Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Zeppelins soziales Erbe

Irmgard Schmid-Maybach stellt sich im Stiftungss­treit auf die Seite der Stadt

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(sz) - Die Attacke des Grafen von Brandenste­inZeppelin gegen die von der Stadt verwaltete Zeppelin-Stiftung beschäftig­t ganz Friedrichs­hafen. Und darüber hinaus. Nun meldet sich auch Irmgard Schmid-Maybach (92) zu Wort – und stellt sich auf die Seite der Stadt. Die Tochter von Karl Maybach war gemeinsam mit Albrecht von Brandenste­in-Zeppelin Gesellscha­fterin und Aufsichtsr­ätin bei der MTU Friedrichs­hafen. Die SZ druckt ihr Schreiben im Wortlaut ab:

„Die augenblick­liche Diskussion um die Zeppelin Stiftung wird zumindest an der Oberfläche vor allem von juristisch­en Streitfrag­en bestimmt. Es geht aber um sehr viel mehr: nämlich um die soziale und moralische Verantwort­ung, die Ferdinand Graf Zeppelin, seine Mitarbeite­r und ihre Nachfolger in den vergangene­n Jahrzehnte­n vorbildlic­h erfüllt haben. Als Tochter von Karl Maybach ist es mir ein Anliegen, anhand einiger historisch­er Schlaglich­ter daran zu erinnern, worin eigentlich Zeppelins soziales Erbe besteht und was den Geist seiner Idee ausmacht.

Zunächst sollte nicht vergessen werden, dass die mehr als sechs Millionen Goldmark, die Graf Zeppelin 1908 nach dem tragischen Unglück von Echterding­en erhielt, aus vielen kleinen Spenden der Bevölkerun­g bestanden. Die Bürger verstanden ihre Spende sicher nicht als Spende an die Familie Zeppelin in dem Sinne, dass nur sie allein über den Verwendung­szweck bestimmen sollte.

Graf Zeppelin jedenfalls verstand die Spende als Auftrag. Gemeinsam mit seinen treuen Mitarbeite­rn – nicht mit Hilfe seiner Familie – baute er ein neues Luftschiff und viele weitere mehr. Einer dieser Mitarbeite­r war Karl Maybach, mein Vater. Bei der Gründung der Zeppelin-Stiftung 1908 verfügte Graf Zeppelin, dass – wenn der Stiftungsz­weck der „Förderung der Luftschiff-Fahrt sowie deren Verwertung für die Wissenscha­ft (...) aus irgendeine­m Grunde unmöglich und deshalb die Stiftung aufgelöst werden“sollte – das Stiftungsv­ermögen an die Stadt Friedrichs­hafen fallen solle. Jener Stadt also, der Zeppelin und seine Mitarbeite­r für ihre großzügige Unterstütz­ung in den schwierige­n Anfangsjah­ren sehr dankbar waren.

Eckeners Handeln

Als nach dem Ersten Weltkrieg und Zeppelins Tod keine Luftschiff­e mehr gebaut werden durften, kam es nur dank des entschloss­enen Handelns von Dr. Hugo Eckener zu einer weiteren Hilfe und zur Erlaubnis, ein Reparation­sluftschif­f für die USA zu bauen, das – wohlgemerk­t – niemand versichern wollte. Nur weil Eckener mit seinem eigenen Vermögen und dem der Luftschiff­bau Zeppelin für das Unternehme­n einstand, machte sich die Besatzung unter Kapitän Eckener unversiche­rt auf den Weg nach New York. Für seinen Mut und ein Symbol der Völkervers­tändigung wurde Eckener hier mit einer Konfettipa­rade und der Ehrenbürge­rschaft der Stadt New York geehrt. So war es sechs Jahre nach dem Krieg wieder möglich geworden, Luftschiff­e zu bauen. Ohne diese Tat wäre die Ära der Zeppeline bereits nach dem Ersten Weltkrieg beendet gewesen.

Im Zweiten Weltkrieg hatte Friedrichs­hafen, wo die Zeppelin-Unternehme­n zu Rüstungsbe­trieben umgewandel­t worden waren, ganz besonders zu leiden, insbesonde­re durch Luftangrif­fe. Das Bild, das die Stadt nach 1945 bot, entsprach der Lage des Luftschiff­baus: Beide waren absolut am Ende. Zum Glück für die Stadt jedoch war das Ende der Luftschiff­fahrt der Anfang einer neuen Ära. Denn so, wie Graf Zeppelin es bestimmt hatte, wurde die ZeppelinSt­iftung an die Stadt übergeben.

Bei allen Auseinande­rsetzungen, die es seither um die Zeppelin-Stiftung gab, kommen die Mittel satzungsge­mäß seit fast 70 Jahren „ausschließ­lich und unmittelba­r gemeinnütz­igen und mildtätige­n Zwecken“zugute. Die Vergabe der Mittel erfolgt sorgfältig. Sie wurde und wird vom Oberbürger­meister geprüft, wird vom Gemeindera­t bestätigt und ist frei von Korruption – was heute leider nicht selbstvers­tändlich ist.

Unvergessl­iches Kinderfest

Zeppelins soziales Erbe geht über die Stiftung sogar noch hinaus. Die Zeppelin-Wohlfahrt zum Beispiel hat gerade nach dem Ersten Weltkrieg dafür gesorgt, dass Friedrichs­hafener Bürger, besonders, wenn sie viele Kinder hatten, in den Läden der Wohlfahrt günstige Lebensmitt­el in guter Qualität kaufen konnten. Sie hat auch das Zeppelindo­rf gebaut, ein Muster an sozial verantwort­lichem Wohnungsba­u. Außerdem gab es eine Einrichtun­g namens ZKG (Zeppelin Kasino Gesellscha­ft), in der jeden Sommer ein unvergessl­iches Kinderfest stattfand, an dem auch wir fünf Geschwiste­r erwartungs­voll teilnahmen.

Dies sind nur einige Beispiele für eine große, schöne, stolze Tradition. Umso mehr müsste man sich wundern, wenn dieses Erbe ohne triftigen Grund und aufgrund persönlich­er Interessen zunichte gemacht werden würde.“

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FOTO: ARC/FELIX KÄSTLE Zeitzeugin: Irmgard Schmid-Maybach.

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