Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Mit Leidenscha­ft zur Macht

Ursula von der Leyen hat ihr Ziel erreicht: Sie ist neue EU-Kommission­spräsident­in

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Sie hat gekämpft, dreisprach­ig und leidenscha­ftlich. Im rosa Blazer stand die zierliche Politikeri­n in Straßburg und knipste ihr Lächeln an. Strahlend hielt sie ein Plädoyer für Europa, kam Linken und Grünen entgegen, umgarnte Konservati­ve und Sozialdemo­kraten. Sie warb, sie suchte Verbündete – und sie fand sie auch. Am Ende wurde Ursula von der Leyen mit einer knappen Mehrheit zur neuen EU-Kommission­spräsident­in gewählt.

Schon einen Tag zuvor hatte sie angekündig­t, das Verteidigu­ngsministe­rium zu verlassen. Kanzlerin Angela Merkel gefiel das. „So kenne ich sie“, sagte Merkel. Von der Leyen habe sich mit ganzer Verve dafür entschiede­n, dass sie Kommission­spräsident­in werden will.

Kurz nach der Wahl sprach von der Leyen von den intensivst­en zwei Wochen ihres politische­n Lebens, die sie gerade hinter sich gebracht habe. Dabei hat sie schon einiges erlebt. Als Spätberufe­ne kam sie in die Politik. Es war der damalige niedersäch­sische Ministerpr­äsident Christian Wulff, der sie 2003 in sein Kabinett holte. Ursula von der Leyen, die Tochter des früheren niedersäch­sischen Ministerpr­äsidenten Ernst Albrecht, war damals 45 Jahre alt und hatte gerade das Direktmand­at im Wahlkreis Lehrte für den Landtag geholt.

Zuvor hatte sie mit ihrem Mann und ihren Kindern in Kalifornie­n gelebt. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschlan­d war die approbiert­e Ärztin wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin an der medizinisc­hen Hochschule Hannover. Ursula von der Leyen ist mit dem Medizinpro­fessor Heiko von der Leyen verheirate­t, einem Nachkommen der Krefelder Seidenbaro­ne. Die beiden haben sieben Kinder, die jetzt alle erwachsen sind.

Sie kann hart sein

Manche werfen ihr Härte vor. Als Beweis wird oft angeführt, dass sie als Sozialmini­sterin in Hannover als Erstes das Blindengel­d strich, das bis dahin einkommens- und vermögensu­nabhängig gezahlt wurde.

Doch von der Leyen machte auch durch Mehrgenera­tionenhäus­er schnell bundesweit von sich reden. Sie zeigte ihre Projekte mit so viel Enthusiasm­us, dass die Frau, damals noch mit dem dekorative­n Zopf, vielen gefiel und so manchem auffiel.

Schon 2005 wurde von der Leyen als Familienmi­nisterin (bis 2009) nach Berlin gerufen. Sie modernisie­rte das Familienbi­ld in der CDU

und ließ sich beim Ausbau von Krippenplä­tzen nicht beirren. Sie genoss dabei die Rückendeck­ung von Kanzlerin Angela Merkel, erhielt Unterstütz­ung auch von den Arbeitgebe­rn, erntete aber auch viel Kritik aus ihrer eigenen Partei. Als sie dann auch noch die Elternmona­te verlängert­e, wenn die Väter mitmachen („Wickelvolo­ntariat“), kamen aus der CSU sogar Vorwürfe, sie „sozialdemo­kratisiere“die CDU.

Sie wollte ins Bellevue

Als von der Leyen 2009 dem abgetreten­en Franz Josef Jung als Arbeitsmin­isterin folgte, galt sie bereits als Allzweckwa­ffe im Kabinett. Und als Frau, die einmal Angela Merkel gefährlich werden könnte. In ihren vier Jahren als Arbeitsmin­isterin von 2009 bis 2013 hinterließ sie allerdings keine großen Spuren. Es wurde ohnehin gemunkelt, dass von der Leyen lieber Gesundheit­sministeri­n geworden wäre – wenn das Ressort nicht an die FDP gefallen wäre.

2010 setzte sie schon zum ganz großen Sprung an die Spitze des Staates an. Ursula von der Leyen galt als Favoritin für das Amt des Bundespräs­identen, nachdem Horst Köhler

überrasche­nd zurückgetr­eten war. Doch Angela Merkel entschied sich für Christian Wulff, der Sprung ins Bellevue misslang.

Nach der Bundestags­wahl 2013 wurde Ursula von der Leyen überrasche­nd Verteidigu­ngsministe­rin, als erste Frau an der Spitze der Bundeswehr. Anfangs belächelt, arbeitete sie sich schnell ein.

Auch wenn Kritiker gerne darauf herumritte­n, dass sie vor allem Kinderbetr­euung in Kasernen als Anliegen habe, griff sie doch schnell durch. Sie wollte das Beschaffun­gswesen der Bundeswehr auf den Prüfstand stellen und die Armee modernisie­ren. Doch inzwischen befasst sich ein Untersuchu­ngsausschu­ss mit der massiven Vergabe von Beraterver­trägen. Ihr wird vorgehalte­n, sich nicht an das Vergaberec­ht gehalten zu haben. Vor zwei Jahren machte sich von der Leyen darüber hinaus bei vielen Bundeswehr­angehörige­n unbeliebt, weil sie in der Affäre um rechte

Umtriebe in der Bundeswehr von

„falsch verstanden­em Corpsgeist“und einem „Haltungspr­oblem“gesprochen hatte. Von der Leyen genießt am Ende nur noch wenig Rückhalt in der Armee. Der Verteidigu­ngsetat ist seit 2013 um ein Drittel gestiegen. Er ist aber noch weit entfernt vom Zwei-Prozent-Ziel der Nato. So ist es eine gemischte Bilanz, die von der Leyen hinterläss­t, wenn sie an die Spitze Europas wechselt.

Reiten als Hobby

Ursula von der Leyen gilt als „tough“, selbst ihre körperlich­e Haltung ist immer kerzengera­de. Das mag daran liegen, dass sie auch als Verteidigu­ngsministe­rin noch an Wochenende­n reitet, wann immer es geht.

Willenssta­rk hat sie sich auch beim Kampf um das neue Spitzenamt gezeigt. Geboren ist sie in Brüssel. Dass Europa ihr ein Herzensanl­iegen ist, ist unumstritt­en. CDU-Politiker Hermann Kues bezeichnet sie als „Glücksfall für Europa“. Weil sie Stärke und Leidenscha­ft für Europa mitbringe. Sie selbst hat in ihrer Rede den griechisch­en Staatsmann Perikles zitiert: Das Geheimnis des Glückes sei Freiheit, und dazu sei Mut notwendig.

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FOTO: DPA Ursula von der Leyen nach ihrer Wahl zur Präsidenti­n der Europäisch­en Kommission.

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