Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Mehr Wettbewerb bei Ökostrom
Ab 2017 Ausschreibungen für Öko-Kraftwerke – Kleine Solaranlagen nicht betroffen
(AFP) - Große Ökostromanlagen sollen ab dem Jahr 2017 nicht mehr mit einer festen Einspeisevergütung gefördert werden, sondern über Ausschreibungen nach den Regeln des Wettbewerbs. Ziel ist es, die Kosten des Erneuerbare-EnergienGesetzes (EEG) möglichst gering zu halten, heißt es in einem Eckpunktepapier des Wirtschaftsministeriums. Kleine Solar- und Windenergieanlagen sollen demnach aber wie bisher gefördert werden. Die Grenze liegt bei einem Megawatt. Zuständig für die Ausschreibungen wird die Bundesnetzagentur sein.
- Schon ab Mai 2017 will Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die finanzielle Förderung für die erneuerbaren Energien in Deutschland stark verändern. 80 Prozent der neuen ÖkostromKraftwerke sollen dann mittels Ausschreibungen an die jeweils günstigsten Anbieter vergeben werden. Bisher erhalten alle Betreiber grundsätzlich dieselbe Einspeisevergütung. Diese Regelung hat bisher den Erfolg der Energiewende ermöglicht. Kleine Firmen und Genossenschaften befürchten nun, dass sie künftig kaum noch Chancen haben.
Aktionen sollen Zubau begrenzen
Die neuen Regeln sollen für Windkraftwerke an Land und auf See, Photovoltaikund manche Biogasanlagen gelten. Das geht aus dem aktuellen Eckpunktepapier des Wirtschaftsministeriums hervor, das der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt. Die große Koalition verfolgt damit das Ziel, den weiteren Ausbau der regenerativen Energien kalkulierbarer und billiger zu machen. In früheren Jahren waren oft viel mehr Kraftwerke errichtet worden, als die Regierung plante. Die steigenden Kosten für den Ökostrom hatten zu Kritik geführt.
Künftig schreibt die Bundesnetzagentur drei- bis viermal pro Jahr eine bestimmte zu installierende Stromleistung aus. Darauf können sich die Anbieter bewerben, und die Anlagen an den von ihnen geplanten Standorten errichten, wenn sie einen Zuschlag erhalten. „Die niedrigsten Gebote erhalten den Zuschlag, bis die ausgeschriebene installierte Leistung erreicht ist“, schreibt das Ministerium.
Der Höchstpreis für Windenergie an Land soll beispielsweise 8,9 Cent pro Kilowattstunde betragen. Projekte, die Strom teurer produzieren, würden dann nicht berücksichtigt. Laut dem Eckpunktepapier sollen pro Jahr Windkraftwerke mit einer Leistung von 2900 Megawatt (MW) hinzukommen. Bei Wind auf See beträgt die Zubaumenge 800 MW, bei großen Solaranlagen 500 MW. Für letztere kommen in erster Linie Flächen wie Seitenstreifen an Autobahnen, auf Mülldeponien oder ehemalige Truppenübungsplätzen infrage. Die Verwendung wertvoller Ackerflächen ist stark begrenzt.
Ausschreibungen für BiomasseKraftwerke hält das Wirtschaftsministerium wegen der begrenzten Potenziale dieser Technologie nicht für sinnvoll. Zum Zuge kommen könnten allenfalls Ausschreibungen für alte Biomasse-Anlagen, die aus der bisherigen Förderung herausfallen und ohne die Unterstützung stillgelegt würden. In diesen Fällen soll es Folge-Ausschreibungen geben. Genauere Regelungen will das Ministerium nachliefern.
Kleine Kraftwerke bis zur Leistung von einem Megawatt sollen laut Wirtschaftsministerium von der Ausschreibungsregel ausgenommen sein. Diese erhalten auch weiterhin politisch festgelegte Fördersätze. Das gilt beispielsweise für kleine und mittlere Solaranlagen. Besitzer von Wohnhäusern, Betrieben und Dorfgemeinden, die das Dach ihrer Schule mit Solarzellen ausstatten wollen, werden mit dem Ausschreibungsverfahren deshalb wohl nichts zu tun bekommen.
Energiegenossen laufen Sturm
Anders sieht es beispielsweise bei kleinen Windparks aus, die nur aus wenigen Windanlagen bestehen, aber trotzdem über der 1-MW-Grenze liegen. Hier schreibt das Wirtschaftsministerium, dass eine europarechtliche Regelung, die Windparks bis zu sechs Anlagen von der Ausschreibungsprozedur ausnimmt, nicht angewendet werden soll. Begründung: Dies würde den „Anlagenmarkt segmentieren und den Wettbewerb verringern“. Eine nähere Begründung im Eckpunktepapier fehlt. Besonders an diesem Punkt entzündet sich nun die Kritik. Beispielsweise Bürgerprojekte und Energiegenossenschaften würden quasi ausgeschlossen, bemängelt Rene Mono von der Stiftung 100 Prozent Erneuerbar. Weil sie in der Regel nur wenige Kraftwerke bauen, seien ihre Kosten höher als bei Großprojekten. Mono setzt sich dafür ein, dass das Wirtschaftsministerium die EU-Ausnahmeregel für Windparks mit höchstens sechs Anlagen übernimmt. Für diese sollten weiterhin feste Fördersätze gelten.
Oliver Krischer, der Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, kritisierte: „Die von Gabriel angekündigten Ausschreibungen entkernen das EEG endgültig.“Die Ausschreibungen würden die dezentrale Bürgerenergie aus dem Markt drängen. Das Eckpunktepapier wird nun mit den anderen Ministerien abgestimmt. Danach müssen es die Fraktionen im Bundestag debattieren.