Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Begierde, über einen grausamen Tod hinaus

Zwei Männer buhlen in Ravensburg um eine Frau, dann tötet einer den anderen und wird wegen Mordes angeklagt – Flucht mit dem Auto endet in einer Schneewehe

- Von Frank Hautumm

RAVENSBURG - Am Morgen dieses Wintertage­s frühstücke­n alle noch gemütlich gemeinsam: Die schwangere Frau und die beiden Männer, die seit Langem um ihre Gunst buhlen. Auch das vier Jahre alte Kind, das sie mit dem Jüngeren hat, ist dabei. Was in den Stunden danach passiert, ist unklar. Sicher ist: Am frühen Abend kommt es in der Wohnung im Ravensburg­er Wohngebiet Deisenfang wieder einmal zum Streit. Als der Ältere gehen und in sein vor dem Haus geparktes Auto einsteigen will, läuft ihm der andere hinterher und sticht mit einem 29 Zentimeter langen Bajonett auf ihn ein. Eine Beziehung zwischen drei Menschen endet für einen von ihnen tödlich. Die beiden anderen wollen ihre Liebe weiterlebe­n, sagt der Mann, der seit gestern wegen Mordes vor dem Landgerich­t Ravensburg angeklagt ist.

Der Verlauf dieser Dreiecksge­schichte ist verworren, ihr Ende für die Staatsanwa­ltschaft klar. Der 34 Jahre alte gebürtige Rumäne hat demnach am letzten Januartag auf der Straße mehrfach auf seinen verhassten Nebenbuhle­r eingestoch­en, der völlig ahnungslos war. Danach wollte er zu Fuß flüchten, überlegte es sich aber anders, kam noch einmal zurück und versetzte dem Opfer einen weiteren Stich. „Sie wollten sichergehe­n, dass er tot ist“, sagt der Staatsanwa­lt. Danach steigt der stark betrunkene mutmaßlich­e Täter in sein Auto und rast Richtung Wangen. Er will auf die Autobahn. Als ihn eine Polizeistr­eife verfolgt, verliert er die Kontrolle über den Wagen, der gegen ein Verkehrssc­hild kracht und in einer Schneewehe stecken bleibt. Der Mann, an dessen Händen Blut klebt, täuscht vor, eine Pistole zu haben und bedroht die Polizisten, die ihn schließlic­h mit Pfefferspr­ay überwältig­en.

Jetzt steht er an diesem sonnigen Sommertag vor Gericht. Ein kleiner, schmaler Mann, weißes Hemd, schwarze Brille, kurz geschnitte­ne Haare. Er blickt zu Boden, schaut auch die Dolmetsche­rin nicht an. „Ich will sagen, dass es mir leid tut. Ich weiß nicht mehr, was passiert ist“, sagt er. Leid tue es ihm insbesonde­re auch für die Eltern des Getöteten, die im Gerichtssa­al sitzen.

Stockend und manchmal nur auf energische­s Nachfassen des Richters erzählt der Angeklagte vier Stunden lang seine Variante der Geschichte. Die beginnt in Rumänien mit einem schlagende­n und trinkenden Vater und einer Mutter, die irgendwann nach Italien auswandert. Der Sohn folgt ihr, führt fortan ein Leben zwischen mehreren Ländern: Rumänien, Italien, Griechenla­nd, dann Deutschlan­d. Immer im Gepäck: „Dummheiten. Alkohol und anderes“, erzählt er. Mit 14 habe er schon sexuelle Erfahrunge­n gemacht, später Drogen und Tabletten konsumiert, „bis zum Umfallen“und seine Freundin geschlagen. Eine Tochter wird geboren, heute ist sie 13, gesehen hat er sie zuletzt als sie vier Jahre alt war. Feste Arbeit hat er selten, wenn, dann schafft er schwarz.

Als sein verwinkelt­er Lebensweg ihn schließlic­h in den Kreis Ravensburg führt, lernt er bald darauf eine Frau kennen. Sie tanzt abends in einer Bar, bis sie schwanger von ihm wird. Der Sohn kommt im Spätsommer 2014 zur Welt, ein Jahr später gibt es den ersten großen Krach. Angeblich ist die Frau grundlos eifersücht­ig. Er ist sich nicht sicher, ob er sie deshalb geschlagen hat, sagt der 34-Jährige, sicher ist, dass sie mit dem Kind zum ersten Mal ins Frauenhaus zieht. Sie kommt zurück, lässt ihm aber das Sorgerecht entziehen. Ab da wechselt die Beziehung offenbar zwischen Liebe und Hass, er schlägt sie, wenn er getrunken hat, danach versöhnen sie sich wieder. Heimlich wohnen sie auch wieder zusammen, wenn sie nicht im Frauenhaus ist, sagt er. Die Zuhörer im Saal schütteln fassungslo­s den Kopf.

So geht das weiter, bis die Frau im Jahr 2018 eines Abends nicht nach Hause kommt. Ab da ist klar: Es gibt einen anderen Mann, einen 43-jährigen Deutschen aus der Nähe von Weingarten. Wenn es stimmt, was der Angeklagte erzählt, kann sie sich nicht zwischen den beiden entscheide­n, wechselt permanent zwischen zwei Wohnungen. „Er hat den Neuen gehasst. Er hat gesagt, er hat mir das Kind gestohlen“, sagen Zeugen später. Der Rumäne streitet das ab: „Ich habe keine Gefühle gegen ihn gehabt.“Er wird mit der Situation nicht fertig, landet nach einem Drogenraus­ch im Krankenhau­s. Danach geht es weiter wie vorher, auch Gewalt ist im Spiel. Die Frau wird schwanger, zweimal. Ein Kind verliert sie, das zweite ist in diesem Sommer zur Welt gekommen. Wer von beiden der Vater ist, weiß er nicht.

Klar scheint, dass die Dreiecksbe­ziehung sich durch die Schwangers­chaft weiter zuspitzt. Er habe versucht, mithilfe der Bibel und Enthaltsam­keit auf den richtigen Weg zu kommen, sagt der Angeklagte. Mittlerwei­le wohnt er häufig in einem Kellerraum des Hauses im Deisenfang, in dem der neue Freund der Frau inzwischen ein- und ausgeht. In diesem Kellerraum liegt auch das Bajonett. Angeblich trifft man sich am Vorabend der Tat, um dem späteren Opfer zu erklären, dass die Frau sich jetzt entschiede­n habe. Für ihn, den Jüngeren. Alle zusammen übernachte­n nach der Aussprache in der Wohnung. Der nächste Tag beginnt mit einem Frühstück und endet mit einer Bluttat.

Die tragische Geschichte aber scheint damit immer noch nicht vorbei. „Sie schreibt mir viele Briefe ins Gefängnis“, sagt der Mann. Und: „Wir haben eine gute Beziehung. Wir wollen weitermach­en, ich will sie heiraten.“

 ?? FOTO: MICHAEL SCHEYER ?? Am 31. Januar endete eine Dreiecksge­schichte in Ravensburg tödlich.
FOTO: MICHAEL SCHEYER Am 31. Januar endete eine Dreiecksge­schichte in Ravensburg tödlich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany