Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Angestellte haben nach Raub noch immer ein mulmiges Gefühl
Am zweiten Prozesstag vor dem Landgericht Ravensburg kommen die Mitarbeiter des Juweliergeschäfts zu Wort
RAVENSBURG (wst) - Ein halbes Jahr hat es gedauert, bis die beiden Angestellten eines Juweliergeschäfts in der Ravensburger Bachstraße ihre Angstzustände nach einem Überfall wieder im Griff hatten. Das wurde am zweiten Prozesstag im Strafverfahren gegen einen 22-Jährigen aus Litauen deutlich, der im April 2015 an dem „Blitzraub“beteiligt gewesen sein soll (die SZ berichtete). Gestern machten die beiden Frauen ihre Aussagen.
Obwohl die Tat nur knapp mehr als 50 Sekunden dauerte, bezeichneten sie den Zeitraum als „endlos und ewig“. Beide hatten danach mit psychischen Problemen zu kämpfen. Erst ein halbes Jahr später bekamen sie nach psychologischer Betreuung ihre Angstzustände, Schlafstörungen und Alpträume wieder unter Kontrolle. Allerdings stellt sich noch bis heute ein mulmiges Gefühl ein, wenn Kunden mit Händen in ihren Manteltaschen oder mit Schirmmützen den Laden betreten. „Das Nervenkostüm ist schon sehr belastet“, sagte eine von ihnen. Die Goldschmiedemeisterin muss seit dem Überfall eine Brille tragen. Einer der Täter hatte ihr Tränengas direkt in die Augen gesprüht. 20 Minuten hatte sie gar nichts mehr gesehen, nur noch Geräusche gehört. Sie fürchtete zu erblinden. „Ich wusste ja nicht, ob das Augenlicht wieder kommt“, sagte sie. Erst nach einer Augendusche durch den Notarzt kam das Sehvermögen Stück für Stück wieder. Ein Augenarzt stellte eine Hornhautverätzung fest. Ihre diffizile Arbeit als Goldschmiedin gestaltet sich nach dem Überfall schwierig. Sie ist mühsamer und dauert länger als vorher. Beide Frauen konnten den Angeklagten nicht direkt mit dem Raub in Verbindung bringen. Eine meinte, er könne eventuell der Mann gewesen sein, der sich am Vortag im Laden umgesehen habe.
Der Mitinhaber des Juweliergeschäfts, der kurz nach dem Raub dazukam, berichtete, dass die beiden Frauen „wie ein Häufchen Elend“auf dem Boden kauerten. Der Überfall sei der erste seit 30 Jahren gewesen.
Danach sagte der Vater des Angeklagten aus. Zusammen mit seiner Frau war er extra aus Vilnius angereist. Er berichtete, dass sein Sohn eine ganz normale Kindheit und Jugend gehabt habe. Nach dem Schulabschluss habe dieser ihm gleich in seiner Autofirma ausgeholfen. „Autos waren schon immer sein Hobby.“Normalerweise hätten der Angeklagten von der Festnahme über Gespräche im Gefängnis bis hin zur Gerichtsverhandlung. Besonders die Simultanübersetzung erfordert Kompetenz. Wo normale Übersetzer nach einer halben Stunde eine Pause machen, müssen die Dolmetscher bei Gericht stundenlang höchste Konzentration aufrechterhalten. (süb) sie auch immer zusammen in Deutschland Autos an- und verkauft. Warum sein Sohn ausgerechnet zum Tatzeitpunkt nicht mit ihm, sondern mit Bekannten nach Deutschland gefahren ist, kann er sich nicht erklären.
Was er genau mit ihm im Nachhinein über die Tat gesprochen habe, wollte er nicht sagen. Im Übrigen glaubt er fest daran, dass es sich in diesem Fall „um einen Fehler der Justiz“handele.
Das Gericht verlas dann noch die Auswertung von DNA-Spuren. Nach dem Überfall hatte man weggeworfene Utensilien wie Axt und Vorschlaghammer sowie Handschuhe und Baseballmützen gefunden. Die Merkmale weisen auf vier Tatverdächtige hin, von denen einer bereits in Haft ist, aber nicht auf den Angeklagten. Dies könnte den Vorwurf stützen, dass er nur zum Ausspähen dabei war.
Die Hauptverhandlung wird am Montag, 13. November, um 9 Uhr fortgesetzt. Voraussichtlich wird an diesem Tag auch schon das Urteil gefällt.