Viel retten, wenig verschwenden
Weggeworfene Lebensmittel: Wie sich Supermarktketten beim Thema „Containern“positionieren
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BIBERACH - Weggeworfene Lebensmittel aus den Müllcontainern von Supermärkten zu fischen (auch als „Containern“bezeichnet), ist in Deutschland illegal. Trotzdem gibt es inzwischen einzelne Kaufhäuser, die es erlauben. Die SZ wollte wissen, wie in Biberach vertretene Supermarktketten sich bei diesem Thema positionieren.
Vorweg: Lediglich Aldi Süd spricht in einer Stellungnahme konkret aus, dass „die Entnahme von Lebensmitteln aus unseren Abfallcontainern rechtswidrig ist und von der Unternehmensgruppe auch nicht geduldet“wird. Man sei zudem bemüht, die Container an den Filialen so zu positionieren, dass sie nur für Mitarbeiter zugänglich sind, teilt Aldi Süd mit.
Dies macht auch Martin Walke so, der in Biberach zwei EdekaMärkte betreibt. „Unsere Container stehen unter Verschluss, und das ist ein Umstand, über den ich sehr glücklich bin.“Es werde in diesem Zusammenhang immer schnell von „Lebensmittelverschwendung“geredet. „Wir schmeißen die Sachen aber nicht aus Spaß an der Freude weg, sondern weil sie nicht mehr gut sind“, so Walke. „Ich hätte Bauchweh, wenn sich jemand am Container zu schaffen macht und diese Waren isst, weil er dann möglicherweise selbst Bauchweh bekommt.“In diesem Fall stelle sich für ihn auch die Frage, wer die Verantwortung trage, wenn jemand gesundheitliche Probleme bekomme, weil er Lebensmittel aus dem Abfallcontainer gegessen hat. Die meisten von der SZ befragten Supermarktketten sichern ihre Abfallbehälter gegen die Entnahme weggeworfener Lebensmittel.
Sofern absehbar sei, dass größere Bestände einer Ware möglicherweise nicht vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) nicht mehr verkauft werden können, werde für die Kunden zunächst der Preis reduziert. „Wenn wir die Ware auch dann nicht verkaufen, rufen wir den Tafelladen an, damit sie die Sachen bei uns abholen können“, so Walke. Dies sei in Biberach aber nicht so häufig der Fall, „weil wir den Bestand hier so genau kalkulieren können, dass nicht viel übrig bleibt“.
Neben der ethischen Verantwortung, die Verschwendung von Lebensmitteln zu vermeiden, habe man auch ein ökonomisches Interesse daran, heißt es bei Aldi Süd. So kooperierten die beiden Biberacher Filialen ebenfalls mit der örtlichen Tafel. So dürften Waren, deren MHD überschritten sei, zwar nicht mehr verkauft werden, sie seien in der Regel aber durchaus noch verzehrfähig, beispielsweise Molkereiprodukte. Das Verbrauchsdatum gibt, im Gegensatz zum MHD, an, ab wann
ein Produkt nicht mehr verzehrt werden darf. Dieses darf dann auch nicht an Tafeln weitergegeben werden, teilt Aldi Süd mit.
Seit gut einem Jahr klebt Aldi Süd in 400 Filialen in Süddeutschland Aufkleber mit der Aufschrift „Riech mich! Probier mich! Ich bin häufig länger gut!“neben das MHD auf Frischmilch-Verpackungen. Das habe zur Sensibilisierung der Kunden beigetragen und werde nun auf das ganze Aldi-Süd-Gebiet und auch auf Käsesorten ausgeweitet. Obst und Gemüse der Klasse 2 werde unter der Rubrik „Krumme Dinger“verkauft. Aldi Süd verweist auch auf eine Studie der Uni Stuttgart, wonach in Deutschland nur fünf Prozent der weggeworfenen Lebensmittel im Handel anfallen, 60 Prozent dagegen aus privaten Haushalten stammen.
Die Pressestelle von Lidl in Neckarsulm weist darauf hin, dass der Discounter seit Jahren dabei sei, „durch systematische Optimierungen und Innovationen Lebensmittelverluste zu vermeiden“. Dadurch und durch die Unterstützung von Tafeln könne man größtenteils ausschließen, dass überlagerte Lebensmittel anfallen. Auch Lidl bietet verschiedene Waren in der sogeannten Produktrestlaufzeit zu reduzierten Preisen an. Die Warenmenge die entsorgt werden müsse, sei deshalb „sehr gering“. Lebensmittel, die nicht mehr verkaufsfähig seien oder gespendet werden können, würden deshalb in Biogasanlagen transportiert oder über Mülltonnen entsorgt, die nicht öffentlich zugänglich sind. „Containern“stelle deshalb bei Lidl kein Thema dar.
Rewe und die dazugehörige Discountmarke Penny verkaufen nach eigenen Angaben im Jahresdurchschnitt bis zu 99 Prozent ihrer Lebensmittel. Das Gros des restlichen Prozents stelle Rewe seit 1996 und Penny seit 2007 den lokalen TafelInitiativen zur Verfügung, teilt die Pressestelle mit. Unterbrechung der Kühlkette Nicht an die Tafeln könnten allerdings Lebensmittel gegeben werden, die der Kühlpflicht unterliegen, deren Kühlkette aber unterbrochen wurde. Dies passiere zum Beispiel dann, wenn ein Kunde eine kühlpflichtige Ware aus dem Kühlregal entnehme, sich im Laden aber wieder umentscheide und die Ware in einem nicht gekühlten Regal wieder ablege. Dann sei man verpflichtet, diese Ware auszusortieren, teilt Rewe mit – auch bei noch laufendem MHD. Das sei der Ware beim „Containern“nicht anzusehen, weshalb die Verantwortlichen der Supermräkte angehalten seien, die Müllcontainer vor der Zugriff Dritter zu sichern, so die Rewe-Pressestelle. Darüber hinaus arbeiten auch Rewe und Penny bei Lebensmitteln in der Nähe des MHD mit Hinweisen und Rabatten.
Der Discounter Netto mit Sitz in Maxhütte-Haidhof teilt mit, dass man bei den Bestellabläufen in den Filialen die tatsächliche Kundennachfrage je Artikel berücksichtige. Einige Tage vor Ablauf des MHD würden die Artikel im Preis deutlich reduziert. Nicht verkaufte, aber noch haltbare Lebensmittel gebe man an Tafeln weiter, so die NettoPressestelle. Unter dem Motto „Keiner ist perfekt“verkaufe Netto schon seit 2013 Obst- und Gemüse aus deutschem Anbau, das zwar optisch nicht der Norm entspreche, qualitativ und geschmacklich aber einwandfrei sei. Das komme bei den Verbrauchern sehr gut an. Seit 2013 seien dadurch bei Netto bundesweit fast 10 000 Tonnen Obst und Gemüse verkauft worden.
Die Frage, wie viel Kilogramm an Lebensmitteln denn im Durchschnitt pro Jahr in den Abfall wandern, ließen alle befragten Supermarktketten unbeantwortet.