Die Zukunft der Ehinger Innenstadt
Bürgerdialog widmet sich den verschiedensten Themen
- „Neues Miteinander in der Ehinger Stadtmitte“, unter diesem Arbeitstitel haben sich Händler, Gastronomen, Dienstleister, Vertreter der Verwaltung und Ehinger Stadträte in Paulas Alb getroffen, um zusammen mit Peter Markert von der Firma Immakomm zu diskutieren. Herausgekommen sind gute Ideen, Kritik am Handelsverein GHF und eine Aufbruchstimmung für die Innenstadt.
Wie geht es mit der Ehinger Innenstadt weiter? Was braucht die Stadtmitte, um attraktiver zu werden? Diese Fragen waren der Kernpunkt des Diskussionsabends in Paulas Alb, zu dem viele Menschen gekommen sind. Das Interesse, wie es mit der Ehinger Innenstadt weitergeht, beschäftigt viele. „Wir haben hier eine bunte Mischung“, freute sich Rabea Christ vom Ehinger Stadtmarketing, in deren Aufgabengebiet unter anderem auch die Entwicklung der Ehinger City fällt. Für Christ ist es vor allem wichtig, dass Handel und Tourismus in Ehingen eng miteinander verwoben werden. „Denn der Tourist in Ehingen ist auch konsumfreudig, er will kaufen und genießen“, betonte Christ. Bereits seit 2014 gibt es in Ehingen ein Stadtentwicklungskonzept, schon damals wurde zusammen mit der Imakomm daran gearbeitet. „Das wollen wir aufgreifen und weiterentwickeln“, so Christ.
Innenstadt-Experte Peter Markert machte mit seinem durchaus provokanten Impulsvortrag den Weg frei für eine Diskussion unter den Teilnehmern. „Wie behalten wir die Power in der Innenstadt?“, stellte Markert eingangs zur Diskussion und wusste bereits, dass es beim GHF in Ehingen einer Stärkung bedarf. „Ehingen steht bemerkenswert gut da. Aber wir müssen nun weitermachen“, sagte Markert, der befürchtet, dass die Schwierigkeiten, die derzeit in den Innenstädten in Hessen und um Saarland bereits vorhanden sind, bald auch nach Baden-Württemberg schwappen. „Im Jahr 2014 haben wir uns in Ehingen noch mit dem Volksbank-Gelände am Marktplatz beschäftigt“, erinnerte sich Markert. Heute hat sich das Areal der Volksbank-Höfe mit Gastronomie, Handel, Büros und Wohnen prächtig entwickelt. „Unser Ziel muss es sein, in Ehingen die Frequenz zu halten“, so Markert, der dann eine Entwicklung des Innenstadt-Marketings von den 1980er Jahren bis heute skizzierte. „Früher hat man Prospekte gemacht, dann verkaufsoffene Sonntage, Late-Night-Shopping und mehr. Durch den e-commerce bröckelt das alles. Auch wo früher ein Händler aufgehört hat, kam einfach der nächste. Das ist heute nicht mehr so“, sagte Markert. Heute müsse man über einen Branchenmix nachdenken und vor allem verschiedene Interessen bedienen. Der Bäcker möchte Parkplätze und somit Straßenverkehr vor seinem Laden, der Gastronom will mit seiner Außengastronomie Ruhe vor dem Verkehr, machte Markert deutlich und erklärte, dass den Innenstädten immer mehr die Frequenzbringer ausgehen. Bei einem Vergleich von 750 Kommunen in Deutschland wurde deutlich, dass der Handel in der Innenstadt um bis zu 14 Prozent zurückgehen wird, bei der Gastro ist ein Rückgang von bis zu sieben Prozent zu befürchten. „Die Innenstadt verliert als Standort“, betonte Markert, zudem seien die Leerstände in der Innenstadt nach Corona um 15 Prozent gestiegen (davor um zehn Prozent). Immer größere Probleme bekommen zudem die 1b-Lagen, in Ehingen laut Markert beispielsweise die Lindenstraße. „Diese Lagen
schrumpfen überall. Das Gebiss bekommt große Lücken“, so Markert.
Nach Markerts Impulsen ging es dann für die Teilnehmer ans aktive Mitmachen. Und die Ideensammlung zu Beginn des Workshops war gut. Dabei wurde deutlich, dass die Teilnehmer aktuell viel Kritik am GHF üben. Dieser müsse besser informieren, aktiver sein, war aus dem Publikum zu hören. Vorschläge wie ein Ehinger Stadttaler, ein Empfehlungsmarketing, die Stadt als Partner der Betriebe, mehr Identifikation mit der Innenstadt, ein aktiveres Miteinander, Menschen zu Botschaftern machen, einheitliche Öffnungszeiten oder mehr Parkmöglichkeiten waren Vorschläge der beteiligten Personen.
Für Gastronom Bernhard Knupfer aus Dettingen gestaltet sich das Mitmachen bei Aktionen oft schwierig. „Als kleiner Gastronom ist das schwer. Vielleicht sollten sich da mal mehrere kleine Gastronomen zusammentun und kooperieren“, so Knupfer. Ehingen biete sehr viel, man müsse es den Leuten lediglich mehr ins Bewusstsein rücken, so Knupfer. Auf diese Art und Weise sei auch mehr Tourismus in die Stadt zu bekommen, was der Gastronomie-Branche zuträglich sei. Gastronom und Hotelier Marc Bürkle von der Ehinger Rose bemängelte die Sperrzeiten bei großen Veranstaltungen wie dem Glombigen: „Das ist schwierig für uns. Da haben wir ne geile Veranstaltung in der Innenstadt und müssen schließen. Zudem muss man,
wenn man mal was außer der Reihe machen möchte, alles fünf Mal beantragen“, so Bürkle, der auch nach einer Lösung sucht, wie sich die Innenstadtbewohner bei Veranstaltungen nicht immer am Lärm stören müssen. Dieser Meinung zeigte sich auch Kneipier Salih Öztürk. „Ich wäre froh, wenn man die Sperrzeiten aufheben würde, sodass bei schönem Wetter die Leute nicht um 22 Uhr gehen müssen, sondern auch mal bis 23 oder 24 Uhr sitzen können“, erklärte er. In Ulm sei dies bereits möglich, was ihn häufig dazu verleite, nach Ulm zu fahren, wenn er einen schönen Abend in der Kneipe verbringen wolle. Gastronomin Roswitha Denkinger erklärte: „Wir sollten in Ehingen offener und ehrlicher miteinander umgehen. Oft sind die Menschen zu verschlossen.“
Ähnlich sah es auch Christ. „Meiner Meinung nach, muss sich jeder bewusstmachen, dass er etwas Gutes tut, wenn er mitmacht bei der Innenstadtentwicklung“, erklärte sie und erinnerte sich an einen verkaufsoffenen Sonntag, der sich „ausbaufähiger Beteiligung“erfreut hätte. Das Fundament für eine Weiterentwicklung ist in Ehingen vorhanden, so bezeichnete das zumindest Stadtplaner Dominic Kress. „Wir müssen weiter aktiv sein und Aufenthaltsqualitäten schaffen“, sagte er und nannte als Beispiel das Jugendhaus am Groggensee.
Im weiteren Teil seines Vortrags griff Markert die Vorschläge auf und stellte Projekte vor, die andernorts für mehr Belebung, Agilität, Resilienz sowie Charme in den Innenstädten gesorgt haben. Das könne das Angebot von Spiel- und Freizeitstandorten sein, ebenso sei es eine gute Idee, Gemeinschaftsorte wie beispielsweise eine Musikschule in die Innenstadt zu holen, um das Stadttreiben zu steigern. An einigen Orten hätte auch eine Fußgängerzone zur Belebung der Innenstadt geführt. Als ganz entscheidend bezeichnete Markert das Anreizsystem. „Wenn beispielsweise ein Immobilieneigentümer seinen Besitz nicht verpachten will, weil er Angst hat, dass sein Mieter nicht bezahlen kann, muss man ihm Sicherheiten für Mietausfälle garantieren, um leerstehende Gebäude zu verhindern“, erklärte Markert. „Es ist ein Geben und Nehmen.“Analog dazu könne man auch Händlern Zugeständnisse machen und dafür den Beitritt zur Werbegemeinschaft sowie Kernöffnungszeiten verlangen. „Wir müssen agil in unserem Denken werden. Anreiz und Verpf lichtung sind entscheidend“, appellierte Markert. „Es braucht Frequenz für den Handel, nicht durch den Handel.“Ein Umdenken sei hierbei im Vergleich zu früheren Zeiten notwendig.
Im Anschluss bildeten sich drei Gruppen, die sich jeweils mit unterschiedlichen Schritten für eine verbesserte Zukunft der Ehinger Innenstadt befassten und sich in der Folge ihre Ergebnisse gegenseitig präsentierten. Nach rund 30 Minuten Arbeitszeit in Kleingruppen, wurde deutlich, dass der Gesprächsstoff bei den Bürgern für mehrere Abende ausreichen würde. Und trotzdem konnte jede Gruppe ein Resultat präsentieren. Die Gruppe, die sich mit einer Strategie für Grundsatzfragen der Stadt Ehingen auseinandergesetzt hatte, war sich einig, dass es entscheidend sei, Anreize zu stellen, ortsübergreifende Gemeinschaftsaktionen zu veranstalten und Themen wie Verkehr, Parken oder Beschattung schnellstmöglich zu klären. Hierfür sollten sich Vertreter aus verschiedenen Bereichen als Abbild der Stadt zusammentun und mit Gästen, welche je nach Themenlage hinzugezogen werden, über drängende Fragen der Stadt sprechen. Zudem könne man öffentliche Formate in der Innenstadt veranstalten, um auch
Gruppen zu beteiligen, die ansonsten weniger im Stadtleben beteiligt sind. Auf diese Art und Weise ließen sich Meinungsbilder erstellen, die dann dem Gemeinderat vorgetragen werden könnten. Ähnlich sah es auch die zweite Gruppe, die sich Gedanken um die Umsetzbarkeit gemacht hatte. Zum Gemeinderat oder zur Lokalen Agenda fehle häuf ig der Bezug. Ein Netzwerk, gewissermaßen als Gegenspieler zur Stadtverwaltung, könne Ankerpunkte der unterschiedlichen Gruppierungen setzen. Man solle sich im Gewerbe nicht als Konkurrenz sehen, sondern zusammen ein Ansprechpartner für das Stadtmarketing sein. Über allem stünde: Es brauche Anreize, sich einzubringen. „Macher müssen gepf legt werden“, erläuterte Christ.
Und auch den GHF gelte es zu revolutionieren, wie die dritte Gruppe feststellte. Zu stark hätten sich in letzter Zeit die Aufgabenfelder verändert, das sei vor allem für ehrenamtliche Personen nicht mehr zu stemmen. Ob das dann zu einem veränderten GHF oder zu einer komplett neuen Version führe, sei aktuell nicht abzusehen, wichtig sei nur, dass sich etwas ändere. Dem widerspricht auch der langjährige GHFVorsitzende Karl-Heinz Dicknöther nicht. „Es fehlt die Kommunikation untereinander. Mitgliederversammlungen sind schlecht besucht und es nimmt immer weiter ab“, verdeutlichte er. „Es kommt kaum noch Echo. Die Menschen arbeiten, können und wollen aber keine zusätzliche Zeit investieren.“
Deutlich wurde zudem, dass einige Bürger der Meinung sind, dass in letzter Zeit häufig darüber gesprochen wurde, was zu tun wäre, dann aber dennoch nichts geschehe. Eine Änderung soll nun der konstruktive Meinungsaustausch des Abends bringen. Das versicherte auch Christ abschließend: „Wir werden die Vorschläge und Anliegen der Bürger im Team diskutieren und ein Gespräch mit Oberbürgermeister Baumann führen.“Zudem konnten am Ende des Abends E-Mails ausgetauscht werden, um derartige Treffen künftig häufiger zu veranstalten, sodass die verschiedenen Interessen an einem gemeinsamen Tisch diskutiert werden können.
„Wie behalten wir die Power in der Innenstadt?“Innenstadt-Experte Peter Markert