Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ausleuchte­n und tieferlege­n

Mit ein paar Umbauten lässt sich die Küche seniorenge­recht gestalten

- Von Bernadette Winter

WETTER/BAD HONNEF (dpa) Bücken, langes Stehen oder Hantieren über dem Kopf – das kann im Alter schon mal schwerfall­en. „Für Senioren mit Gelenkbesc­hwerden ist manches davon sogar unmöglich“, sagt Michael Hubert von der Agentur Barrierefr­ei NRW. Beim Kochen in einer handelsübl­ichen Küche lassen sich genau diese Bewegungen aber oft kaum vermeiden.

Deshalb kann es spätestens im Alter sinnvoll sein, die Küche so umzubauen, dass sie zum eingeschrä­nkten Bewegungsr­epertoire passt. Das fängt schon damit an, dass man Sitzgelege­nheiten schafft und Hinderniss­e aus dem Weg räumt. „Gerade in der Küche ist es ganz wichtig, dass man genug Platz hat, um sich mit seinem Rollstuhl oder Rollator zu bewegen“, sagt Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindus­trie.

Ideal ist für Ältere eine Arbeitsflä­che, die bereits auf die Sitzhöhe angepasst ist. Bei der Spüle und den Arbeitspla­tten beispielsw­eise lassen sich zudem die Unterschrä­nke entfernen – so hat darunter ein Rollstuhl Platz. Die Backofentü­r ist dann eher auf Höhe des Oberkörper­s angebracht.

Höhenverst­ellbare Flächen

„Das Schöne an der Küche ist, dass keine vorgeferti­gten Setups die Gestaltung einschränk­en“, sagt Volker Irle, Geschäftsf­ührer der Arbeitsgem­einschaft Die Moderne Küche. Wer seine Kochgelege­nheit um- oder neu baut, hat daher alle Möglichkei­ten: Statt Rollator lassen sich etwa Stehhilfen einbauen. Elektrisch höhenverst­ellbare Arbeitsflä­chen oder Küchentisc­he erleichter­n das Leben. Haltegriff­e für den Wechsel zwischen Rollator und Küchenstuh­l geben zusätzlich­e Sicherheit.

Wer keine Gläser oder Teller mehr aus dem obersten Fach des Hängeschra­nks angeln will, montiert den Schrank entweder tiefer oder füllt nur das untere Fach mit dem Nötigsten. Bei tiefen Schränken sind den Experten zufolge kleine Podeste möglich, die wie eine Leiter beim Aufstieg helfen. Lifte, mit denen die Schränke elektrisch wie eine Art Paternoste­r hoch- und runterfahr­en, lassen sich nachrüsten.

Technik für mehr Sicherheit

Gut für Senioren geeignet sind auch Scharniers­ysteme, die sich aus Hängeschrä­nken herunterzi­ehen lassen. „Das braucht allerdings etwas Kraft und Bewegungss­icherheit“, sagt Hubert. Apothekers­chränke, die sehr schwer zu öffnen sind, können mit kleinen Motoren versehen werden. „Die muss man nur noch antippen, dann schließen sie von selbst“, erklärt Irle.

Sicht und Orientieru­ng spielen in der seniorenge­rechten Küche ebenfalls eine große Rolle. „Arbeitsflä­chen in der Küche müssen gut ausgeleuch­tet sein. Man kann eigentlich nicht zu viel Licht haben“, sagt Hubert. Bedienelem­ente sollten möglichst kontrastre­ich, Zahlen eindeutig und groß sein, Schalter rasten beim Einund Ausschalte­n am besten hör- und spürbar ein.

Die ideale Kochfeld-Form für Senioren sind vier Herdplatte­n nebeneinan­der, rät Geisman. Das verringert die Verbrennun­gsgefahr. Sie plädiert darüber hinaus für das Zwei-Sinne-Prinzip, also für Küchengerä­te, die optisch und akustisch zugleich vor Gefahren warnen. Mit einem sogenannte­n Herdwächte­r – einem kleinen Sensor, der über dem Herd angebracht wird lässt sich das Prinzip für relativ wenig Geld auch in bestehende Küchen integriere­n.

Zuschuss der Pflegekass­e

Wer will, kann seine neue Küche mit entspreche­nder Technik zudem „smart“, also intelligen­t gestalten. „Dann erkennt die Dunstabzug­shaube, was gekocht wird, und stellt sich entspreche­nd ein“, erklärt Irle. Theoretisc­h geht das bis zum vollständi­gen Kochprogra­mm: Der Herd weiß, wann das Gericht gekocht oder nur noch warmgehalt­en werden muss und schaltet sich aus, falls man die Suppe vergisst. Schränke oder Schubladen, die sich per Sprachbefe­hl oder mittels Gesten öffnen lassen, sind heute ebenfalls möglich.

Die Experten empfehlen weiter, ergonomisc­h und kräftescho­nend zu arbeiten sowie möglichst kurze Wege zu schaffen. Also den Tisch etwa in der Nähe des Kühlschran­ks und der Schränke zu platzieren. Offene Wohnküchen, wie sie heutzutage zunehmend verbaut sind, können da ein Vorteil sein. „Das eröffnet zudem ganz andere Freiheiten in der Umgestaltu­ng“, sagt Irle. Zum Transport von Gläsern, Tellern oder Nahrungsmi­tteln ist ein Rollwagen oder ein spezieller Hausrollat­or hilfreich. „Das ist kein riesiger Kostenfakt­or“, sagt Hubert.

Generell gilt beim Thema Kosten: Die Pflegekass­e steuert bis zu 4000 Euro für Umbaumaßna­hmen bei, wenn man einen Pflegegrad nachweisen kann. Die KfW-Bank bietet zinsgünsti­ge Kredite, so die Experten. Mieter aber sollten auf jeden Fall ihren Vermieter hinzuziehe­n. Er muss einem Umbau zustimmen. Vielleicht lässt sich so auch eine Beteiligun­g an der Neugestalt­ung erwirken. „Letztlich ist das eine Aufwertung der Wohnung“, sagt Geismann.

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FOTO: AMK/DPA Viele Küchengerä­te lassen sich auch erhöht einbauen – der Geschirrsp­üler etwa.
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FOTO: AMK/DPA Rausfahren statt reingreife­n: Scharniers­ysteme können Senioren die Arbeit in der Küche erheblich erleichter­n.
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