Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„Die Zeichen stehen auf Sicherheit“
Datenschützer Stefan Brink über Bußgelder für US-Firmen und Videoüberwachung
- Er kontrolliert Konzerne und Behörden, wenn es um sensible Informationen geht: Stefan Brink ist seit Jahresbeginn Datenschutzbeauftragter des Landes. Im Gespräch mit Katja Korf erläutert der Jurist, warum ab 2018 selbst Weltkonzerne vor ihm und seinen Bußgeldern zittern werden.
Sie treten Ihr Amt in Zeiten an, in denen Datenschutz es schwer hat. Nach den Terroranschlägen gibt es viele Vorstöße etwa zu mehr Videoüberwachung, die Datenschützern Bauchweh bereiten müssen. Wie wollen Sie dennoch mit Ihren Themen durchdringen?
Das stimmt, die Zeichen stehen eher auf Sicherheit. Es ist auch offensichtlich, dass sich die Sicherheitslage verändert hat. Außerdem ist das Sicherheitsgefühl vieler Bürger beeinträchtigt – obwohl uns alle Zahlen sagen, dass wir in Deutschland sehr sicher leben, trotz der furchtbaren Anschläge. Viele Menschen sind daher heute bereit, etwas von der eigenen Freiheit abzugeben, wenn sie dafür mehr Sicherheit bekommen. Aufgabe der Datenschützer ist es, auf Fakten hinzuweisen und uns nicht nur von Gefühlen treiben zu lassen. Wer eigene Freiheit aufgibt, erhält nicht notwendigerweise mehr Sicherheit. Wer es da übertreibt, steht am Ende ohne Freiheit und ohne Sicherheit da.
Ab 2018 gilt die neue Europäische Datenschutz-Grundverordnung. Ihr Vorgänger hatte sich mit Blick darauf zehn neue Stellen gewünscht. Bekomme Sie die?
Ich bin zuversichtlich, denn ich habe positive Signale aus allen Fraktionen. Sie erkennen an, dass neue, anspruchsvollere Aufgaben auf die Datenschützer zukommen und dass sich das in der Ausstattung meiner Behörde niederschlagen wird. Da wäre eine solche Aufstockung ein erster Schritt.
Bislang können Datenschützer in Baden-Württemberg nicht einmal selbst Bußgelder verhängen, wenn sie Verstöße feststellen. Ändert sich das 2018?
Ja. Künftig können wir selbst ganz empfindliche Bußgelder verhängen. Sie orientieren sich an der Höhe des weltweiten Jahresumsatzes eines Unternehmens und können bis zu vier Prozent davon ausmachen. Das ist schon ziemlich krass, wenn Sie mich fragen. Wir sind ab 2018 auch nicht mehr nur für Unternehmen zuständig, die in Baden-Württemberg ihren Sitz haben. Sondern für alle, die hier Produkte auf den Markt bringen – also auch für Facebook und andere Global Player. Wir werden uns nicht gleich mit jedem internationalen Big Player anlegen, aber unsere Möglichkeiten sind ab 2018 ganz andere.
Wie realistisch ist es, Bußgelder gegen US-Unternehmen durchzusetzen?
Das wird nur in Kooperation mit der US-Regierung gehen. Das wird sehr aufwändig und ich bin gespannt, ob und wie das funktioniert – zumal mit der jetzigen Regierung, die sich ja den Schutz der Daten ausländischer Bürger nicht auf die Fahnen geschrieben hat. Denn eines ist klar: Die europäische Sicht auf den Daten- schutz ist einzigartig, im Rest der Welt spielt der Datenschutz eine wesentlich kleinere Rolle. Aber Unternehmen wie Facebook haben in Europa Millionen Kunden. Deswegen haben Datenschützer auch durchaus schon Erfolge gehabt. Wir haben zum Beispiel verhindert, dass Facebook seine Gesichtserkennung in Europa einsetzt. Lange hat der Konzern behauptet, er könne bestimmte Funktionen nicht für einzelne Weltregionen abschalten. Doch es ist technisch möglich und aus Angst vor den Reaktionen der Kunden hat Facebook schließlich eingelenkt.
Wie kompromissbereit sind Sie bei aktuellen Vorstößen aus Bund und Land: Fußfesseln für Gefährder, erweiterte Online-Durchsuchungen und mehr Möglichkeiten für Zugriff auf Telekommunikationsdaten?
Da sind im Augenblick wirklich sehr viele Vorschläge auf dem Markt. Die Landesregierung hat ein Sicherheitspaket verabredet. Sie hat uns zugesagt, uns frühzeitig in das entsprechende Gesetzgebungsverfahren mit einzubeziehen. Wir werden der Landesregierung sehr konstruktiv, aber auch sehr deutlich sagen, was wir aus datenschutzrechtlicher Sicht zu diesen Plänen beizutragen haben. Es gibt dabei aber auch durchaus Bereiche, die sind aus Datenschutzsicht zu begrüßen.
Welche?
Zum Beispiel die Einführung einer intelligenten Videoüberwachung. Diese soll ja so funktionieren: Kameras speichern Daten nur, wenn sich bestimmte auffällige Dinge tun – wenn etwa ein Gepäckstück länger unbeaufsichtigt herum steht. Damit wird die Flut der aufgezeichneten Daten sinnvoll reduziert, das nennen wir Datensparsamkeit. Bislang haben die Sicherheitsbehörden diese Datenmengen gar nicht bewältigen können. Ein intelligenter Umgang mit den Daten ist da ganz im Sinne des Datenschutzes.
Wo haben Sie Bauchweh?
Da würde ich zunächst einmal abwarten, was genau im Gesetzentwurf steht. Datenschützer dürfen nicht die Maschinenstürmer des 21. Jahrhunderts werden und jeden technischen Fortschritt ablehnen. Wir halten diesen nicht auf, wir wollen ihn begleiten, damit die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger nicht zu kurz kommt. Das können wir nur tun, wenn unsere Expertise rechtzeitig genutzt wird – und nicht, wenn wir erst gefragt werden, wenn ein Gesetz längst fertig ist.