Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Begierde, über einen grausamen Tod hinaus
Zwei Männer buhlen in Ravensburg um eine Frau, dann tötet einer den anderen und wird wegen Mordes angeklagt – Flucht mit dem Auto endet in einer Schneewehe
RAVENSBURG - Am Morgen dieses Wintertages frühstücken alle noch gemütlich gemeinsam: Die schwangere Frau und die beiden Männer, die seit Langem um ihre Gunst buhlen. Auch das vier Jahre alte Kind, das sie mit dem Jüngeren hat, ist dabei. Was in den Stunden danach passiert, ist unklar. Sicher ist: Am frühen Abend kommt es in der Wohnung im Ravensburger Wohngebiet Deisenfang wieder einmal zum Streit. Als der Ältere gehen und in sein vor dem Haus geparktes Auto einsteigen will, läuft ihm der andere hinterher und sticht mit einem 29 Zentimeter langen Bajonett auf ihn ein. Eine Beziehung zwischen drei Menschen endet für einen von ihnen tödlich. Die beiden anderen wollen ihre Liebe weiterleben, sagt der Mann, der seit gestern wegen Mordes vor dem Landgericht Ravensburg angeklagt ist.
Der Verlauf dieser Dreiecksgeschichte ist verworren, ihr Ende für die Staatsanwaltschaft klar. Der 34 Jahre alte gebürtige Rumäne hat demnach am letzten Januartag auf der Straße mehrfach auf seinen verhassten Nebenbuhler eingestochen, der völlig ahnungslos war. Danach wollte er zu Fuß flüchten, überlegte es sich aber anders, kam noch einmal zurück und versetzte dem Opfer einen weiteren Stich. „Sie wollten sichergehen, dass er tot ist“, sagt der Staatsanwalt. Danach steigt der stark betrunkene mutmaßliche Täter in sein Auto und rast Richtung Wangen. Er will auf die Autobahn. Als ihn eine Polizeistreife verfolgt, verliert er die Kontrolle über den Wagen, der gegen ein Verkehrsschild kracht und in einer Schneewehe stecken bleibt. Der Mann, an dessen Händen Blut klebt, täuscht vor, eine Pistole zu haben und bedroht die Polizisten, die ihn schließlich mit Pfefferspray überwältigen.
Jetzt steht er an diesem sonnigen Sommertag vor Gericht. Ein kleiner, schmaler Mann, weißes Hemd, schwarze Brille, kurz geschnittene Haare. Er blickt zu Boden, schaut auch die Dolmetscherin nicht an. „Ich will sagen, dass es mir leid tut. Ich weiß nicht mehr, was passiert ist“, sagt er. Leid tue es ihm insbesondere auch für die Eltern des Getöteten, die im Gerichtssaal sitzen.
Stockend und manchmal nur auf energisches Nachfassen des Richters erzählt der Angeklagte vier Stunden lang seine Variante der Geschichte. Die beginnt in Rumänien mit einem schlagenden und trinkenden Vater und einer Mutter, die irgendwann nach Italien auswandert. Der Sohn folgt ihr, führt fortan ein Leben zwischen mehreren Ländern: Rumänien, Italien, Griechenland, dann Deutschland. Immer im Gepäck: „Dummheiten. Alkohol und anderes“, erzählt er. Mit 14 habe er schon sexuelle Erfahrungen gemacht, später Drogen und Tabletten konsumiert, „bis zum Umfallen“und seine Freundin geschlagen. Eine Tochter wird geboren, heute ist sie 13, gesehen hat er sie zuletzt als sie vier Jahre alt war. Feste Arbeit hat er selten, wenn, dann schafft er schwarz.
Als sein verwinkelter Lebensweg ihn schließlich in den Kreis Ravensburg führt, lernt er bald darauf eine Frau kennen. Sie tanzt abends in einer Bar, bis sie schwanger von ihm wird. Der Sohn kommt im Spätsommer 2014 zur Welt, ein Jahr später gibt es den ersten großen Krach. Angeblich ist die Frau grundlos eifersüchtig. Er ist sich nicht sicher, ob er sie deshalb geschlagen hat, sagt der 34-Jährige, sicher ist, dass sie mit dem Kind zum ersten Mal ins Frauenhaus zieht. Sie kommt zurück, lässt ihm aber das Sorgerecht entziehen. Ab da wechselt die Beziehung offenbar zwischen Liebe und Hass, er schlägt sie, wenn er getrunken hat, danach versöhnen sie sich wieder. Heimlich wohnen sie auch wieder zusammen, wenn sie nicht im Frauenhaus ist, sagt er. Die Zuhörer im Saal schütteln fassungslos den Kopf.
So geht das weiter, bis die Frau im Jahr 2018 eines Abends nicht nach Hause kommt. Ab da ist klar: Es gibt einen anderen Mann, einen 43-jährigen Deutschen aus der Nähe von Weingarten. Wenn es stimmt, was der Angeklagte erzählt, kann sie sich nicht zwischen den beiden entscheiden, wechselt permanent zwischen zwei Wohnungen. „Er hat den Neuen gehasst. Er hat gesagt, er hat mir das Kind gestohlen“, sagen Zeugen später. Der Rumäne streitet das ab: „Ich habe keine Gefühle gegen ihn gehabt.“Er wird mit der Situation nicht fertig, landet nach einem Drogenrausch im Krankenhaus. Danach geht es weiter wie vorher, auch Gewalt ist im Spiel. Die Frau wird schwanger, zweimal. Ein Kind verliert sie, das zweite ist in diesem Sommer zur Welt gekommen. Wer von beiden der Vater ist, weiß er nicht.
Klar scheint, dass die Dreiecksbeziehung sich durch die Schwangerschaft weiter zuspitzt. Er habe versucht, mithilfe der Bibel und Enthaltsamkeit auf den richtigen Weg zu kommen, sagt der Angeklagte. Mittlerweile wohnt er häufig in einem Kellerraum des Hauses im Deisenfang, in dem der neue Freund der Frau inzwischen ein- und ausgeht. In diesem Kellerraum liegt auch das Bajonett. Angeblich trifft man sich am Vorabend der Tat, um dem späteren Opfer zu erklären, dass die Frau sich jetzt entschieden habe. Für ihn, den Jüngeren. Alle zusammen übernachten nach der Aussprache in der Wohnung. Der nächste Tag beginnt mit einem Frühstück und endet mit einer Bluttat.
Die tragische Geschichte aber scheint damit immer noch nicht vorbei. „Sie schreibt mir viele Briefe ins Gefängnis“, sagt der Mann. Und: „Wir haben eine gute Beziehung. Wir wollen weitermachen, ich will sie heiraten.“