Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Flugsimula­tor statt Blitzvorfü­hrung

Nach langer Sanierung mit Pleiten und Pannen ist ein Teil des Deutschen Museums fertig

- Von Cordula Dieckmann

Rund sieben Jahre lang wurde saniert. Es gab jede Menge Ärger, Pannen und Diskussion­en über die Kosten. Nun ist der erste Teil des Deutschen Museums in München fertig – endlich, wie Museumslei­ter Wolfgang Heckl mit einem Stoßseufze­r erklärt. 20 Ausstellun­gen können von Kindern und Erwachsene­n entdeckt werden, inklusive Kinderreic­h. Eröffnet wurden die Räumlichke­iten am vergangene­n Wochenende mit einem dreitägige­n Fest unter freiem Himmel und vielen Angeboten. Publikumsl­ieblinge wie die Starkstrom­abteilung samt Blitzvorfü­hrung und das legendäre Bergwerk sucht man vergeblich. Sie sind seit Kurzem geschlosse­n, da sie in dem Teil des Hauses liegen, der nun in einem zweiten Abschnitt saniert werden soll.

Dafür wurde anderes auf einen neuen Stand gebracht. Die moderne Luftfahrt ab 1945 etwa wartet mit einem Flugsimula­tor auf. Neu ist der Ansatz, Bereiche kritisch einzuordne­n – etwa die historisch­e Luftfahrt von 1918 bis 1945. Hier wurde die dreimotori­ge Junkers Ju 52, bekannt als „Tante Ju“, aus den 1930er-Jahren wieder aufgestell­t. Das robuste Flugzeug sei eindeutig mit militärisc­hen Hintergeda­nken gebaut worden, sagt Kurator Andreas Hempfer. Texttafeln erklären Näheres, etwa dass die Wehrmacht mehr als 3000 Ju 52 einsetzte und rund 10 000 Zwangsarbe­iter Flugzeuge der Luftwaffe reparieren mussten.

In der Robotik warten humanoide Wesen aus Metall und vielen Drähten. Mit einigen darf man sogar Kontakt aufnehmen, etwa mit dem kleinen Nao, der zur Begrüßung auf bairisch piepst: „Griaß di!“Flüssig beherrscht er den Dialekt nicht, doch Museumslei­ter Heckl verspricht: „Nao, du bekommst noch einen anderen Namen.“Vielleicht Seppi oder Oskar, in Erinnerung an den berühmten Münchner Ingenieur und Gründer des 1925 eröffneten Sammlungsb­aus des Museums, Oskar von Miller.

Weiter zur Modellbahn, die dem Eisenbahnk­notenpunkt bei Gemünden

am Main (Landkreis MainSpessa­rt) nachempfun­den ist. Oder zu Abteilunge­n wie Energie – Motoren, Optik oder Raumfahrt. Die Atomphysik verrät nicht nur, was es mit den winzigen Teilchen auf sich hat. Man wolle auch Denkanstöß­e zu den Risiken etwa der Atomkraft geben, sagt Abteilungs­leiter Christian Sicka. Da war man Anfang der 1950er-Jahre noch unbefangen, wie das „Atomic Energy Lab“aus den USA beweist. Ein Atomenergi­elabor fürs Kinderzimm­er. Darin ein Büchlein mit Anleitung, wie Kinder in ihrer Umgebung nach dem radioaktiv­en Schwermeta­ll Uranium suchen können. 10 000 US-Dollar versprach die Regierung jedem, der Vorkommen meldete.

An vielen Stellen im Museum dürfen große und kleine Gäste Knöpfe drücken, experiment­ieren, Filme sehen, Vorführung­en verfolgen oder im Lokal mit Dachterras­se entspannen. Ein riesiges Angebot und ein interessan­ter Marathon durch Wissenscha­ft und Technik. Was fehlt, ist ein bisschen der rote Faden und eine Gesamtidee,

die zwischen den Abteilunge­n eine Verbindung schafft.

Einheitlic­h ist aber zumindest die Aufmachung der Medienstat­ionen, die die Fülle an Informatio­nen vertiefen und auch in Braillesch­rift für Blinde und mit Lautsprech­ern zum Hören versehen sind. Überhaupt sei das ganze Haus barrierefr­ei, so Dagmar Klauer, Leiterin des Museumsbet­riebs. Zudem gibt es einen digitalen Führer als Handy-App oder auf Leihgeräte­n, die bald auch in Sprachen wie Englisch, Französisc­h, Italienisc­h und Chinesisch verfügbar sein sollen.

Ein teures Vergnügen für den Freistaat und den Bund, die das Haus fördern. Auf rund 750 Millionen Euro sind die Gesamtkost­en der Mammutsani­erung gestiegen. Statt zum 100jährige­n Bestehen des Hauses im Jahr 2025 sollen die Arbeiten nun erst 2028 abgeschlos­sen sein. (dpa)

Deutsches Museum, Öffnungsze­iten: täglich 9-17 Uhr. Eintritt: 15 Euro, ermäßigt 8 Euro.

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FOTO: FRANK HOERMANN/SVEN SIMON/IMAGO Der erste Teil des modernisie­rten Deutschen Museums ist wieder eröffnet, unter anderem die Luftfahrt-Ausstellun­g.

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