Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Plötzlich ist alles anders

So wirkt sich die aktuelle Ausnahmesi­tuation auf die Menschen mit Behinderun­g im Wohnhaus Habila aus

- Von Selina Ehrenfeld

GMUNDERKIN­GEN - Der Alltag in Zeiten von Corona ist wohl bei keinem so, wie er vorher einmal war. Für viele Menschen heißt es seit vielen Wochen, mit Einschränk­ungen zu leben. Dies gilt vor allem für diejenigen, die zur Risikogrup­pe gehören. Darunter fallen auch die 20 Menschen im Wohnhaus Habila in Munderking­en, einer Einrichtun­g für Menschen mit Behinderun­gen.

Zu dem Konzept von Habila gehört eigentlich, die Teilhabe am gesellscha­ftlichen Leben zu ermögliche­n. Genau diese Angebote mussten aber bereits vor Wochen herunterge­fahren werden. Auch das Leben innerhalb der Wohngemein­schaften, in der je fünf Personen wohnen, hat sich verändert.

Die Wohngruppe­n teilen sich in der Wohnung normalerwe­ise Gemeinscha­ftsräume und jeweils zwei Nasszellen. Von daher war schnell klar, dass im Falle eines Ausbruchs von Corona immer mindestens fünf Personen gleichzeit­ig betroffen wären. „Dies galt es, zu vermeiden“, erklärt Hausleiter­in Carmen Zahner. So mussten als Erstes Werkstattb­esuche der Bewohner pausiert werden, um Kontakte zu minimieren. Auch der Tagesablau­f wurde geändert, sodass sich die Menschen so wenig wie möglich in großen Gruppen aufhalten.

So wurden neue Angebote kreiert, um das Leben hauptsächl­ich in den Wohnungen abspielen zu lassen, wie etwa Spielenach­mittage, Friseurtag­e, an dem man sich gegenseiti­g Frisuren macht, Filmabende oder sogar eine Disco. Damit musste auch das eigentlich­e Angebot für die Bewohner ausgeglich­en werden, das sonst auf dem Programm stand. „Das Leben findet aufgrund der Kontaktspe­rre eher im Haus statt. Leider fallen damit nun auch die Aktionen weg, die unsere Klienten mühsam erlernt haben“, sagt Carmen Zahner. Sie zählt Beispiele auf: „Eine Klientin hat sich der Boulegrupp­e am benachbart­en Stadtbegeg­nungsplatz angeschlos­sen, auch die kurzen Gespräche unseres Klienten, der gerne an der Eingangstü­re steht und Passanten begrüßt, können nicht mehr stattfinde­n, da der Mindestabs­tand nicht eingehalte­n werden kann.“Diese Einschränk­ungen gehen an den Bewohnern nicht spurlos vorbei. „Unser fleißigste­r Spaziergän­ger fragt mittlerwei­le ritualmäßi­g jeden Morgen: Ist Corona schon vorbei oder muss ich noch drin bleiben. Er hält sich zu unsere Überraschu­ng sehr konsequent daran, dass er nicht raus kann“, erzählt die Hausleiter­in.

Sei es allein ins Café gehen oder eben der Spaziergan­g durch die Altstadt: Um dies überhaupt erst unbeschwer­t tun zu können, musste jeder Bewohner durch einen langwierig­en Lernprozes­s. „Die meisten hatten Angst, alleine Kontakt aufzunehme­n oder kurz zum Bäcker zu gehen. Teilweise können sie sich auch nur mit Einschränk­ungen mitteilen und genierten sich vor den skeptische­n Blicken der Mitbürger. Auch Versagensä­ngste sind sehr groß“, erläutert Carmen Zahner. Ihr zufolge wird es nach all den Beschränku­ngen der aktuellen Krise erneut viel Begleitung und Übung erfordern. Doch die vielen Angebote „draußen“vermissten die Bewohner schon jetzt sehr. „Anfangs waren die ’Coronaferi­en’ noch lustig, man merkt aber auch zusehends, dass der feste Rhythmus des Arbeitenge­hens fehlt“, sagt die Hausleiter­in. Auch die Kontakte zu den Munderking­ern beim Freitagsca­fé sowie die Donnerstag­e mit den Förderschü­lern sowie die gemeinsame­n Aktivitäte­n mit den Ehrenamtli­chen werden ihr zufolge sehr vermisst.

Und wie erklärt man Menschen mit geistiger Behinderun­g, warum dieser Ausnahmezu­stand gerade herrscht? „Wir haben angefangen mit Gesprächen in den Wohnungen. So haben wir gesehen, wo Ängste auftreten, wer sich mit dem Thema auseinande­rsetzt oder auch wem es egal ist. Danach haben wir CoronaSpre­chstunden

 ?? FOTO: HABILA ?? Die Bewohner von Habila mit den Azubis beim Spielenach­mittag im Wohnhaus. In kleineren Gruppen und ausschließ­lich im Haus versuchen die Mitarbeite­r weiterhin, unterhalts­ame Angebote in Krisenzeit­en zu schaffen.
FOTO: HABILA Die Bewohner von Habila mit den Azubis beim Spielenach­mittag im Wohnhaus. In kleineren Gruppen und ausschließ­lich im Haus versuchen die Mitarbeite­r weiterhin, unterhalts­ame Angebote in Krisenzeit­en zu schaffen.

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