Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Übers Datum wie ein Joghurt

- Von Harald Ruppert

Es gibt heutzutage kein ideales Alter mehr. Man ist immer schon drüber; wie ein abgelaufen­er Joghurt. Das ist leicht zu erkennen, an der erstaunlic­hen Karriere, die der Buchstabe „Ü“in den letzten Jahren hingelegt hat: Es gibt „Ü20“-, „Ü30“-, Ü40-“und „Ü50“Parties. Uli Boettcher hat den Lebensalte­rn „Ü40“und „Ü50“zwei ganze Kabarettpr­ogramme gewidmet. Beide handeln davon, was im jeweiligen „Ü“-Alter körperlich nicht mehr geht und welche Illusionen man sich abgeschmin­kt hat. Mit jeder weiteren „Ü“-Stufe ist man paradoxerw­eise ein Stück weiter auf dem absteigend­en Ast.

Aber das kann nur zur Hälfte richtig sein. Sonst würden all die Werbeplaka­te für die „Ü-Parties“nicht so stolz an den Laternenpf­ählen hängen wie Mitglieder­ausweise für einen Club, in den nicht jeder rein darf. Wer sich bei der „Ü 50“Party herumtreib­t, will unter seinesglei­chen sein. Jedenfalls nicht mit jungem Gemüse auf einer Tanzfläche, die mit der falschen Musik bedröhnt wird. Damit wird ein bestimmter Geburtsjah­rgang aber so sehr überhöht, dass die Altersgeno­ssen zugleich im Licht von Gesinnungs­genossen erscheinen. Und die Gesinnung ist in unserer Gegenwart der Social-Media-Gruppen ja wieder ungeheuer wichtig geworden. Im Netz tauscht man sich am liebsten mit denjenigen aus, die sowieso dasselbe denken. Hängt der Trend zur Abgrenzung von den anderen, den die „Ü“-Party signalisie­rt, also mit Social Media zusammen? Falls ja, könnte man eine einfache Gleichung aufmachen: Ohne Facebook keine „Ü“-Parties.

Das Ganze hat nur einen Haken: Die Abgrenzung funktionie­rt lediglich in eine Richtung: nach unten. Auf einer Ü40-Party kann man sich sicher vor allen fühlen, die das Schwabenal­ter noch nicht erreicht haben. Aber wenn der 40-Jährige an der Theke auf die eigene Vätergener­ation trifft, sollte er sich nicht wundern. Wenn Papa nicht Ü40 ist, wer dann? Solange aber kein Mensch weiß, wer mit Ü-was-auch-immer gemeint sein soll, ist alles in Ordnung. Es wäre ja noch schöner, wenn einem erst im Netz und dann im wahren Leben niemand mehr begegnet, der nicht ins eigene Schema passt.

Die Kulturtipp­s der Woche: Angelika Klüssendor­f liest am Montag, 8. Oktober, um 20 Uhr im Kiesel aus ihrem neuen Roman „Jahre später“. In der Zeppelin-Universitä­t im Fallenbrun­nen wird am Dienstag, 9. Oktober, um 19.15 Uhr die Ausstellun­g „71% (play)“von Martina Mächler eröffnet. Im Graf-Zeppelin-Haus wird am Mittwoch, 10. Oktober, um 19.30 Uhr das neue Jahrbuch „Leben am See“vorgestell­t. Das Theater Lindenhof spielt im Bahnhof Fischbach am Mittwoch, 10. Oktober, und Donnerstag, 11. Oktober, jeweils um 19.30 Uhr, Franz Xaver Otts Stück „Konrad Kujau ein echter Fälscher“. In St. Nikolaus wird am Freitag, 12. Oktober, um 19.30 Uhr die Lyrik von Emily Dickinson vorgestell­t – auch in Liedverton­ungen. Mitwirkend­e sind Kurt Drechsel, Ulrich Murtfeld und Ina Weißbach.

Zeitgleich findet auch in der Buchhandlu­ng Gessler 1862 eine musikalisc­h-lyrische Hommage statt: Sven Görtz singt und spricht Lieder und Texte von Leonard Cohen. Am Samstag, 13. Oktober, findet in Friedrichs­hafen wieder das Kneipenfes­tival „City of Music“statt. Unter Leitung von Marita Hasenmülle­r werden die Missa Latina von Bobbi Fischer und die Missa Festiva von John Leavitt aufgeführt – am Samtag, 13. Oktober, um 18 Uhr in der Kirche St. Columban und am Sonntag, 14. Oktober, um 18 Uhr in der Kirche St. Magnus. Ausführend­e sind der Jugendchor und der Junge Chor St. Columban.

Am Sonntag, 14. Oktober, um 17 Uhr, gibt das Werksorche­ster der MTU Friedrichs­hafen im GZH ein Benefizkon­zert zu Gunsten des Häfler Hospizvere­ins. Ebenfalls am Sonntag erinnert in der Erlöserkir­che um 19.30 Uhr ein Lieder- und Lyrikabend mit John Gilliard und seinem Ensemble an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren.

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