Nach Groß-Razzia in Flüchtlingsheim: Dealer gestehen
Prozessauftakt: Mehr als 200 Polizisten stürmten im Januar eine Gemeinschaftsunterkunft in Neu-Ulm
● NEU-ULM/MEMMINGEN - Es war ein spektakulärer Großeinsatz: Mehr als 200 Polizisten stürmten im Januar eine Gemeinschaftsunterkunft in Neu-Ulm. Das Flüchtlingsheim neben der Spielothek am AugsburgerTor-Platz soll seit Längerem als Drogenumschlagplatz genutzt worden sein. Die Einsatzkräfte, die aus ganz Bayern angerückt waren, durchkämmten an jenem Abend akribisch sämtliche Zimmer, die Reuttier Straße wurde teilweise gesperrt. Die Polizisten beschlagnahmten schließlich eine große Menge Drogen sowie Bargeld im fünfstelligen Bereich, das mutmaßlich aus kriminellen Geschäften stammt. Gegen mehrere Tatverdächtige war kurz nach der Razzia Haftbefehl erlassen worden. Zwei Hauptverdächtige müssen sich derzeit wegen Drogenhandel vor der Ersten Strafkammer des Memminger Landgerichts verantworten.
Die beiden jungen Männer – ein 35-jähriger Gambier, der zu jenem Zeitpunkt in dem Flüchtlingsheim gewohnt hat sowie ein 26-jähriger Rumäne – sitzen seit Januar in Haft. Laut Staatsanwaltschaft sollen die beiden zwischen Sommer und Ende 2018 insgesamt elfmal gemeinsam Marihuana gekauft haben – und zwar in gewaltiger Menge: In der Anklageschrift ist die Rede von Mengen im Pfund- und Kilo-Bereich. Die Drogen sollen die beiden dann in der Flüchtlingsunterkunft in Neu-Ulm versteckt haben – und dann nach und nach weiterverkauft haben, für zehn bis zwölf Euro pro Gramm.
Die Kunden sollen nicht nur andere Bewohner der Asylbewerberunterkunft gewesen sein, sondern Drogenkonsumenten aus der näheren und auch weiteren Region. „Es war ein Abverkauf an die örtliche Szene und an diejenigen, die einsteigen wollten“, erklärte ein Polizeibeamter gestern vor Gericht. Er berichtete auch, wie man dem Drogenhandel damals auf die Spur gekommen war: Bei regelmäßigen Kontrollen ging den Beamten eine 20-Jährige ins Netz. Diese hatte damals zunächst selbst geringe Mengen an Marihuana gekauft und sich so mit den beiden Männern angefreundet. Schließlich willigte sie ein, ab und zu Drogen zu bunkern und zu übergeben – denn sie brauchte Geld, um ihren CannabisKonsum zu finanzieren. Als die Polizei sie damals in Neu-Ulm aufgriff, trug sie 50 Gramm Marihuana sowie eine Waffe bei sich. „Sie sagte damals umfassend aus und gab uns Informationen über die beiden Angeklagten“, sagte der Polizeibeamte. Man habe die Informantin dabei „Tag und Nacht“anrufen können.
20 Ecstasy-Tabletten am Tag
Die beiden Angeklagten hatten bei dem Handel übrigens unterschiedliche Rollen: Während der eine alles koordinierte und sich vor allem um den Weiterverkauf des Rauschgifts kümmerte, war der andere nur als Kurierfahrer tätig, weil er einen Führerschein hatte. Für seine Hilfe bei der ganzen Sache erhielt er kostenlos Marihuana und ab und zu etwas Geld. Der 26-Jährige nimmt Drogen, seit er 14 Jahre ist – und zwar eine breite Palette an verschiedenem Rauschgift: Beispielsweise Amphetamin, Kokain, bis zu 20 Ecstasy-Tabletten am Tag sowie bis zu zehn Gramm Marihuana täglich. In etwa die gleiche Menge an Marihuana konsumierte auch der 35-jährige Angeklagte.
Zum Prozessauftakt hatten die beiden über ihre Verteidiger erklären lassen, zunächst keine Angaben machen zu wollen. In der Sitzung am Mittwochnachmittag räumten sie die Vorwürfe dann über ihre Verteidiger doch teilweise ein. Der 35-Jährige habe demnach gedealt, um seinen eigenen Drogenkonsum finanzieren zu können. Dem 25-Jährigen sei zwar bewusst gewesen, dass größere Mengen Drogen gekauft wurden, er habe mit dem Verkauf aber nichts zu tun gehabt.
Zuvor hatte das Gericht im Nachgang auf das sogenannte Rechtsgespräch zwischen Staatsanwaltschaft, Kammer und den beiden Verteidigern erklärt, dass bei dem 25-jährigen Angeklagten auch eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Rauschgifthandel in Betracht komme. Zudem gehe das Gericht angesichts der bisherigen Erkenntnisse nur von sieben statt der angeklagten elf Taten aus. Die Strafe für den 25-Jährigen werde sich bei einem Geständnis nun zwischen mindestens drei Jahren und sechs Monaten und maximal vier Jahren bewegen. Für den 35-Jährigen stellte das Gericht eine Strafe zwischen vier Jahren und neun Monaten und fünf Jahren und drei Monaten in Aussicht.
Das Urteil soll kommende Woche fallen.