Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Eine starke Frau an der Spitze“

Norbert Lins: Rückschlag für Spitzenkan­didatenpri­nzip muss nicht von Dauer sein

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BERLIN - Der Europaabge­ordnete Norbert Lins hatte eigentlich ein besseres Ergebnis für Ursula von der Leyen erwartet. Doch er hofft, dass es jetzt nach vorne geht. Sabine Lennartz sprach mit dem CDU-Politiker Norbert Lins aus Ravensburg, der im Europaparl­ament gerade zum Vorsitzend­en des Ausschusse­s Agrar und ländliche Räume gewählt wurde.

Herr Lins, haben Sie das Ergebnis für Frau von der Leyen erwartet?

Ja, das habe ich, ich dachte sogar, dass es nicht ganz so knapp wird.

Wie fanden Sie ihre Rede, war es die Rede ihres Lebens?

Es war eine sehr gute und gut vorbereite­te Rede, in der sie versucht hat, die breite Mitte im Parlament mitzunehme­n, das ist ihr auch gelungen. Wir werden mit ihr eine starke Frau an der Spitze der Kommission haben, welche die europäisch­en und deutschen Interessen im Blick haben wird.

Was gefällt Ihnen am besten an der Personalie von der Leyen?

Frau von der Leyen ist eine weltgewand­te und erfahrende Politikeri­n, die mehrere Sprachen spricht und auf der europäisch­en Ebene „gut performed“, wie man neudeutsch sagt. Aber natürlich hätte ich mir gewünscht, dass unser Spitzenkan­didat Manfred Weber gewählt worden wäre. Aber den haben einige Regierungs­chefs wie Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron und Ungarns Ministerpr­äsident Viktor Orban und auch Sozialdemo­kraten und Liberale im Europäisch­en Parlament verhindert. Ich hatte deshalb nun heute zwei Möglichkei­ten: einerseits am Spitzenkan­didatenpro­zess festhalten und Frau von der Leyen aus Prinzip ablehnen oder anderersei­ts das größere Ganze im Blick haben und die Zukunfts- und Handlungsf­ähigkeit der Europäisch­en Union sicherstel­len.

Ist deshalb für Sie am Ende das Parlament der Verlierer?

Wir haben sicher einen Rückschlag erlitten, aber daran haben wir auch einen eigenen Anteil. Aber durch die Zusagen von Frau von der Leyen für das Initiativr­echt des Europäisch­en Parlaments kämpfen zu wollen und das Spitzenkan­didatenpri­nzip zu verankern, muss dieser Rückschlag nicht von Dauer sein.

Wie ist nach der Wahl die Stimmung im Europäisch­en Parlament?

Die Stimmung ist gelöst, weil ja eine große Anspannung da war, aber sie ist nicht euphorisch.

Haben Sie die deutschen Sozialdemo­kraten verstanden, die gegen von der Leyen gestimmt haben?

Nein, überhaupt nicht, da bin ich auch entsetzt. Erst haben sie das Spitzenkan­didatenpri­nzip zu Grabe getragen, und dann sind sie doch Teil der Großen Koalition in Berlin. Das haben auch viele Kollegen der sozialisti­schen Fraktion nicht verstanden, deren Mehrheit zugestimmt hat. Die deutsche Sozialdemo­kratie ist jetzt auch im Europäisch­en Parlament isoliert.

Was sind jetzt die größten Aufgaben, die Sie von Frau von der Leyen erwarten?

Sie muss jetzt eine gute Mannschaft aufstellen und Inhalte mit den richtigen Personen verbinden. Und dann geht es an die Arbeit, Europa wirtschaft­lich im Aufwind zu halten, aber auch für den Klimaschut­z zu handeln.

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FOTO: OH Norbert Lins

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