Beflügelnder Ritt durch Zeiten und Kulturen
Eva Mattes und die Lautten Compagney Berlin auf den Spuren von Marco Polo
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WOLFEGG - Krimifans kennen sie als Kommissarin Klara Blum im Konstanzer Tatort, Hörbuchfreunde lassen sich von ihr durch die literarischen Welten von Jane Austen oder Elena Ferrantes „Meine geniale Freundin“leiten. Dass Eva Mattes aber auch eine große Liebe zur Musik hat und mit ihrer Stimme locken, flüstern, verführen kann, erlebt man in ihrem Programm „Die Reisen des Marco Polo“gemeinsam mit der Lautten Compagney Berlin und ihrem chinesischen Gast Wu Wei. Am Konzertwochenende, das die Ludwigsburger Schlossfestspiele alljährlich im September auf Schloss Wolfegg gestalten, begab man sich vom prächtigen Rittersaal aus auf eine vergnügliche Reise durch Raum und Zeit.
Ob Marco Polo, der venezianische Kaufmann und Weltreisende, wirklich bis nach China gereist ist oder sich in seinen Reiseberichten von anderen Erzählungen hat beeinflussen lassen, ist umstritten. Es spielt für dieses Programm auch keine Rolle. Christian Filips legt seine Textauswahl als fiktive Briefe des Reisenden an seine Geliebte an, der seine Leserin und damit sein Publikum an wundersame Orte und zu fantastischen Beobachtungen führt. Das klingt ein bisschen wie der fabulierlustige Münchhausen, lässt eine Fülle von Farben und Bildern entstehen und macht Eva Mattes und ihren darauf reagierenden Musikern sichtlich und hörbar Freude.
Mattes‘ Sprachkunst wird zu Musik, die immer wieder eingeschobenen Floskeln einer chinesisch-bayerischen Fantasiesprache erweisen sich erst ganz zum Schluss als Zitate aus dem Chinesischen Couplet von Karl Valentin. Und dass Eva Mattes, die Tochter einer ungarischen Tänzerin und eines Wiener Komponisten und Dirigenten, auch mit tiefer Altstimme singen oder im liturgischen Psalmton rezitieren kann, gibt dem Ganzen eine besondere Würze. Da hört man also von prächtigen Seidenstoffen und Edelsteinen, schmunzelt über ein Paar, das in eisiger Kälte mit Bart- und Schenkelhaar am Steppengras festfriert, meint man, den Moschusduft zu riechen oder auf einem belebten Markt zu sein.
„Nichts über China, nichts über die Liebe“will dieser Marco Polo erzählen – und doch erschafft Eva Mattes eine ebenso phantasie- wie lustvolle Chinoiserie, getragen von ihren musikalischen Reisebegleitern der Lautten Compagney Berlin. Wolfgang Katschner, der musikalische Leiter an der Theorbe, dem Lauteninstrument mit dem malerischen langen Hals, hat für dieses Projekt Musik aus dem Venedig des frühen 17. Jahrhunderts ausgewählt. Die Gruppe bietet ein Fest für Ohren und Augen: Da sind Martin Ripper mit seinen verschiedenen Flöten, die Geigerin Catherine Aglibut mit weichen, silbrigen Melodien, Annette Rheinfurth an der Bassgambe mit dem schönen geschnitzten Löwenkopf, und HansWerner Apel mit der kleinen Barockgitarre und der Theorbe als Partner des Ensembleleiters.
Wu Wei mit der Kniegeige
Besondere Akzente setzt Peter A. Bauer, der wie ein Magier mit verschiedensten Schlaginstrumenten hantiert und sich von den überlebensgroßen Ritterfiguren im Saal inspirieren lässt. Die zweisaitige chinesische Kniegeige Erhu mischt sich in ihrem leicht melancholischen Klang erstaunlich gut mit den Barockinstrumenten und wird von Wu Wei, dem in Berlin lebenden chinesischen Musiker, auch höchst virtuos gespielt. Blickfang und außergewöhnlich im Klang ist die chinesische Mundorgel Sheng, die bald wie eine Mundharmonika, bald wie eine Oboe oder ein kraftvolles Akkordeon klingen kann. Italienisches und Chinesisches vermischen sich, zuletzt verwandeln sich frühbarocke Basslinien in einen wilden „Drachentanz“auf diesem beflügelnden Ritt durch Zeiten und Kulturen.