Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Westen wirft russischen Agenten massive Cyberangriffe vor
Geheimdienst soll unter anderem hinter Attacken auf Anti-Doping-Agentur Wada und die Bundesregierung stehen
WASHINGTON/DEN HAAG (dpa) Der Westen wirft Russland offiziell vor, hinter vielen großen Hackerangriffen der vergangenen Jahre zu stecken. Die USA klagten sieben Agenten des Militärgeheimdiensts GRU unter anderem wegen der Cyberattacke auf Welt-Anti-Doping-Agentur Wada an. Niederländische Behörden erwischten nach eigenen Angaben GRU-Agenten beim Versuch, sich ins Computernetz der Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) zu hacken.
Niederländer publizieren Bilder
Die Enthüllungen aus London, Den Haag und Washington sind die bisher schärfsten Anschuldigungen im Zusammenhang mit mutmaßlich russischen Hackerangriffen. Besonders ausführlich und gut dokumentiert waren die Vorwürfe der Niederländer. Sie veröffentlichten am Donnerstag unter anderem Bilder von der Spionageausrüstung sowie Daten von beschlagnahmten Geräten. Nach Angaben der Ermittler wollten die GRU-Agenten im April ins WLAN-Netz der OPCW eindringen. Die Organisation untersuchte damals Chemiewaffen-Angriffe in Syrien sowie die Nervengift-Attacke auf den früheren russischen Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter Julia in Großbritannien. Aus den Gerätedaten gehe hervor, dass auch Hacker-Attacken in der Schweiz und auf die strafrechtliche Untersuchung zum Abschuss des Passagierfluges MH17 geplant gewesen seien, hieß es.
Mit den Angriffen auf die Wada und den Leichtathletikverband IAAF wollten die russischen Hacker nach Darstellung der US-Ermittler von den Vorwürfen eines staatlich Betriebenen Dopings gegen Russland ablenken. Sie hätten aber auch versucht, sich in den US-Atomkonzern Westinghouse zu hacken. Details dazu – etwa, ob die Attacke Erfolg hatte – gab es nicht.
Angriff auf den Bundestag
Auf einer Liste von Hackergruppen, hinter denen laut britischer Cyberabwehr „so gut wie sicher“der GRU stehe, ist auch „APT 28“zu finden. Diese Gruppe wird hinter den Angriffen in Deutschland vermutet. Bei dem Angriff auf den Bundestag im Jahr 2015 hatten sich Angreifer so weitreichenden Zugang verschafft, dass die Bundestags-IT ausgetauscht werden musste. Bei dem im Februar bekannt gewordenen Angriff auf das Datennetzwerk des Bundes hatten Cyberspione unter anderem das deutsche Außen- und das Verteidigungsministerium attackiert. Dabei sollen sie auch Daten erbeutet haben.
Das britische National Cyber Security Center fand nach eigenen Angaben heraus, dass der GRU auch für Attacken auf die Demokratische Partei vor den US-Präsidentschaftswahlen 2016, einen Flughafen in der Ukraine sowie eine TV-Station in Großbritannien verantwortlich ist.
Politiker griffen zu scharfen Worten: Laut dem britischen Außenminister Jeremy Hunt zeigen die Angriffe, dass Russland agiere, ohne das Völkerrecht zu beachten. „Ich habe genügend Beweise gesehen, um sagen zu können, dass die Niederländer und Briten zu 100 Prozent richtig liegen“, sagte US-Verteidigungsminister James Mattis. EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionschef Jean-Claude Juncker verurteilten das Vorgehen. Hunt brachte neue Strafen gegen Russland ins Gespräch. Nach dem Anschlag auf die Skripals wurden bereits zahlreiche russische Diplomaten ausgewiesen.
Auch mit Blick auf die Cyberangriffe betonte das russische Außenministerium, London habe keine echten Beweise für die Anschuldigungen präsentiert. „Hier wird einfach alles vermischt: GRU, Cyberspione und Kremlhacker. Das ist einfach eine Parfümmischung aus der Hölle“, sagte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa. Der Satz war eine Anspielung auf die Angaben britischer Ermittler, wonach das Nowitschok-Gift in einer Duftprobe transportiert worden sei.