Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Auf dem Sprungbrett
Exzentriker Stefan Effenberg darf sich in der Provinz beim Zweitligisten SC Paderborn als Trainer bewähren
(dpa/SID/jos) - Zuletzt schien es, als drohe Stefan Effenberg das Schicksal des ewigen TVExperten. Zu allem Überfluss war der 47-Jährige zuletzt auch noch in die Schlagzeilen geraten, weil er während des Oktoberfests in München alkoholisiert am Steuer erwischt worden war. Nun jedoch ist der frühere Ausnahmekönner mit dem Rüpel-Image zurück im Fußballgeschäft: Effenberg, der seit drei Jahren die A-Lizenz besitzt, wird Trainer beim kriselnden Zweitligisten SC Paderborn 07.
Dem Bundesliga-Absteiger, abgerutscht auf Tabellenrang 15, ist mit der Verpflichtung des früheren Weltstars, auch wenn dieser über keine Erfahrung als Coach verfügt, ein Coup gelungen. Entsprechend euphorisch klang Klubchef Wilfried Finke. „Die Chemie passt! Stefan Effenberg ist ein erstklassiger Fußballexperte und heiß auf seine Aufgabe beim SCP“, sagte der starke Mann des Vereins. „Er wird unserer Mannschaft neues Selbstbewusstsein einhauchen und auch die Fans begeistern.“Finke hatte am Dienstag auf Mallorca erfolgreich mit dem Star verhandelt. Heute wird sich Effenberg, der bis zum 30. Juni 2017 unterzeichnet hat, vor Ort in der Benteler-Arena vorstellen. Direkt im Anschluss wird er als Nachfolger des vor einer Woche geschassten Markus Gellhaus das Training leiten.
Paderborn also. Doch passen die Kleinstadt in Ostwestfalen und der extrovertierte Ex-Kicker mit dem Hang zu Skandälchen zusammen? Schließlich ist der gebürtige Hamburger nicht nur ein Trainernovize, sondern auch eine polarisierende Persönlichkeit. In den 1990er- und den frühen 2000er-Jahren war er ein Star in der Bundesliga, der als genialer, führungsstarker Spielmacher unter anderem beim FC Bayern München und Borussia Mönchengladbach respektiert, aber wegen seiner Eskapaden, Provokationen und Skandale auch umstritten war.
Effenberg: „Ich bin nicht der Typ, der geliebt werden will“
So kam es 1994 bei der WM in den USA zum Eklat, als er die eigenen Fans nach dem Spiel gegen Südkorea mit gerecktem Mittelfinger provozierte und nach Hause geschickt wurde. „Ich bin nicht der Typ, der geliebt werden will“, sagt Effenberg, der nach seinem letzten Engagement bei Al Arabi in Katar seine Spielerlaufbahn 2004 beendete, über sich.
Was andere vielleicht gebremst hätte, war für SCP-Boss Finke ein weiterer Grund für die Verpflichtung. „Die Geschichte der vergangenen Monate zeigt, dass wir einen anderen Typus brauchen als Trainer, dass wir eine andere Ansprache brauchen“, sagte er der „Sport-Bild“. Es sei „sinnvoller, einen Coach mit Führungskompetenz und einer Karriere als hochklassiger Spieler“zu holen. Finke weiter: „Und was mir gefällt: Er kann schlecht verlieren!“
Unabhängig davon: Der SCP bot in jüngerer Vergangenheit einer Reihe von heute renommierten Trainern ein Sprungbrett in die Bundesliga. Dies gilt für Schalkes Coach André Breitenreiter, Leverkusens Roger Schmidt oder auch Mönchengladbachs erfolgreichen Interimstrainer André Schubert.
Dies ist der Grund, weshalb sich Effenberg, zuletzt durchaus überzeugend als Experte bei Sky tätig, in die ostwestfälische Provinz begibt. „Seit einiger Zeit denke ich ernsthaft darüber nach, als Cheftrainer zu arbeiten. Für den Einstieg in dieses Metier ist Paderborn eine Topadresse, was auch die eindrucksvollen Karrieren meiner Vorgänger zeigen“, sagte er. „Der SCP verfügt über viel Qualität im Kader, daraus müssen wir jetzt möglichst schnell ein erfolgreiches Team formen.“Schon am Freitag (18.30 Uhr/Sky) gibt Effenberg sein Trainerdebüt in Liga zwei – gegen Eintracht Braunschweig.
Als Co-Trainer wird er übrigens Sören Osterland, der aktuell die U19Auswahl Ungarns betreut, mitbringen. Der heute 29-Jährige hatte 2012 als jüngster Teilnehmer überhaupt die Ausbildung zum Fußballlehrer in Deutschland abgeschlossen – damals als Zweitbester des Jahrgangs. Hinter Stuttgarts Alexander Zorniger.