Schwäbische Zeitung (Ehingen)

CDU-Mittelstan­dschef fordert: Mehr Gerhard Schröder wagen

Carsten Linnemann verlangt im Stadthaus von seiner Partei klare Wirtschaft­skante – Und er sorgt sich um die Demokratie

- Von Johannes Rauneker

ULM - „Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn die Demokratie vor die Hunde geht.“Mit klaren Worten hat Carsten Linnemann auf Einladung der Mittelstan­dsvereinig­ung Alb-Donau/Ulm im Ulmer Stadthaus vor einem Zerfall der freiheitli­chen Struktur der Bundesrepu­blik gewarnt. Seine Angst: Dass in Deutschlan­d, das derzeit politisier­t sei wie noch nie, keine sachlich-kontrovers­e Debatte mehr möglich ist. Und das Hetzer am Ende die Oberhand gewinnen. Lernen könne seine Partei, so der Paderborne­r, von Angela Merkels Vorgänger.

Er spricht frei, die linke Hand lässig in der Hosentasch­e. Aber ist voller Furor. Den rund 200 Anwesenden im Stadthaus knallt Carsten Linnemann, der sich selbst als Mann klarer Worte bezeichnet, die „Hiobsbotsc­haften“zu Beginn nur so um die Ohren. Trump, Nordkorea, Boris Johnson, dann der Anschlag auf die Synagoge in Halle: Vieles sei derzeit im Argen, so Linnemann, der am Mittwoch in Ulm in erster Linie als Wirtschaft­s-Fachmann sprechen sollte. Eingeladen zum Jahresempf­ang hatte die Mittelstan­dsvereinig­ung Alb-Donau/Ulm. Gemütlich wurde es aber erst nach Linnemanns Vortrag, bei Schnittche­n und Sekt.

„Nichts ist alternativ­los“, wer dies behaupte (natürlich ein Seitenhieb gegen Kanzlerin Merkel), der rede „Quatsch“. Was Deutschlan­d endlich wieder brauche, sei eine vernünftig­e Debattenku­ltur, kein Moralisier­en. Demokratie, so Linnemann, bedeute Meinungsvi­elfalt und -freiheit. Wer dem anderen seine Meinung abspreche, spüle diesen irgendwann zwangsläuf­ig dem extremen Rand zu. Seine Angst: „Irgendwann könnte es schlimm werden.“

Im Bezug auf die eigene Partei wirkt Linnemann angstfrei. Genauso wie Vorredneri­n Ronja Kemmer. Unverhohle­n kritisiert sie Parteifreu­ndin Anja Karliczek, die mit dafür gesorgt hat, dass nicht Ulm, sondern Münster in den Genuss einer Batteriefa­brik und einer 400-MillionenE­uro-Förderung kommt. Wobei die hiesige Bundestags­abgeordnet­e damit in der CDU nicht alleine ist.

Lange Wahlprogra­mme sind für die Tonne

Vieles will, beziehungs­weise würde auch Linnemann (denn dazu bräuchte es zunächst entspreche­nde Mehrheiten) anders machen in der Wirtschaft­spolitik. Heutige Wahlprogra­mme würde eh kein Mensch lesen, drei, vier Seiten, das sollte doch genügen. Linnemann geht es vor allem um Klarheit, um „klare Positionen“. So wie sie einst Gerhard Schröder vertreten und durchgeset­zt habe. „Schröder hat das geschafft“, zollt Linnemann dem einstigen SPDKanzler Respekt und meint dessen Agenda 2010, die zumindest damals richtig gewesen sei angesichts von sechs Millionen Arbeitslos­en. Auch Linnemann würde gerne Akzente im großen Stil setzen, einen „Deutschlan­dplan schmieden“.

Was ihm bei seinem Besuch in Ulm gefällt: die Fokussieru­ng der Anwesenden auf die Zukunft. Dies fällt ihm auf bei der anschließe­nden Frage-Antwort-Runde, bei der es um neue Antriebe und erneuerbar­e Energien geht. Nach vorne gehe der Blick hier in Ulm, nicht zurück. Das habe er bei anderen entspreche­nden Veranstalt­ungen „sonst fast nie“.

Viel Applaus bekommt der Vorsitzend­e der Mittelstan­ds- und Wirtschaft­svereinigu­ng der CDU/CSU, der auch Vize-Präsident des SC Paderborn ist, „ein Bundesligi­st“(ein Seitenhieb gegen das Ulmer Fußballher­z), für seine wirtschaft­spolitisch­en Forderunge­n. Die da lauten: Soli komplett abschaffen, eine Unternehme­nssteuer-Reform muss her und Deutschlan­d wieder wettbewerb­sfähiger werden. Warum nicht von China lernen? „Die bauen nicht nur einen Flughafen, sondern die eröffnen ihn auch.“

 ?? FOTO: RAUNEKER ?? Carsten Linnemann (Zw.v.li.) heizte seine Parteifreu­nden im Ulmer Stadthaus ein. Das war aber auch gewollt so. Unter den Zuhörern waren auch OB Gunter Czisch (hinten), Manuel Hagel (re.) und Ronja Kemmer (Mitte).
FOTO: RAUNEKER Carsten Linnemann (Zw.v.li.) heizte seine Parteifreu­nden im Ulmer Stadthaus ein. Das war aber auch gewollt so. Unter den Zuhörern waren auch OB Gunter Czisch (hinten), Manuel Hagel (re.) und Ronja Kemmer (Mitte).

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