Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Beim Rutenfest boomt die Prostitution
Polizei hat Rotlichtmilieu in Ravensburg im Blick – Frauen arbeiten in unauffälligen Häusern
RAVENSBURG - Das Rotlichtmilieu in Ravensburg ist überschaubar und eher unauffällig. Vor allem während des Rutenfestes blüht das Gewerbe auf. Große Probleme mit Kriminalität im Milieu gibt es laut Polizei nicht. Die Schwäbische Zeitung hat sich über das Thema mit dem zuständigen Beamten bei der Kripo Friedrichshafen unterhalten. Da er hauptsächlich für die Verfolgung organisierter Kriminalität zuständig ist, möchte der Kriminalhauptkommissar seinen Namen nicht in der Zeitung lesen.
Auf dem Land scheint die Welt noch in Ordnung. In Ravensburg und Friedrichshafen gibt es zumindest keine großen Laufhäuser mehr, in denen Freier durch die Gänge gehen und sich eine Frau aussuchen, oder besonders demütigende „Flatrates“. Die Prostitution spielt sich überwiegend in von außen unauffälligen Wohnhäusern ab, die aber seit dem Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes auch als Bordellbetriebe gelten. „Die Betreiber werden durch die Städte einer Zuverlässigkeitsprüfung unterzogen, müssen Alarmknöpfe in den Wohnungen installieren sowie Privat- und Arbeitsräume voneinander trennen“, sagt der Experte von der Kripo. Daran würden sich die Vermieter auch halten, meint er und bestätigt damit Angaben eines Ravensburger Geschäftsmannes, der vor zwei Wochen freimütig über sein Gewerbe gesprochen hatte.
Eng verbundene Szene
Die Szene in Ravensburg und Friedrichshafen ist sehr eng miteinander verbunden. So unterhalten die „Seemiezen“aus Friedrichshafen einen weiteren Bordellbetrieb in der Ravensburger Klosterstraße. Die Terminwohnungen in der Ravensburger Rosmarinstraße und teilweise am Buchhornplatz in Friedrichshafen hingegen werden von einer Ravensburger Familie betreut. Laut Polizei wechseln die Mieterinnen aber meist im Wochen- oder Zweiwochentakt. „Es kommt auch schon mal vor, dass eine Frau ein halbes Jahr bleibt und Stammfreier hat, die meisten Kunden wollen aber immer wieder andere, neue Frauen. Schätzungsweise 95 Prozent wechseln häufig den Arbeitsort.“Organisiert wird der stete deutschlandweite Wechsel von den Frauen selbst. Über Telefon oder Internet. „Zuhälter gibt's in diesen Bordellbetrieben nicht, die Wohnungsanbieter agieren als Gewerbetreibende“, sagt der Prostitutionsexperte der Polizei. Mit hohem Verdienst. Pro Tag muss jede Frau 100 bis 125 Euro Miete zahlen zuzüglich 25 Euro pauschale Steuer. Heißt: Sie muss zwei bis drei Freier bedienen, um die Miete wieder einzuspielen, und hat dann noch nichts für sich selbst verdient. Trotzdem sei die Tätigkeit vor allem für Frauen aus dem früheren Ostblock lukrativ. Ein Großteil der Mädchen, die hier arbeiten, stamme aus Rumänien und Bulgarien. „Dort haben sie vielleicht einen Monatsverdienst von 300 Euro, das können sie hier in einem guten Bordell an einem Tag verdienen.“
Um zu verhindern, dass die Szene in die Kriminalität abdriftet, hält die Kripo Kontakt zu den Akteuren im Rotlichtmilieu. „Wir versuchen, zu allen Betreibern, aber auch zu den Prostituierten ein gutes Verhältnis zu haben, mit dem Ziel, Menschenhandel und Zwangsprostitution zu verhindern. Von beiden Seiten kommen nämlich oft wertvolle Hinweise auf Auswüchse, vor allem im Internet.“Dort haben die klassischen Bordellbetriebe mittlerweile die größte Konkurrenz. Professionelle, aber auch Hobby- oder Gelegenheitsprostituierte bieten dort ihre Dienste an. Auf „Kauf-mich.com“gibt es zum Beispiel auch Frauen aus Weingarten, Baienfurt, Horgenzell oder Wilhelmsdorf, wo das älteste Gewerbe der Welt ja eigentlich wegen der 35000-Einwohner-Grenze verboten ist.
Die Frauen auf den Dörfern haben auch mutmaßlich keinen Prostituiertenausweis, den das Landratsamt nach entsprechender Gesundheitsberatung ausstellt. Im ganzen Kreis Ravensburg sind derzeit nur zwölf Prostituierte angemeldet. Da sich die Frauen aber nur einmal deutschlandweit melden müssen, liegt die Zahl der Sex-Arbeiterinnen tatsächlich höher. „Das ist auch abhängig von der Jahreszeit. Beim Rutenfest tummeln sich sicherlich mehr Prostituierte in Ravensburg als sonst“, sagt der Kriminalhauptkommissar.
Die Table-Dance-Bars „Kokett“in Grünkraut und „Je t'aime“in Bodnegg, wo Prostitution verboten ist, sind den Bordellbetreibern in Ravensburg und Friedrichshafen aber ein Dorn im Auge. Da dürfen keine sexuellen Kontakte stattfinden, bei Kontrollen hat die Polizei diesbezüglich auch bislang noch keine Verstöße festgestellt.