Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Grenzüberschreitendes Onlineshopping soll fairer werden
Bedingungen für Kauf im Internet werden noch in diesem Jahr in allen EU-Staaten angeglichen
BRÜSSEL - Noch in diesem Jahr sollen die Bedingungen fürs Onlineshopping in allen EU-Staaten angeglichen werden. Das sogenannte „Geoblocking“, also das Sperren bestimmter Angebote für Nutzer aus anderen Ländern, wird verboten. Unter die Verhandlungen setzte das EU-Parlament am Dienstag mit seiner Abstimmung den Schlusspunkt. Wer sein Flugticket von Italien aus bestellt, soll nicht mehr bezahlen als in Deutschland oder Frankreich. Webangebote sollen überall in der EU zu den gleichen Konditionen zugänglich sein. Ausgenommen sind Produkte geistigen Eigentums wie E-Books und Frachtkosten, die abhängig vom Zielort variieren können.
Was ist Geoblocking?
Ganz allgemein ist damit gemeint, dass Dienstleistungen, Waren oder geistige Inhalte für Kunden aus anderen Ländern gesperrt werden. In Deutschland wurde vor allem im Zusammenhang mit Streamingdiensten viel über Geoblocking debattiert. Hierzu hat Brüssel bereits eine gesonderte Regelung getroffen, die nächsten Monat in Kraft tritt. Wer ein entsprechendes Abonnement bezahlt, kann ab März in der gesamten EU darauf zugreifen. Das gilt allerdings nicht für öffentlich-rechtliche Mediatheken. Die Sendeanstalten argumentieren, dass sie in vielen Fällen die Rechte für eine Produktion nur fürs Inland erwerben und sie deshalb Kunden im Ausland nicht zur Verfügung stellen dürfen. Eine Rundfunkgebühr eröffne nicht denselben Rechtsanspruch wie ein Abonnement. Die EU-Kommission will sich zu einem späteren Zeitpunkt gesondert mit den Mediatheken und anderen Produkten geistigen Eigentums wie E-Books befassen.
Worum geht es bei dem nun abgestimmten Gesetz?
Es geht um alle anderen Waren und Dienstleistungen. Ein Beispiel: Ein deutscher Student erhält von seiner in Italien lebenden Mutter einen Link, der eigentlich zum Supersonderangebot eines Esspressomaschinenherstellers führen sollte. Doch wenn die Seite von einem in Deutschland stehenden Computer aus aufgerufen wird, erscheint die Nachricht, das Angebot sei an diesem Standort nicht verfügbar oder könne nur mit einer italienischen Kreditkarte bezahlt werden. Will der junge Mann trotzdem davon profitieren, muss seine Mutter die Ware bestellen und an ihn liefern lassen. Auch bei Mietwagenanbietern, Hotelplattformen oder Fluglinien taucht das Problem oft auf. Noch im laufenden Jahr sollen alle Mitgliedsstaaten ihre Gesetze so ändern, dass jedes Angebot von jedem beliebigen Standort innerhalb des Binnenmarktes zu den gleichen Bedingungen abgerufen werden kann.
Warum behandeln Onlinehändler ihre Kunden ungleich?
Die Mehrwertsteuersätze sind in den EU-Staaten unterschiedlich hoch. Außerdem ist der Aufwand im Verhältnis zum Ertrag höher, wenn der Kunde aus einem kleinen Land stammt. Eine Werbestrategie, eine Sprachübersetzung oder ein Logistiksystem lohnt sich mehr, wenn die Gruppe potentieller Kunden größer ist. Deshalb sind die Bewohner von Malta, Estland oder Slowenien häufiger von Geoblocking betroffen als Deutsche oder Franzosen. Dennoch ist das Verhalten der Onlinehändler nicht ganz nachvollziehbar. Das neue Gesetz verlangt ja nicht, dass sie einen Extra-Onlineauftritt für jedes Mitgliedsland erstellen. Es soll nur möglich sein, vom Ausland aus das Bestellformular auf der Originalseite zu nutzen. Es werden also potentiell mehr Kunden mit dem gleichen Werbeaufwand erreicht. Versandkosten bleiben außen vor. Der Händler kann also weiterhin höhere Lieferpreise an den Kunden weitergeben oder verlangen, dass der sich selbst um den Transport der Ware kümmert.
Was ist mit urheberrechtlich geschützten Waren?
Ausgenommen von der Regelung sind urheberrechtlich geschützte Waren, wie E-Books, Musik und OnlineSpiele. „Das macht aus Verbrauchersicht überhaupt keinen Sinn“, sagt Johannes Kleis von der Europäischen Verbraucherzentrale BEUC. Die Kommission will sich demnächst gesondert damit befassen. Helga Trüpel, kulturpolitische Sprecherin der Grünen, erinnerte aber auch daran, dass dabei die Produzenten der Inhalte, die Autoren und Künstler, nicht vergessen werden dürften. Sie müssten entsprechend entlohnt werden, wenn ihre Inhalte in der gesamten EU verfügbar seien.