Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Das Aus für Italiens Sozialdemokraten
Im kommenden März stehen in Italien Parlamentswahlen an. Angesichts der jüngsten politischen Entwicklungen zeichnen sich radikale politische Umwälzungen ab. Nach den Regionalwahlen in Sizilien am vergangenen Sonntag wird ein Kopfan-Kopf-Rennen zwischen dem Kandidaten der Mitte-rechts-Parteien Nello Musumeci (zirka 38 Prozent) und dem Repräsentanten der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung Giancarlo Cancelleri (knapp 36 Prozent) erwartet. Der Kandidat der Sozialdemokraten Fabrizio Micari erhielt weniger als 19 Prozent.
Noch vor wenigen Monaten deutete alles darauf hin, dass die Sozialdemokraten unter Ex-Regierungschef Matteo Renzi eine hohe Chance haben, erneut die Regierung zu führen. Der amtierende Premier Paolo Gentiloni macht Umfragen zufolge seine Arbeit gut. Doch die Dinge scheinen sich anders zu entwickeln. „Die Volkswut auf die alten Parteien, die als korrupt und undurchsichtig verschrien werden“, erklärt der Soziologe Giuseppe de Rita vom römischen Sozialforschungsinstitut Censis, „breitet sich anscheinend immer weiter aus.“Man wolle, so de Rita, „den traditionellen Parteien einen gewaltigen Stoß versetzen.“Auch in der kleinen Hafenstadt Ostia bei Rom werden sich bei der Stichwahl in zwei Wochen eine Kandidatin der Fünf-Sterne-Bewegung und des Mitte-rechts-Lagers von Silvio Berlusconi gegenüberstehen.
Die Sozialdemokraten hatten gehofft, dass die ständigen Verweise auf die politische Unfähigkeit der römischen Bürgermeisterin Virginia Raggi, die von einer Mehrheit der Römer als die schlechteste Bürgermeisterin seit Jahrzehnten beurteilt wird, ausreichen würden, um die Fünf-SterneBewegung in Sizilien als politisch unfähig zu diskreditieren. Eine grobe Fehleinschätzung.
Erstaunlich ist auch die hohe Stimmenzahl für das Mitte-rechts-Bündnis unter dem politischen Stehaufmännchen Berlusconi. Ihm scheint es immer noch zu gelingen, Wähler von sich zu überzeugen. Allerdings ist die geringe Wahlbeteiligung erschreckend. In Sizilien waren es weniger als 50 Prozent aller Wahlberechtigten und in Ostia nur knapp 30 Prozent.
Die Sozialdemokraten müssen jetzt befürchten, dass sie bei den kommenden Parlamentswahlen nur als drittstärkste Kraft abschneiden könnten. Nicht ausgeschlossen ist deshalb, dass Renzi mit Berlusconi ein Wahlbündnis eingehen könnte, um die Möglichkeit einer populistischen Regierung der Fünf-Sterne-Bewegung zu verhindern. Ein Horrorszenarium für linke Sozialdemokraten.
Nicht ausgeschlossen ist auch, dass Berlusconi mit der rechtsextremen Partei Lega Nord eine Koalition eingehen könnte. Ein Bündnis mit Renzi wird ihm aber sicher lieber sein. Vorausgesetzt dieser bleibt Parteisekretär. Nach den Wahlniederlagen vom letzten Sonntag geben nicht wenige Parteigranden ihm die Schuld an den Misserfolgen. Ohne Renzi könnten die Sozialdemokraten die von seinen Kritikern geforderte Linkswende vollziehen. Jene Kritiker, die Renzi vorwerfen, sich wie der neoliberale Tony Blair aufzuführen.
Die Zeichen stehen also schlecht für Italiens Sozialdemokraten. Wenn kein Wunder geschieht, wird es bei den kommenden Parlamentswahlen darum gehen, ob eine Mitte-rechtsKoalition unter Berlusconi oder eine populistische Partei das Regierungsruder übernehmen wird.