Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Über das Verhältnis zwischen Bauern und Handel

Beim Landwirtsc­haftsforum der VR-Bank Alb-Blau-Donau stand die „Landwirtsc­haft im Wandel“im Mittelpunk­t

- Von Verena Pauer

- Mit einem großen blauen Gymnastikb­all unter dem Arm steht Michael Lohner auf der Bühne der Hochsträßh­alle in Schwörzkir­ch. In der anderen Hand hält er den Kopf einer Stecknadel. „Das ist das Kräfteverh­ältnis zwischen Erzeuger und Einkäufer einer großen Supermarkt­kette“, sagt er. Der Erzeuger, der Landwirt, das ist in seiner Darstellun­g der kleine Stecknadel­kopf. Das sei ein Kräfteverh­ältnis, das so nicht mehr tragbar sei. Das kommt an diesem Vormittag immer wieder zur Sprache – beim Landwirtsc­haftsforum der VR-Bank Alb-Blau-Donau. Das Thema der Podiumsdis­kussion mit anschließe­nder Fragerunde war dementspre­chend auch „Landwirtsc­haft im Wandel“.

Auf das Podium geladen hatte die VR-Bank neben ihrem Vorstand Daniel Staiger den Vorsitzend­en des Bauernverb­andes Ehingen-Ulm Ernst Buck, den Vorstandvo­rsitzenden der Vieherzeug­er-Gemeinscha­ft Reinhard Funk, den CDU-Landtagsab­geordneten Manuel Hagel und den Spitzenkoc­h Simon Tress, der mehrere Bio-Restaurant­s auf der Schwäbisch­en Alb betreibt. Munderking­ens ehemaliger Bürgermeis­ter und promoviert­er Agrarökono­m Michael Lohner trat als Gastredner auf. Die Veranstalt­ung moderierte Tobias Götz, Redaktions­leiter der „Schwäbisch­en Zeitung“Ehingen.

Die Landwirtsc­haft sei eines der Top-Themen aktuell in Deutschlan­d, sagte er und blickte zu Beginn auf die Ereignisse rund um die Bauernprot­este – auch in Biberach. Als man sich zu dem Forum entschloss­en habe, sei das noch kein Thema gewesen, hatte Bank-Vorstand Martin Traub in seiner Begrüßungs­rede gesagt. Dann seien die Proteste gestartet und nun sei das Thema aktueller denn je. Die Verantwort­lichen in

der Politik würden zu wenig reagieren, trotz der Proteste, sagte Ernst Buck: „Die Ampel macht Dinge, aber zu unf lexibel und zu langsam.“Man habe Kleinigkei­ten erreicht, im Vergleich zu Frankreich und der Regierung dort seien es aber wirklich nur Kleinigkei­ten. Es gebe einen Dissens zwischen Landwirtsc­haft und Umweltbewe­gung sowie zwischen Stadt und Land, sagte Reinhard Funk. Das sei bei den Protesten deutlich geworden. „Wir haben keine Kommunikat­ionskultur mehr in die Städte rein.“Positiv stimme ihn jedoch, dass sich auch viele junge Leute bei den Protesten engagiert hätten.

„Ich bin nicht die Politik, ich bin ja CDU“, kommentier­te Manuel Hagel die Frage, was die Politik aus den Protesten ziehe. Proteste

seien in einer Demokratie völlig normal. Die Frage sei jedoch, wie die Politik damit umgehe. Er kritisiert­e die Bundesregi­erung, die sich zwar mit den Protestier­enden zusammense­tze, aber nichts verändere. „Wir haben viele Meinungen und wenig Wissen“, sagte der Politiker. „Jeder glaubt, was zur Landwirtsc­haft sagen zu können.“Die Bauern hätten immer friedlich demonstrie­rt, und dann nach Biberach „ist plötzlich die Demokratie in Gefahr“. Das sei übertriebe­n. Hagel sagte auch: „In der letzten großen Koalition war die Agrarpolit­ik nicht nur gut.“

Im Vergleich zur Landwirtsc­haft sei die Gastronomi­e in einer Luxussitua­tion, sagte Simon Tress. Wenn etwas in der Gastronomi­e nicht funktionie­re, könne man sein Konzept ändern. Und auch die Preise könnten Restaurant­betreiber selbst bestimmen. In Beratungsg­esprächen mit der Bank komme die Unsicherhe­it der Landwirte immer wieder durch, sagte Daniel Staiger. Die Wirtschaft­lichkeit stehe immer sehr im Fokus bei den Gesprächen. Es sei zum Teil Frust zu spüren.

„Wir schreiben keine Rechnungen“, erklärte Buck. „Wir sind immer damit zufrieden gewesen, dass der Handel uns das Geld auszahlt.“Das sei jedoch mit der Globalisie­rung zum Problem geworden. Denn nun bestimmt der Weltmarkt die Preise für Produkte wie Fleisch oder Weizen. „Wenn in China ein Sack

Reis umfällt, sinkt bei mir der Preis“, sagte Buck.

Ein Landwirt in Baden-Württember­g könne nicht zu den Konditione­n im Ausland produziere­n, sagte Hagel auf dem Podium. Dazu seien die Betriebe meist anders strukturie­rt, kleiner und hätten Felder, die weiter auseinande­r liegen. Ein weiteres Problem sei die große Macht des Lebensmitt­eleinzelha­ndels – namentlich der Ketten Aldi, Lidl, Rewe und Edeka. Die baden-württember­gische Landesregi­erung plane deshalb ein Label, das für regionale Produkte aus dem Land gedacht sei. Die Waren würden dann zwar zwölf Prozent teurer, doch diese zwölf Prozent müssten die Lebensmitt­elhändler unmittelba­r an die Landwirte weitergebe­n. Zur Not müsse man sie zur Einführung des Labels zwingen.

Simon Tress plädierte jedoch dafür, nicht noch ein weiteres Label einzuführe­n, damit der Verbrauche­r sich nicht im „Labeldschu­ngel“verliere – auch wenn Hagel betonte, dass dieses neue Label alle anderen abschaffen würde. Der Bio-Koch ist hingegen der Meinung, dass man auf die Label der großen Gemeinscha­ften vertrauen solle. Er prangerte hingegen an: „Wer braucht 25 verschiede­ne Milchsorte­n?“Dort sei eine Verschlank­ung notwendig. Außerdem müsse man die immer größer werdende Masse an Vegetarier­innen und Veganern einrechnen. „Mit denen müssen wir leben“, sagte Tress. Ein Problem sei jedoch auch, dass viele Landwirte im Marketing nicht so versiert seien und in dem Bereich noch Potenzial nach oben sei.

Man müsse bereits in der Grundschul­e anfangen, die Kinder zu einer gesunden und hochwertig­en Ernährung zu erziehen, sagte Hagel. So sei die gesellscha­ftliche Wertschätz­ung für die Produkte aus der regionalen Landwirtsc­haft zu erreichen. Denn das Essen habe in der Gesellscha­ft keinen großen Wert mehr. Hagel sprach außerdem von einer „vorverurte­ilenden Perspektiv­e auf die landwirtsc­haftlichen Familien“. Man versuche, den Landwirten zu viel vorzuschre­iben. „Die Bauern haben doch großes Interesse, dass das, was sie machen, gut ist“, sagte der Politiker. Hagel, der von sich selbst sagte „Ich hatte in meinem Leben noch keine Angst vor Bauern“, nahm sich auch die Zeit, den Bauernverb­and in einem Punkt zu kritisiere­n: dem Kampf ums Wachstumsc­hancengese­tz. Dieses könne nur finanziert werden, wenn dafür die Agrardiese­lsubventio­n gestrichen werden. Wenn der Bauernverb­and dies zu Gunsten des neuen Gesetzes akzeptiere, sei das nicht klug.

Dass aktuell Subvention­en wichtig seien, um die Wirtschaft­lichkeit der Landwirtsc­haft zu gewährleis­ten, war mehrmals zu hören. Denn nur so könne der globalisie­rte Markt für die Bauern ausgeglich­en werden. Die Landwirte selbst hätten darauf keinen Einfluss, wie auch Reinhard Funk sagte: „Es wird sich nichts verändern, wenn wir weniger produziere­n.“Die Landwirte hätten gegenüber dem Markt so gut wie keinen Spielraum.

„Die Bauern haben doch großes Interesse, dass das, was sie machen, gut ist.“Manuel Hagel, Fraktions- und Landesvors­itzender der CDU in Baden-Württember­g

 ?? FOTOS: PRANDL ?? Das Podium beim Landwirtsc­haftsforum (v.l.): Moderator Tobias Götz von der „Schwäbisch­en Zeitung“, Munderking­ens Alt-Bürgermeis­ter und Landwirtsc­hafts-Experte Michael Lohner, Bio-Spitzenkoc­h Simon Tress, der Fraktions- und Landesvors­itzende der CDU in Baden-Württember­g, Manuel Hagel, Daniel Staiger, Vorstand der VR Bank Alb-Blau-Donau, Reinhard Funk, Vorsitzend­er der Vieherzeug­er-Genossensc­haft Baden-Württember­g und Ernst Buck, Vorsitzend­er des Kreisbauer­nverbandes.
FOTOS: PRANDL Das Podium beim Landwirtsc­haftsforum (v.l.): Moderator Tobias Götz von der „Schwäbisch­en Zeitung“, Munderking­ens Alt-Bürgermeis­ter und Landwirtsc­hafts-Experte Michael Lohner, Bio-Spitzenkoc­h Simon Tress, der Fraktions- und Landesvors­itzende der CDU in Baden-Württember­g, Manuel Hagel, Daniel Staiger, Vorstand der VR Bank Alb-Blau-Donau, Reinhard Funk, Vorsitzend­er der Vieherzeug­er-Genossensc­haft Baden-Württember­g und Ernst Buck, Vorsitzend­er des Kreisbauer­nverbandes.
 ?? ?? Brachte seine Perspektiv­e in die Diskussion: Bio-Spitzenkoc­h Simon Tress.
Brachte seine Perspektiv­e in die Diskussion: Bio-Spitzenkoc­h Simon Tress.
 ?? ?? Bauern-Chef Ernst Buck sprach deutliche Worte.
Bauern-Chef Ernst Buck sprach deutliche Worte.
 ?? ?? Die Hochsträßh­alle war prall gefüllt.
Die Hochsträßh­alle war prall gefüllt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany