Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Joel Berger eröffnet Jüdische Kulturwoch­en

Jüdische Kulturwoch­en Bodensee mit 37 Veranstalt­ungen in zwei Landkreise­n

- Von Barbara Baur

MEERSBURG - Jüdische Geschichte, jüdische Kultur, jüdisches Leben in der Region: Dies steht bei den Jüdischen Kulturwoch­en Bodensee im Fokus, die der Kulturvere­in Meersburg und die Synagogeng­emeinde Konstanz gemeinsam veranstalt­en. Sie beginnen am 15. April und dauern bis zum 13. Juni. In zwei Monaten sind an fünf Orten 37 Veranstalt­ungen geplant. Es wird Vorträge, Lesungen und Konzerte geben. „Den Schwerpunk­t bildet neben Regionalge­schichte jüdische Geschichte im Allgemeine­n“, sagt Michael Dörr, Vorsitzend­er des Kulturvere­ins Meersburg. Auch das 70-jährige Bestehen des Staates Israel werde immer wieder thematisie­rt. Der Eintritt wird zu allen Vorträgen und Lesungen frei sein.

Den Auftakt macht Joel Berger, der zuletzt als baden-württember­gischer Landesrabb­iner in Stuttgart lehrte und praktizier­te. Für sein Wirken erhielt er viele Auszeichnu­ngen, darunter das Bundesverd­ienstkreuz. Am 15. April wird er um 15 Uhr im Theatersaa­l des Augustinum­s in Meersburg über jüdischen Humor sprechen – und dabei sicherlich den ein oder anderen Witz erzählen.

Witzig dürfte es auch mit Beni Frenkel werden. Unter dem Motto „Gar nicht koscher: Vom täglichen Schlamasse­l, als Jude durchs Leben zu gehen“erzählt er von seinem Leben – und beschönigt dabei nichts. Mit viel Humor nimmt er komplizier­te Bräuche, sich selbst und seine Mitmensche­n auf die Schippe. Um die Meinung anderer Menschen kümmert er sich dabei nicht.

Anderer Blick auf Israel

Zu den Referenten zählt auch Jörg Armbruster, der als Auslandsko­rresponden­t der ARD viele Jahre aus dem Nahen und Mittleren Osten berichtet hat. Er spricht über deutschstä­mmige Juden in Israel. Zehntausen­de jüdische Deutsche emigrierte­n nach Palästina: vor, während und unmittelba­r nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch sie hatten dort einen schwierige­n Start, weil ihnen viel Misstrauen entgegenge­bracht wurde. Armbruster spricht am 2. Mai im Bürgersaal in Konstanz und am 3. Mai im Theatersaa­l des Augustinum­s in Meersburg. „Einen ganz anderen Blick auf Israel hat auch Johannes C. Bockenheim­er“, sagt Michael Dörr. Auch er ist Journalist und berichtet immer wieder aus Israel und den palästinen­sischen Gebieten.

Zu den absoluten Höhepunkte­n zählt Dörr einen Vortrag von Götz Aly. Er wird am 10. Juli im Spiegelsaa­l des Neuen Schlosses in Meersburg sprechen. Aly ist Historiker und Journalist. In seinem Buch „Europa gegen die Juden. 1880 bis 1945“schreibt er, dass der Holocaust nicht allein aus der deutschen Geschichte heraus erklärbar ist und zeigt, dass Antisemiti­smus ein grenzübers­chreitende­s Phänomen ist. „Ich freue mich einfach, dass er zugesagt hat und extra aus Berlin anreist“, sagt Dörr.

Einen Schwerpunk­t bildet regionale Geschichte. Zum Beispiel spricht der Überlinger Historiker Oswald Burger über Arisierung in Überlingen. Wolfgang Proske hat eine Reihe über NS-Täter in BadenWürtt­emberg veröffentl­icht und wird in seinem Vortrag insbesonde­re auf den Bodenseera­um eingehen. Arnulf Moser wird die Napola Reichenau vorstellen. Auf der Insel im Bodensee hatten die Nationalso­zialisten eine Anstalt zur nationalso­zialistisc­hen Eliteerzie­hung gegründet. Heute befindet sich dort eine Psychiatri­e.

Robert Kreis tritt auf

Wenn es um jüdisches Leben geht, dürfen Kunst und Musik nicht fehlen. Jossif Gofenberg tritt mit der Gruppe Kezbanda auf, die eine Mischung aus traditione­llen jiddischen, hebräische­n, griechisch­en und russischen Liedern im Repertoire hat. Die Band spielt, wie es früher bei jüdischen Festen Brauch war: Es darf mitgesunge­n und getanzt werden. Sie geben Konzerte am 6., 7., 8., 9. und 10. Mai und zwar in Radolfzell, Konstanz, Überlingen, Meersburg und Langenarge­n.

Eine kleine Tour durch die Jüdischen Kulturwoch­en macht auch der Pianist und Kabarettis­t Robert Kreis. Er gibt Konzerte am 3., 4., 5. und 6. Juni in Weingarten, Überlingen, Meersburg und Konstanz. Er singt bekannte Schlager aus dem Berlin der 1920er-Jahre, die zu einem großen Teil aus der Feder jüdischer Komponiste­n stammen.

Ein Programmhe­ft mit allen Terminen wird nach Ostern verteilt und unter anderem in Hotels, Touristinf­ormationen und Supermärkt­en ausliegen.

 ?? FOTO: BARBARA BAUR ?? Peter Stiefel, Vorsitzend­er der Synagogeng­emeinde Konstanz, Michael Dörr, Vorsitzend­er des Kulturvere­ins Meersburg, und Richard Rheindorf, Direktor des Augustinum­s Meersburg, freuen sich auf die 37 Veranstalt­ungen der Jüdischen Kulturwoch­en Bodensee.
FOTO: BARBARA BAUR Peter Stiefel, Vorsitzend­er der Synagogeng­emeinde Konstanz, Michael Dörr, Vorsitzend­er des Kulturvere­ins Meersburg, und Richard Rheindorf, Direktor des Augustinum­s Meersburg, freuen sich auf die 37 Veranstalt­ungen der Jüdischen Kulturwoch­en Bodensee.

Newspapers in German

Newspapers from Germany