Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wieder abgeblitzt
Degenkolb enttäuscht über Rang vier – Van Avermaet gewinnt den Spurt vor Sagan
(dpa/SID) - Mit aufgerissenem Trikot kämpfte John Degenkolb verbissen um den Anschluss, doch alle Mühe war in der Hitze umsonst. Für den diesjährigen Klassikerkönig scheint die Geschichte von der Jagd nach einem Etappensieg bei der Tour de France nicht gut auszugehen. Auch auf der 13. Etappe blieb Degenkolb mit dem vierten Platz das Happy End verwehrt, der Belgier Greg van Avermaet stahl ihm die Show. Der BMC-Profi siegte am Freitag nach 198,5 Kilometern von Muret nach Rodez vor dem Slowaken Peter Sagan und seinem belgischen Landsmann Jan Bakelants. Direkt hinter Degenkolb wurde der Rostocker Paul Martens Fünfter.
Der überlegene Spitzenreiter Christopher Froome schaltete sich sogar in den Schlusssprint mit ein und wurde Sechster. Von einer Verschnaufpause für den Mann in Gelb konnte bei Temperaturen von über 35 Grad ohnehin keine Rede sein. Der Brite liegt weiter deutlich vor dem US-Amerikaner Tejay van Garderen (2:52 Minuten zurück) und Nairo Quintana aus Kolumbien (3:09). Auch die anderen Spitzenfahrer kamen ohne Zeitverlust ins Ziel. Der deutsche Meister Emanuel Buchmann aus Ravensburg hielt sich auf dem weniger geliebten welligen Terrain wieder beachtlich, verlor nur 2:41 Minuten und ist jetzt 56. der Gesamtwertung.
Die Etappe war komplett auf Fahrer wie Degenkolb zugeschnitten, doch es klappte wieder nicht. Vier zweite und drei vierte Plätze sowie zwei schwere Stürze sind die Marksteine für den 26-Jährigen seit seinem Tour-Debüt 2013. In Rodez fehlten am Ende sieben Sekunden. Mit hängendem Kopf streifte er sich am Teambus erst mal eine Eisweste über. „Dieser Schlussanstieg war höllisch, mir wurde am Ende schwarz vor Augen. Ich bin einfach nur fertig und traurig.“
150 Meter vor dem Ende der 9,6 Prozent steilen und 600 Meter langen Zielrampe war der Thüringer mit seinen Kräften am Ende und streckte die Waffen, rettete sich noch knapp vor dem ganz starken Rostocker Paul Martens (LottoNL/5.) ins Ziel. „Das letzte Stück kam mir endlos vor, ich war nur noch in Trance, im Tunnel“, sagte Degenkolb im Fahrerlager, während als seelische Höchststrafe direkt neben ihm eine Blaskapelle „The winner takes it all“anstimmte. Nach neun Tageserfolgen bei der Vuelta und einem beim Giro wartet der Geraer weiter auf einen Triumph beim wichtigsten Radrennen der Welt.
Sagan verteidigte seine Führung in der Punktewertung vor André Greipel. Der gebürtige Rostocker, der sich im Zwischensprint noch vor den restlichen Sprintern durchgesetzt hatte und damit zumindest virtuell in Grün gefahren war, konnte im Finale erwartungsgemäß nicht mehr mitmischen.
Für Froome und sein Sky-Team war es ein eher stressfreier Tag. Bei drückender Hitze konnte die britische Equipe die Verfolgung einer sechsköpfigen Ausreißergruppe, de- ren drei zähste Fahrer erst ein paar Hundert Meter vor dem Ziel eingeholt wurden, Giant-Alpecin und weiteren Sprinterteams überlassen. Froome hat derzeit mehr Mühe, die anhaltenden Verdächtigungen zu parieren. Der Brite reagierte mit großer Verärgerung auf Kommentare der früheren Radprofis Laurent Jalabert und Cedric Vasseur, die als TV-Experten tätig sind. Diese seien ein starkes Stück, meinte Froome: „Ich bin richtig enttäuscht, weil viele Leute und Fans noch zu ihnen aufschauen und sie dann einen heutigen Fahrer, einen sauberen Fahrer und ein sauberes Team in Zweifel stellen.“
Jalabert hatte Froomes Leistung bei dessen überlegenem Sieg auf der ersten Pyrenäen-Etappe als „unangenehm anzusehen“bewertet. Die Äußerungen des ehemaligen Weltmeisters entbehren nicht einer gewissen Pikanterie. Erst vor zwei Jahren war bei Nachkontrollen der FrankreichRundfahrt 1998 herausgekommen, dass der Franzose mit dem Blutdopingmittel EPO nachgeholfen hatte.