Olaf Scholz und die wilden Drei
Der SPD-Kanzlerkandidat muss sein linkes Lager im Zaum halten
●
BERLIN - SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz könnte bei den Koalitionsverhandlungen unter Druck geraten. Denn in Partei und Fraktion hat vor allem eine Strömung das Sagen.
Es war Anfang der Woche, als Olaf Scholz zunächst erst einmal die Wahlkampf-Bataillone seiner SPD zurückpfeifen musste. Auch nach der gewonnenen Wahl hatten sie weiter in Richtung der politischen Konkurrenz gefeuert – die nun allerdings bald ihre Koalitionspartner sein könnten. Parteichef Norbert Walter-Borjans und Vizechef Kevin Kühnert hatten die Liberalen mit Bezeichnungen wie „Luftikus“und „Voodoo-Ökonomie“überzogen.
Nun sagt Walter-Borjans Sätze wie: „Wir haben den festen Willen, eine stabile, auf Vertrauen basierende Regierung zu bilden.“Dennoch: Es war ein erster Vorgeschmack darauf, wie die verschiedenen Strömungen in der SPD das Ampel-Projekt, also die Koailtion mit Grünen und FDP, doch noch zum Scheitern bringen könnten. Kann es funktionieren, wenn Partei und Fraktion deutlich linker sind als ihr Kanzler?
Strategisch können sich die Linken in der Partei zurücklehnen. Sie haben mit dem Parteivorsitzenden und seiner Co-Parteichefin Saskia Esken sowie mit dem linken Bundestags-Fraktionschef Rolf Mützenich ihre Figuren gut in Stellung gebracht. Hinzu kommt, dass in die neue 204köpfige Bundestagsfraktion 49 Jungsozialisten eingezogen sind, die zum linken Lager von Kevin Kühnert gehören. Er hatte vor zwei Jahren die Wahl von Olaf Scholz und Clara Geywitz zu Parteichefs verhindert. Die linke Front des letztlich gewählten Duos Walter-Borjans und Esken steht in Partei und Fraktion nun Kanzlerkandidat Scholz gegenüber, der in vielen Fragen einen konservativeren, pragmatischen Kurs steuert.
„Ich würde das nicht überbewerten“, sagt der Bonner Politologe Frank Decker. Scholz hätte als Bundeskanzler eine starke Position. „Die Fraktion kann dem Kanzler und der Regierung nicht den Weg vorschreiben. Er wäre aber gut beraten, seine Partei und seine Fraktion einzubinden.“Hier hat Scholz schon vorgesorgt. Unmittelbar nach der Bundestagswahl erklärte er, an Fraktionschef
Rolf Mützenich festhalten zu wollen, der „ein ganz toller Mann“sei.
Diesen Schachzug hält auch Politologe Decker für klug. Ein linker Fraktionsvorsitzender wie Rolf Mützenich, der inzwischen mit 97 Prozent Zustimmung im Amt bestätigt wurde, könne die linken Teile der Fraktion bei der Stange halten. Das gilt auch für das potenziell aufgeladene Verhältnis zu den Liberalen: „Es ist natürlich eine herausfordernde Situation, eine Koalition mit der FDP machen zu müssen, die alles andere als ein Wunschpartner ist.“
Die Spannung zwischen Gelb und Rot hat nicht nur gesellschafts-, sozialund wirtschaftspolitische, sondern auch historische Gründen. War es doch einst die FDP, die mit ihrem Koalitionswechsel zur Union 1982 die Kanzlerschaft von Helmut Schmidt beendete. Die älteren Sozialdemokraten tragen der Partei diese Volte noch immer nach.
Strategisch könnten die Freien Demokraten dem möglichen SPDKanzler in einer Ampelkoalition jedoch auch nützlich sein, vermutet Decker. Wie man unter Verweis auf deren Forderungen die eigene Parteilinke in Schach halten könne, das habe schon Schmidt in den 1970erJahren gut verstanden – indem er den Koalitionspartner einfach als Alibi vorschickte, um bestimmte Dinge nicht umzusetzen zu müssen. „Schon bei den Koalitionsverhandlungen werden die SPD-Linken viele Kröten schlucken müssen“, prophezeit Decker. „Ich vermute, dass zum Beispiel die Vermögensteuer im Koalitionsvertrag nicht mehr auftaucht.“
Momentan hält sich die SPD-Spitze noch bedeckt, wo sie in Verhandlungen mit FDP und Grünen keine Abstriche dulden wird. Ohnehin muss die SPD-Spitze nun erst einmal abwarten, was die gelb-grünen Vorsondierungen ergeben. Zu denen treffen sich Grüne und Liberale am
Freitag, bevor es am Wochenende in die Runden mit der SPD geht.
Als Ziele eines Bündnisses hat Generalsekretär Lars Klingbeil schon mal drei Dinge ausgegeben: Die Zukunftsaufgaben des Landes wie Klimaschutz, Digitalisierung und die Modernisierung des Staates anpacken, außerdem „eine neue Art des Politikmachens“mit einem vertrauensvollen Verhältnis der Koalitionspartner zu etablieren und Themen anzupacken, die der Jugend wichtig sind – um deren Vertrauen in die Politik zu stärken.
Politikwissenschaftler Decker rät zu einem verbindenden Ansatz: Letztlich müsse sich jeder Koalitionspartner in einem Bündnis wiedererkennen können. Wenn Scholz diese Devise beherzige, könne er ein besserer Koalitionspolitiker werden als die scheidende Kanzlerin. Die habe anderen selten Erfolge gegönnt. „Merkel ist eine grottenschlechte Koalitionspolitikerin gewesen.“