Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Angriff ist die beste Verteidigung für Katar
Als Anfang Juni die Vereinigten Arabischen Emirate, SaudiArabien, Bahrain und Ägypten Katar mit einem Wirtschaftsembargo zur politischen Kapitulation zwingen wollten, zeigten sich die Herrscher des reichsten Landes der Welt nur wenig beeindruckt. „Wir sind zum Dialog bereit, werden uns aber von unseren Nachbarn nicht erpressen lassen“, lautete die in Doha formulierte Verteidigungsdoktrin, welche nun zwei Monate später modifiziert worden ist.
Ein zunächst geplantes „Aussitzen der Krise“kommt für das potente Emirat angesichts der politischen Halsstarrigkeit seiner Nachbarn of- fenbar nicht mehr in Frage. Um dem Druck Riads und Abu Dhabis auch langfristig standhalten zu können, ist man in Doha stattdessen in die Offensive gegangen.
„Angriff ist die beste Verteidigung“, lautet jetzt das Motto der übernächsten WM-Gastgeber, die nicht nur mit der Verpflichtung des brasilianischen Superstars Neymar für sagenhafte 222 Millionen Euro ein deutliches Ausrufezeichen weltweit gesetzt haben. Auch das am Dienstag beendete Manöver der katarischen und türkischen Streitkräfte war ein klares Signal an das arabische Quartett: „Mit euren Zwangsmaßnahmen werdet Ihr uns nicht aufhalten. Wir werden auch weiterhin unseren Weg gehen“.
Wichtiger als der publicityträchtige Neymar-Transfer ist eine von den Medien kaum beachtete Änderung des katarischen Einwanderungsgesetzes. Damit das Emirat unter dem Druck des arabischen Embargos für ausländische Arbeitskräfte attraktiv bleibt, werden diese künftig die Möglichkeit haben, eine lebenslange Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Selbst der Kauf von Grundstücken soll gestattet werden.
Darüber hinaus sollen Gastarbeiter freien Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten, ihre Kinder staatliche Schulen und Universitäten kostenlos besuchen dürfen. Wer in den Genuss dieser – für die Golfregion – geradezu revolutionären Privilegien kommt, ist noch unklar. Ver- mutlich sind es die besser bezahlten Fachkräfte und nicht die einfachen, überwiegend asiatischen, Bauarbeiter, deren Lebensbedingungen sich seit dem Beginn des Embargos aber erheblich verbessert haben sollen.
Mit der überfälligen Änderung der bisher so rigiden Einwanderungsgesetze hebt sich Katar wohltuend von seinen arabischen Nachbarn ab und bringt diese faktisch unter Zugzwang. Mit der Neugestaltung seiner Gesetzte signalisiere Katar überdies dem Westen seine Reformbereitschaft sowie seine Entschlossenheit, ein moderner Staat zu werden, analysiert der für den Washingtoner „Center for International und Strategic Studies“tätige Nahostexperte Antony Cordesman.