Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Fels in der Brandung
Großbritanniens unverwüstliche Queen sitzt seit 65 Jahren auf dem Thron
- Sie liebt ihn nicht, diesen 6. Februar. Mögen andere über ihr Pflichtbewusstsein und ihre Lebensleistung sprechen, Salutschüsse zu Ehren ihres Eisernen Thronjubiläums abfeuern – für Elizabeth II. ist dieser Montag in erster Linie ein Anlass der Trauer. Schliesslich starb am 6. Februar 1952 ihr geliebter Vater George VI. Das ist lang her, genau 65 Jahre, doch warum sollte nicht auch ein alter Mensch, eine Mutter, Großmutter und Urgroßmutter noch trauern um den Mann, der ihre Jugend dominiert und ihr Leben geprägt hat?
Die knapp 91-Jährige begeht den Tag also in „stiller Einkehr“, wie es eine Sprecherin vornehm ausdrückt. Er wird auf Schloss Sandringham in der Grafschaft Norfolk wie üblich um 7.30 Uhr mit English-BreakfastTee und einigen Haferplätzchen beginnen, erzählt die Monarchie-Kennerin Ingrid Seward. Daran schliesst sich das tägliche Gebet der tiefreligiösen Anglikanerin an. Offizielle Termine sind tabu – an diesem Tag ist Elizabeth zunächst Tochter und erst in zweiter Linie Monarchin.
Nur selten, zuletzt zum Diamantjubiläum im Olympiajahr 2012, hat Elizabeth davon eine Ausnahme gemacht. Seither hat sie ihre Arbeitsbelastung ohnehin deutlich reduziert, verzichtet auf anstrengende lange Auslandsreisen, überträgt die Schirmherrschaft über allerlei Wohltätigkeitsverbände jüngeren Royals wie Thronfolger Charles oder dessen Söhnen William und Harry. Über Weihnachten und Neujahr musste sie sogar auf den sonst selbstverständlichen Besuch in der örtlichen Kirche zum Gottesdienst verzichten, eine „schwere Erkältung“setzte der alten Dame zu.
Robuste Gene geerbt
Insgesamt kann sich Elizabeth über gesundheitliche Beeinträchtigungen aber kaum beklagen. Noch immer stimmt, was die Jubilarin schon vor Jahren ein wenig kokett zu Protokoll gab: Unter ihren Altersgenossinnen gelte sie ja als „recht gut erhalten”. Die Königin hat von der Mutter robuste Gene geerbt: Die legendäre Queen Mum war noch mit knapp 100 Stargast royaler Gartenfeste, ehe sie 2002 mit 101 starb.
Die gesundheitsschädigende Gewohnheit ihres kettenrauchenden Vaters hat Elizabeth nie angenommen. Zur Hochzeit 1947 – im November steht also eine Gnadenhochzeit an – nahm sie Prinz Philip das Versprechen ab, in Zukunft auf die Zigaretten zu verzichten. Vielleicht steht der mittlerweile 95-Jährige deutschgriechische Adelige auch deshalb bis heute in der Öffentlichkeit als unermüdlicher Begleiter seiner Frau. Philip, bekannt für seinen teils derben Humor, schwärmt von seiner Ehe: „Die Queen verfügt über Toleranz im Überfluss.“Angeblich nennt er sie zärtlich „cabbage“(Kohlkopf ) und „sausage“(Würstchen).
Womöglich profitierte Elizabeths Gesundheit auch davon, dass sie von klein auf ahnte und spätestens mit zehn Jahren wusste, welcher Job auf sie zukommen würde – anders als ihr Vater Albert („Bertie“). Der scheue Stotterer musste 1936 unverhofft ran: Sein älterer Bruder David hatte schon elf Monate nach der Thronbesteigung als Eduard VIII. die Aufgabe wieder hingeschmissen, um die zweifach geschiedene Amerikanerin Wallis Simpson zu heiraten, was damals als unvereinbar mit der Krone (und dem nominellen Vorsitz der anglikanischen Staatskirche) galt.
Elizabeths Mutter jedenfalls machte den flugs zum Herzog von Windsor degradierten Pflichtflüchtling verantwortlich für Georges VI. frühen Tod. Die Königin gibt sich diplomatischer und beschränkt sich auf die Formulierung: „Mein Vater ist viel zu früh gestorben.“
Versprechen gehalten
Das werden viele nachvollziehen können, nicht zuletzt all jene, die selbst früh ein Elternteil verloren haben. Keine Feier also, keine Sonderbriefmarken, Volksfeste, persönliche Huldigungen. Salutschüsse in London, gewiss auch das eine oder andere würdigende Wort im Parlament, schliesslich stellt die Dauermonarchin einen Stabilitätsanker dar im Land, den Fels in der Brandung. Viele Briten können sich nicht mehr an eine Zeit ohne die Queen erinnern. Sie ist die Konstante, die das Land, momentan zerrissen wegen des „Brexits“, zusammenhält. Für die Briten ist der 6. Februar daher auch ein Tag der Freude, der Bewunderung und Dankbarkeit für eine Frau, die das Versprechen gehalten hat, das sie an ihrem 21. Geburtstag in einer Radioansprache gegeben hatte: „Ich erkläre Euch allen, dass mein Leben, sei es nun kurz oder lang, ganz in Eurem Dienst stehen soll.“