Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Neuer Angriff auf Opération Sentinelle in Frankreich
36-jähriger Algerier verletzt mit seinem Auto bei Paris sechs Soldaten - Anti-Terror-Einsatz der Armee soll dauerhafte Lösung werden
PARIS - Es war kurz vor acht am Mittwoch, als sechs Soldaten ihre Unterkunft an der Place de Verdun im schicken Pariser Vorort Levallois-Perret verließen. Der Fahrer eines schwarzen BMW hatte vor dem Gebäude auf diesen Moment gewartet. Er raste auf die Militärs zu und verletzte sechs von ihnen, zwei davon schwer. Der Angriff geht offenbar auf das Konto eines Algeriers. Der 36-Jährige habe im Großraum Paris gelebt und sei nicht vorbestraft, hieß es am Mittwoch von Seiten der Ermittler.
„Das Auto fuhr langsam und hat dann plötzlich beschleunigt“, schilderte Innenminister Gérard Collomb die Ereignisse. „Das war eine geplante Handlung und kein Unfall.“Das Wort „Anschlag“nahm der frühere Bürgermeister von Lyon nicht in den Mund, doch seit der Pariser Anti-Ter- ror-Staatsanwaltschaft die Ermittlungen übernommen hat, war klar, dass es sich um ein Attentat handelt.
Sechs Stunden nach dem Angriff stoppten Polizisten auf der Autobahn 16 zwischen Paris und Boulogne-surMer einen Verdächtigen, der im Tatauto unterwegs war, und verletzten ihn mit fünf Schüssen schwer. Der Täter hatte sich wohl bewusst die Opération Sentinelle als Ziel gewählt, den Einsatz von Soldaten im Innern zum Schutz von Touristenattraktionen und Bahnhöfen. In Levallois-Perret waren die Soldaten in einem früheren Sozialwohnungsbau untergebracht.
Die Kleinstadt ist gut bewacht, denn dort ist sowohl der Sitz des Inlandsgeheimdienstes DGSI als auch der Anti-Terror-Einheit SDAT, die beide nur wenige hundert Meter vom Angriffsort entfernt sind. 70 Videokameras zeichnen alles auf, was in den Straßen der Kleinstadt passiert. Sie erfassten auch die Nummer des BMW, mit dem der Fahrer die Soldaten verletzte, die gerade ihren Dienst antreten wollten.
Es war der sechste Angriff auf Soldaten der Opération Sentinelle, die mit ihren Uniformen gut sichtbar in Dreiergruppen patrouillieren. „Diese Soldaten sind lebende Ziele des so genannten „Islamischen Staates‘“, warnte der Terrorexperte Sebastien Pietrasanta. Der spektakulärste Angriff ereignete sich im Februar im Louvre, als ein Mann mit einer Machete auf die Soldaten losging und „Allahu Akbar“rief, bevor er niedergeschossen wurde. Zuletzt hatte ein psychisch gestörter Mann versucht, Militärs am Eiffelturm mit einem Messer anzugreifen.
7000 Sentinelle-Soldaten sind in Frankreich im Einsatz. Ex-Präsident François Hollande hatte die Mission nach dem Anschlag auf „Charlie Heb- do“und den jüdischen Supermarkt im Januar 2015 ins Leben gerufen. Sein Nachfolger Emmanuel Macron kündigte für September Vorschläge an, wie die Mission, die 77 Prozent der Franzosen gutheißen, dauerhaft weitergeführt werden kann. Macron dankte den Sicherheitskräften für ihren Einsatz. Er sagte den Soldaten Unterstützung zu. Macron will am 1. November den seit mehr als zwei Jahren geltenden Ausnahmezustand aufheben und durch ein Anti-Terror-Gesetz ersetzen. Der Text, der die Maßnahmen des Ausnahmezustands in abgeschwächter Form festschreibt, wird von Menschenrechtsorganisationen wegen seiner „gefährlichen Logik des Verdachts“kritisiert.
Der Gesetzentwurf sieht Hausarrest von bis zu drei Monaten und Durchsuchungen bei allen vor, „die eine besonders schwere Bedrohung für die Sicherheit und die öffentliche Ordnung“sind. Mit ihren Maßnahmen versucht die Regierung, nicht nur die Franzosen zu beruhigen, sondern auch die Touristen, die nach den Anschlägen von Paris und Nizza mit mehr als 200 Toten nicht mehr so zahlreich kamen.