Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Hände weg von der Geldbörse
„Kauf-Nix“-Tag als Gegenveranstaltung zum vorweihnachtlichen Einkaufsstress
- Kaufen● Sie heute nichts. Heute ist der „Buy Nothing“-Day – der „Kauf-Nix“-Tag. Das ist der weltweite Tag des Konsumverzichts. Also lassen Sie die Schuhe im Laden liegen, selbst wenn diese nur die Hälfte kosten sollen. Den Winterpullover auch. Und das Brötchen beim Bäcker ebenso.
Die Idee kommt – wie so viele – aus den USA. 1992 hat die Medienund Werbeagentur Adbusters einen solchen Tag ins Leben, am letzten Freitag im November. Das ist der Tag nach Thanksgiving, der in Nordamerika als Power-Shopping-Tag gilt. Er wird auch „Black-Friday“genannt. In Europa ist der „Kauf-Nix“-Tag immer einen Tag später. In Städten wie Leipzig werden konsumkritische Gruppen dazu an diesem Samstag Aktionen machen.
Nur: Wozu das Ganze – zumal ein Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels, HDE, erklärte, er habe noch „nie von diesem Tag gehört“. Heißt: Der Aufruf zum 24-stündigen Konsumboykott macht sich in den Geschäftszahlen nicht bemerkbar. Ganz im Gegenteil erwarten die Einzelhändler für das diesjährige Weihnachtsgeschäft im November und Dezember insgesamt einen Umsatz von 86,7 Milliarden Euro und damit ein Plus von zwei Prozent im Vergleich zum vergangenen Jahr. Die Innenstädte werden so voll sein wie sonst selten.
Ein Tag zum Innehalten
Aber den Erfindern des „Kauf-Nix“Tages gehe es nicht zuvorderst um blanke Zahlen, eher um ein Innehalten. „Was brauche ich wirklich?“, sagt Frauke Distelrath von Attac. Das globalisierungskritische Netzwerk hat den Tag einst mit anderen nach Deutschland geholt. Ein Teil der Menschheit lebe über seine Verhältnisse, er verbrauche zu viele Ressourcen, produziere zu viel Müll und zu viele Treibhausgase.
In den deutschen Kleiderschränken hängen alles in allem etwa 5,2 Milliarden Teile. 40 Prozent davon werden sehr selten oder auch nie getragen. Eine Bohrmaschine bohrt in ihrem Leben im Schnitt nur 13 Minuten. Den Rest der Zeit liegt sie im Regal. Und ein Privat-Auto steht durchschnittlich 23 Stunden am Tag still.
Es gibt viele dieser Zahlen, die in verschiedenen Umfragen etwa von Greenpeace oder dem alternativen Automobilclub VCD erhoben werden und zumindest eine Alterative zum Kaufen nahelegen: Man könnte seine Dinge mal dem Nachbarn oder jemandem anderen leihen.
Neun von zehn Verbrauchern könnten sich das heute schon vorstellen, so das Ergebnis einer TNS Emnid Umfrage im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, vzbv. Sie würden leihen statt kaufen, um Geld zu sparen oder die Umwelt zu schonen, sagt vzbv-Sprecherin Anke Wolf. Und über das Internet sei dies einfacher denn je. Wolf: „Nicht besitzen, sondern nutzen – das bietet Verbrauchern neue Möglichkeiten.“Es ist ein Trend – und wohl längst mehr als das. Es geht nicht nur um ein paar private Initiativen und gemeinnützigen Vereine. Die Ökonomie des Tauschens und Teilens ist selbst zum Geschäftsfeld geworden. So sind die weltweiten jährlichen Investitionen in Start-ups dieser „Sharing Economy“, wie Wirtschaftsexperten sie nennen, von 300 Millionen US-Dollar im Jahr 2010 auf sechs Milliarden US-Dollar im Jahr 2014 angestiegen.
Eines der bekanntesten Unternehmen: Das Onlineportal Airbnb. Dort suchen Millionen Menschen mittlerweile private Unterkünfte. Autohersteller machen mit beim Carsharing. Dieses Jahr ist zum Beispiel Opel eingestiegen, allerdings ins private: Mit der App Car-Unity des Autoherstellers können Nutzer ab sofort ihr eigenes Auto anderen Menschen zur Verfügung stellen, die Marke spielt keine Rolle. Die Idee an diesem Samstag: Man kauft nix. Und hat doch was.