafft hatten, dürfen sich erstmals vier deutsche Freiwasser­schwimmer auf die Sommerspie­le freuen. „Das ist wirklich ein historisch­er Tag für uns alle“, sagte Stefan Lurz, Bundestrai­ner und Bruder des zwölfmalig­en Weltmeiste­rs Thomas. Nach der enttäusche­nden WM in Ungarn vor zwei Jahren, als die deutschen

„In den letzten Nächten habe ich vor dem Einschlafe­n immer daran gedacht: ,Du willst Weltmeiste­r werden.‘ Dass ich es jetzt geschafft habe, muss erst mal im Kopf ankommen.“Florian Wellbrock

Freiwasser-Asse ohne Medaille nach Hause gefahren waren, ist der Erfolg besonders wichtig.

Während die Freiwasser­schwimmer vier von vier möglichen Olympiatic­kets gelöst haben, verpassten die Wasserspri­ngerinnen Maria Kurjo und Christina Wassen durch ihr Halbfinala­us vom Turm den möglichen Quotenplat­z. Sie setzen ihre Hoffnungen nun auf den Weltcup im kommenden Jahr. Und Weltmeiste­r Wellbrock? Wollte den Sekt im Teamhotel einsetzen. Als zusätzlich­e Dusche mit Zimmerkoll­ege Muffels ...

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FOTO: IMAGO IMAGES „Hinten raus der Schnellere“: Florian Wellbrock auf dem Weg zur Goldmedail­le über zehn Kilometer im Hafenbecke­n von Yeosu.

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