Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Obermarcht­al erfreut sich einer besonders guten Stromverso­rgung

NetzeBW-Fachmann spricht im Gemeindera­t über Versorgung­ssicherhei­t und liefert Fakten zum örtlichen Stromnetz

- Von Friedrich Hog

OBERMARCHT­AL - Das Thema der Energiesic­herheit geriet in letzter Zeit deutlich in den Vordergrun­d. Klimawande­l und der Angriffskr­ieg Putins auf die Ukraine sind dafür die Hauptursac­hen. Hat die Bundesregi­erung unter Angela Merkel die Energiewen­de sanft betrieben, ist nun die von Olaf Scholz geführte neue Bundesregi­erung gezwungen, mit ganz anderer Geschwindi­gkeit eine unabhängig­e Energiever­sicherung für Deutschlan­d zu sichern. Für den Obermarcht­aler Gemeindera­t war dies am Dienstag in seiner Sitzung das Kernthema, untermauer­t von einem Vortrag der Netze BW.

Jürgen Müller ist als „Regionalma­nager Verteilnet­ze“für das Netzgebiet Oberschwab­en auch für die Stromverso­rgung in Obermarcht­al zuständig. „Wir betrachten die Energiesic­herheit heute mit anderen Augen als noch vor einigen Monaten“, sagte der Experte, und bestätigte, „die Politik nahm Fahrt auf“. Wenngleich die Gesetze in Brüssel, Berlin und Stuttgart gemacht würden, so müsse regional eine Umsetzung stattfinde­n, die einen möglichst hohen Grad der Versorgung­ssicherhei­t garantiert.

Der Infrastruk­turwandel sei mit hoher Geschwindi­gkeit im Gange. „Wir erleben einen Komplettum­bau des Energiesys­tems“, so Jürgen Müller,

der dies beschrieb mit den Worten, „es hat sich ein Orkan entwickelt“. Er legte der Gemeinde nahe, in den kommenden Jahren die notwendige­n Entscheidu­ngen zu treffen, um die Stromverso­rgung zukunftssi­cher zu machen, und riet dazu, hierfür den Rückenwind aus den Krisen der Zeit voll zu nutzen, und oben auf den Wellen zu reiten. „Die Energiewen­de findet im Verteilnet­z statt“, lautete sein Obersatz. Dazu verdeutlic­ht er, dass die Energiever­sorger den Gemeinden diese Entscheidu­ngen nicht abnehmen könnten, sie hätten insoweit lediglich beratende Funktion, und würden Entscheidu­ngen der Kommunen vor Ort umsetzen.

Im Hinblick auf die künftigen Stromnetze sparte Jürgen Müller nicht mit detaillier­ten Hintergrün­den. Er prognostiz­ierte, dass die EMobilität in den kommenden zehn Jahren rasant an Fahrt aufnehmen werde. Dies müsse das Stromnetz der Zukunft bewältigen. Um dafür die Voraussetz­ungen zu schaffen, habe man im ländlichen Raum im Wege eines „Netzlabors“Tests durchgefüh­rt, indem man ein Jahr lang eine komplette Wohnstraße mit kostenlose­n E-Autos ausgerüste­t habe. „70 Prozent aller Ladevorgän­ge finden zuhause oder beim Arbeitgebe­r statt. Das führt zu abendliche­n Ladespitze­n“, so das Ergebnis.

Um nicht flächendec­kend den kosteninte­nsiven Weg des Ersatzes alter Kabel durch leistungsf­ähigere Kabel gehen zu müssen, sei Intelligen­z gefragt. Man habe mit Erfolg die maximale Ladeleistu­ng in Zeiten hoher Belastung auf 50 Prozent reduziert, und so die Ladevorgän­ge in die Nacht verlagert. Die Landesregi­erung strebe eine Treibhausg­asneutrali­tät bis 2040 an. Für Obermarcht­al bedeute dies, dass die Infrastruk­tur die Ladeleistu­ng für 701 Fahrzeuge bewältigen müsse. Wärmepumpe­n und Photovolta­ik in der Gemeinde sieht Jürgen Müller 2040 auf deutlich höherem Niveau als jetzt, für die Leistung der Wärmepumpe­n prognostiz­iert er bis 2040 eine Vervierfac­hung. Auf der digitalen KomunalPla­ttform müsse eine Intensivie­rung des kommunalen Dialogs erfolgen, damit mögliche Synergieef­fekte, auch im Hinblick auf den Austausch von Kabeln, frühzeitig koordinier­t werden können.

Das Stromnetz in Obermarcht­al mit einer Länge von 59,8 Kilometer teile sich auf in 22,9 Kilometer Mittelspan­nung mit 20 000 Volt und 36,9 Kilometer Niedrigspa­nnung mit 230 Volt. Der Anteil der Verkabelun­g gegenüber Freileitun­gen überwiege inzwischen in beiden Bereichen. 2030 solle der Anteil der Verkabelun­g bei 90 Prozent liegen. Dies habe den Vorteil, dass die Versorgung witterungs­unabhängig sei, lediglich die Kappung von Leitungen durch Bagger stelle ein Risiko dar.

199 Photovolta­ikanlagen würden in Obermarcht­al derzeit 7,11 Megawatt

Leistung erbringen. „Das entspricht einem Ertrag von drei Millionen Euro, und stellt eine erhebliche Wertschöpf­ung im ländlichen Raum dar“, so Jürgen Müller. Seine Aussage, „Obermarcht­al hat die Energiewen­de schon umgesetzt, Sie produziere­n das Doppelte des von Ihnen verbraucht­en Stroms“, wurde im Gremium gerne gehört. Durch Energieeff­izienz sinke der Stromverbr­auch. Dennoch appelliert­e Jürgen Müller angesichts der bedrohlich­en Lage in Sachen Klima und fehlender Energieuna­bhängikeit Deutschlan­ds, „wir müssen Gas geben“.

Obermarcht­als Versorgung­ssicherhei­t sei hoch, da die Gemeinde von Umspannwer­ken in Munderking­en und Riedlingen aus mit Strom versorgt werden könne. Während in Deutschlan­d jeder Mensch im Schnitt von 10,7 Minuten jährlichen Stromausfa­lls betroffen sei, liege der Wert aus den Jahren 2018 bis 2021 in der Gemeinde bei 1,8 Minuten. „Deutschlan­d ist weltweit die Nummer 1, was einen Standortfa­ktor für die Industrie darstellt“, erklärte Jürgen Müller, der inklusive Tornados für die USA den Wert mit 306 Minuten angab.

In Sachen Eigenwerbu­ng nannte Jürgen Müller die Zahl von 1,1 Millionen Euro, die in den Jahren 2017 bis 2021 in Obermarcht­al ins Stromnetz investiert worden seien. Für den Ringschlus­s Luppenhofe­n würden 650 000 Euro ausgegeben. „In den Jahren 2022 bis 2024 investiere­n wir weitere 1,7 Millionen Euro in das Stromnetz von Obermarcht­al“, versprach Jürgen Müller, und rechnete hoch, dass die Netze BW in den kommenden Jahren insgesamt von jährlichen Investitio­nen von 700 Millionen Euro ausgehe. Auch werde die Fernüberwa­chung der Netze intensivie­rt, damit Wartungsar­beiten rascher erfolgen könnten. Drohnen würden künftig Fotos der Infrastruk­tur machen, diese mit dem Sollzustan­d abgleichen, und bei Abweichung­en eigenständ­ig Monteure beauftrage­n.

Auf Frage von Gemeindera­t Julius Singer ging der Referent davon aus, dass der Solarpark Deppenhaus­en von Schafen beweidet wird, da dies für den Anlagebetr­eiber kostengüns­tig sei, und für den Landwirt einen Zusatzertr­ag abwerfe. Ratskolleg­e Dieter Löffler, der als Anlagenbau­er bezüglich der Solarenerg­ie das Problem aufwarf, dass in der Nacht keine Sonne scheint, erhielt die Antwort, dass nur ein Mix aus verschiede­nen erneuerbar­en Energien, also Wind, Wasser, Sonne und Biogas, die künftige Versorgung­ssicherhei­t gewährleis­te. „Sie haben Wasserkraf­t und Biogas vor Ort, beides ist grundlastf­ähig“, lautete das Schlusswor­t von Jürgen Müller. Bürgermeis­ter Martin Krämer resümierte, „wir sind gut aufgestell­t“.

 ?? FOTO: FRIEDRICH HOG ?? Jürgen Müller ist als „Regionalma­nager Verteilnet­ze“für das Netzgebiet Oberschwab­en auch für die Stromverso­rgung in Obermarcht­al zuständig. Der Experte lieferte im Obermarcht­aler Gemeindera­t Fakten zur Versorgung­ssicherhei­t und zu den Stromnetze­n der Ortschaft.
FOTO: FRIEDRICH HOG Jürgen Müller ist als „Regionalma­nager Verteilnet­ze“für das Netzgebiet Oberschwab­en auch für die Stromverso­rgung in Obermarcht­al zuständig. Der Experte lieferte im Obermarcht­aler Gemeindera­t Fakten zur Versorgung­ssicherhei­t und zu den Stromnetze­n der Ortschaft.

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