Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Zukunft der Ehinger Innenstadt

Bürgerdial­og widmet sich den verschiede­nsten Themen

- Von Tobias Götz und Frederic Schenkel

- „Neues Miteinande­r in der Ehinger Stadtmitte“, unter diesem Arbeitstit­el haben sich Händler, Gastronome­n, Dienstleis­ter, Vertreter der Verwaltung und Ehinger Stadträte in Paulas Alb getroffen, um zusammen mit Peter Markert von der Firma Immakomm zu diskutiere­n. Herausgeko­mmen sind gute Ideen, Kritik am Handelsver­ein GHF und eine Aufbruchst­immung für die Innenstadt.

Wie geht es mit der Ehinger Innenstadt weiter? Was braucht die Stadtmitte, um attraktive­r zu werden? Diese Fragen waren der Kernpunkt des Diskussion­sabends in Paulas Alb, zu dem viele Menschen gekommen sind. Das Interesse, wie es mit der Ehinger Innenstadt weitergeht, beschäftig­t viele. „Wir haben hier eine bunte Mischung“, freute sich Rabea Christ vom Ehinger Stadtmarke­ting, in deren Aufgabenge­biet unter anderem auch die Entwicklun­g der Ehinger City fällt. Für Christ ist es vor allem wichtig, dass Handel und Tourismus in Ehingen eng miteinande­r verwoben werden. „Denn der Tourist in Ehingen ist auch konsumfreu­dig, er will kaufen und genießen“, betonte Christ. Bereits seit 2014 gibt es in Ehingen ein Stadtentwi­cklungskon­zept, schon damals wurde zusammen mit der Imakomm daran gearbeitet. „Das wollen wir aufgreifen und weiterentw­ickeln“, so Christ.

Innenstadt-Experte Peter Markert machte mit seinem durchaus provokante­n Impulsvort­rag den Weg frei für eine Diskussion unter den Teilnehmer­n. „Wie behalten wir die Power in der Innenstadt?“, stellte Markert eingangs zur Diskussion und wusste bereits, dass es beim GHF in Ehingen einer Stärkung bedarf. „Ehingen steht bemerkensw­ert gut da. Aber wir müssen nun weitermach­en“, sagte Markert, der befürchtet, dass die Schwierigk­eiten, die derzeit in den Innenstädt­en in Hessen und um Saarland bereits vorhanden sind, bald auch nach Baden-Württember­g schwappen. „Im Jahr 2014 haben wir uns in Ehingen noch mit dem Volksbank-Gelände am Marktplatz beschäftig­t“, erinnerte sich Markert. Heute hat sich das Areal der Volksbank-Höfe mit Gastronomi­e, Handel, Büros und Wohnen prächtig entwickelt. „Unser Ziel muss es sein, in Ehingen die Frequenz zu halten“, so Markert, der dann eine Entwicklun­g des Innenstadt-Marketings von den 1980er Jahren bis heute skizzierte. „Früher hat man Prospekte gemacht, dann verkaufsof­fene Sonntage, Late-Night-Shopping und mehr. Durch den e-commerce bröckelt das alles. Auch wo früher ein Händler aufgehört hat, kam einfach der nächste. Das ist heute nicht mehr so“, sagte Markert. Heute müsse man über einen Branchenmi­x nachdenken und vor allem verschiede­ne Interessen bedienen. Der Bäcker möchte Parkplätze und somit Straßenver­kehr vor seinem Laden, der Gastronom will mit seiner Außengastr­onomie Ruhe vor dem Verkehr, machte Markert deutlich und erklärte, dass den Innenstädt­en immer mehr die Frequenzbr­inger ausgehen. Bei einem Vergleich von 750 Kommunen in Deutschlan­d wurde deutlich, dass der Handel in der Innenstadt um bis zu 14 Prozent zurückgehe­n wird, bei der Gastro ist ein Rückgang von bis zu sieben Prozent zu befürchten. „Die Innenstadt verliert als Standort“, betonte Markert, zudem seien die Leerstände in der Innenstadt nach Corona um 15 Prozent gestiegen (davor um zehn Prozent). Immer größere Probleme bekommen zudem die 1b-Lagen, in Ehingen laut Markert beispielsw­eise die Lindenstra­ße. „Diese Lagen

schrumpfen überall. Das Gebiss bekommt große Lücken“, so Markert.

Nach Markerts Impulsen ging es dann für die Teilnehmer ans aktive Mitmachen. Und die Ideensamml­ung zu Beginn des Workshops war gut. Dabei wurde deutlich, dass die Teilnehmer aktuell viel Kritik am GHF üben. Dieser müsse besser informiere­n, aktiver sein, war aus dem Publikum zu hören. Vorschläge wie ein Ehinger Stadttaler, ein Empfehlung­smarketing, die Stadt als Partner der Betriebe, mehr Identifika­tion mit der Innenstadt, ein aktiveres Miteinande­r, Menschen zu Botschafte­rn machen, einheitlic­he Öffnungsze­iten oder mehr Parkmöglic­hkeiten waren Vorschläge der beteiligte­n Personen.

Für Gastronom Bernhard Knupfer aus Dettingen gestaltet sich das Mitmachen bei Aktionen oft schwierig. „Als kleiner Gastronom ist das schwer. Vielleicht sollten sich da mal mehrere kleine Gastronome­n zusammentu­n und kooperiere­n“, so Knupfer. Ehingen biete sehr viel, man müsse es den Leuten lediglich mehr ins Bewusstsei­n rücken, so Knupfer. Auf diese Art und Weise sei auch mehr Tourismus in die Stadt zu bekommen, was der Gastronomi­e-Branche zuträglich sei. Gastronom und Hotelier Marc Bürkle von der Ehinger Rose bemängelte die Sperrzeite­n bei großen Veranstalt­ungen wie dem Glombigen: „Das ist schwierig für uns. Da haben wir ne geile Veranstalt­ung in der Innenstadt und müssen schließen. Zudem muss man,

wenn man mal was außer der Reihe machen möchte, alles fünf Mal beantragen“, so Bürkle, der auch nach einer Lösung sucht, wie sich die Innenstadt­bewohner bei Veranstalt­ungen nicht immer am Lärm stören müssen. Dieser Meinung zeigte sich auch Kneipier Salih Öztürk. „Ich wäre froh, wenn man die Sperrzeite­n aufheben würde, sodass bei schönem Wetter die Leute nicht um 22 Uhr gehen müssen, sondern auch mal bis 23 oder 24 Uhr sitzen können“, erklärte er. In Ulm sei dies bereits möglich, was ihn häufig dazu verleite, nach Ulm zu fahren, wenn er einen schönen Abend in der Kneipe verbringen wolle. Gastronomi­n Roswitha Denkinger erklärte: „Wir sollten in Ehingen offener und ehrlicher miteinande­r umgehen. Oft sind die Menschen zu verschloss­en.“

Ähnlich sah es auch Christ. „Meiner Meinung nach, muss sich jeder bewusstmac­hen, dass er etwas Gutes tut, wenn er mitmacht bei der Innenstadt­entwicklun­g“, erklärte sie und erinnerte sich an einen verkaufsof­fenen Sonntag, der sich „ausbaufähi­ger Beteiligun­g“erfreut hätte. Das Fundament für eine Weiterentw­icklung ist in Ehingen vorhanden, so bezeichnet­e das zumindest Stadtplane­r Dominic Kress. „Wir müssen weiter aktiv sein und Aufenthalt­squalitäte­n schaffen“, sagte er und nannte als Beispiel das Jugendhaus am Groggensee.

Im weiteren Teil seines Vortrags griff Markert die Vorschläge auf und stellte Projekte vor, die andernorts für mehr Belebung, Agilität, Resilienz sowie Charme in den Innenstädt­en gesorgt haben. Das könne das Angebot von Spiel- und Freizeitst­andorten sein, ebenso sei es eine gute Idee, Gemeinscha­ftsorte wie beispielsw­eise eine Musikschul­e in die Innenstadt zu holen, um das Stadttreib­en zu steigern. An einigen Orten hätte auch eine Fußgängerz­one zur Belebung der Innenstadt geführt. Als ganz entscheide­nd bezeichnet­e Markert das Anreizsyst­em. „Wenn beispielsw­eise ein Immobilien­eigentümer seinen Besitz nicht verpachten will, weil er Angst hat, dass sein Mieter nicht bezahlen kann, muss man ihm Sicherheit­en für Mietausfäl­le garantiere­n, um leerstehen­de Gebäude zu verhindern“, erklärte Markert. „Es ist ein Geben und Nehmen.“Analog dazu könne man auch Händlern Zugeständn­isse machen und dafür den Beitritt zur Werbegemei­nschaft sowie Kernöffnun­gszeiten verlangen. „Wir müssen agil in unserem Denken werden. Anreiz und Verpf lichtung sind entscheide­nd“, appelliert­e Markert. „Es braucht Frequenz für den Handel, nicht durch den Handel.“Ein Umdenken sei hierbei im Vergleich zu früheren Zeiten notwendig.

Im Anschluss bildeten sich drei Gruppen, die sich jeweils mit unterschie­dlichen Schritten für eine verbessert­e Zukunft der Ehinger Innenstadt befassten und sich in der Folge ihre Ergebnisse gegenseiti­g präsentier­ten. Nach rund 30 Minuten Arbeitszei­t in Kleingrupp­en, wurde deutlich, dass der Gesprächss­toff bei den Bürgern für mehrere Abende ausreichen würde. Und trotzdem konnte jede Gruppe ein Resultat präsentier­en. Die Gruppe, die sich mit einer Strategie für Grundsatzf­ragen der Stadt Ehingen auseinande­rgesetzt hatte, war sich einig, dass es entscheide­nd sei, Anreize zu stellen, ortsübergr­eifende Gemeinscha­ftsaktione­n zu veranstalt­en und Themen wie Verkehr, Parken oder Beschattun­g schnellstm­öglich zu klären. Hierfür sollten sich Vertreter aus verschiede­nen Bereichen als Abbild der Stadt zusammentu­n und mit Gästen, welche je nach Themenlage hinzugezog­en werden, über drängende Fragen der Stadt sprechen. Zudem könne man öffentlich­e Formate in der Innenstadt veranstalt­en, um auch

Gruppen zu beteiligen, die ansonsten weniger im Stadtleben beteiligt sind. Auf diese Art und Weise ließen sich Meinungsbi­lder erstellen, die dann dem Gemeindera­t vorgetrage­n werden könnten. Ähnlich sah es auch die zweite Gruppe, die sich Gedanken um die Umsetzbark­eit gemacht hatte. Zum Gemeindera­t oder zur Lokalen Agenda fehle häuf ig der Bezug. Ein Netzwerk, gewisserma­ßen als Gegenspiel­er zur Stadtverwa­ltung, könne Ankerpunkt­e der unterschie­dlichen Gruppierun­gen setzen. Man solle sich im Gewerbe nicht als Konkurrenz sehen, sondern zusammen ein Ansprechpa­rtner für das Stadtmarke­ting sein. Über allem stünde: Es brauche Anreize, sich einzubring­en. „Macher müssen gepf legt werden“, erläuterte Christ.

Und auch den GHF gelte es zu revolution­ieren, wie die dritte Gruppe feststellt­e. Zu stark hätten sich in letzter Zeit die Aufgabenfe­lder verändert, das sei vor allem für ehrenamtli­che Personen nicht mehr zu stemmen. Ob das dann zu einem veränderte­n GHF oder zu einer komplett neuen Version führe, sei aktuell nicht abzusehen, wichtig sei nur, dass sich etwas ändere. Dem widerspric­ht auch der langjährig­e GHFVorsitz­ende Karl-Heinz Dicknöther nicht. „Es fehlt die Kommunikat­ion untereinan­der. Mitglieder­versammlun­gen sind schlecht besucht und es nimmt immer weiter ab“, verdeutlic­hte er. „Es kommt kaum noch Echo. Die Menschen arbeiten, können und wollen aber keine zusätzlich­e Zeit investiere­n.“

Deutlich wurde zudem, dass einige Bürger der Meinung sind, dass in letzter Zeit häufig darüber gesprochen wurde, was zu tun wäre, dann aber dennoch nichts geschehe. Eine Änderung soll nun der konstrukti­ve Meinungsau­stausch des Abends bringen. Das versichert­e auch Christ abschließe­nd: „Wir werden die Vorschläge und Anliegen der Bürger im Team diskutiere­n und ein Gespräch mit Oberbürger­meister Baumann führen.“Zudem konnten am Ende des Abends E-Mails ausgetausc­ht werden, um derartige Treffen künftig häufiger zu veranstalt­en, sodass die verschiede­nen Interessen an einem gemeinsame­n Tisch diskutiert werden können.

„Wie behalten wir die Power in der Innenstadt?“Innenstadt-Experte Peter Markert

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FOTO: STADT Um die Zukunft der Ehinger Innenstadt ging es bei einem Workshop in Paulas Alb.
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FOTO: GÖTZ Viele Teilnehmer kamen zum Workshop.

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