Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Narren sehen Kulturerbe der Fastnacht durch Bürokratie und Kommerz bedroht
(ume) - Im Streben um den Status als immaterielles Weltkulturerbe fordert die Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) Unterstützung von Politik und Gesellschaft. „Ein Brauch muss in der Bevölkerung gewollt sein“, sagte der VSAN-Vorsitzende Roland Wehrle im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Vertreter der 68 in der VSAN zusammengeschlossenen Zünfte aus Süddeutschland und der Schweiz treffen sich am Wochenende in Kißlegg (Landkreis Ravensburg), um über praktische Folgen der Aufnahme in die deutsche Liste des immateriellen Kulturerbes zu beraten.
Die deutsche Unesco-Kommission hatte die Schwäbisch-Alemannische Fastnacht im Dezember 2014 als nationales Kulturerbe anerkannt – eine Voraussetzung, um später von der Unesco als immaterielles Weltkulturerbe anerkannt werden zu können. Daraus ergäben sich Verpflichtungen sowohl für die Narren selbst als auch für die Politik, sagte Wehrle. Der VSAN-Vorsitzende beklagte zunehmende „Behinderungen im Ehrenamt“, die das Kulturerbe bedrohten: Die Auflagen der Verwaltung für die Narren etwa in Sachen Sicherheit, Brandschutz, Hygiene und Straßenverkehr würden immer strenger, sagte Wehrle. „Aber die Politik muss die Pflege des Brauchtums auch möglich machen.“Gehe es mit den Vorschriften so weiter, fürchte er, dass sich bald niemand mehr finden lasse, der in den Zünften Verantwortung übernehme.
Mit Blick auf die Narren selbst sprach sich Wehrle gegen eine zunehmende „Eventisierung und Kommerzialisierung“aus. Zwar spreche nichts gegen eine kreative Weiterentwicklung der Fastnacht. Aber: „Es kann nicht sein, dass Veranstaltungen nur dazu dienen, Zuschauer zu holen und Umsatz zu machen.“
Sorge bereitet Wehrle zudem das Schließen vieler Gasthäuser: „Das waren die Heimstätten der Fastnacht. Heute haben wir in jeder zweiten Gemeinde ein Problem, geeignete Gaststätten zu finden.“Vielleicht müsse man wieder mehr dazu übergehen, dass die Hästräger Bürger zu Hause besuchen, um dort Bräuche wie das Strählen (jemandem humorvoll die Wahrheit sagen), Hecheln (Rügen aussprechen) oder Aufsagen (von Ereignissen und Missgeschicken des vergangenen Jahres berichten) zu pflegen.