Die Piusbrüder und die dunkle Stunde
Es war eine der dunkelsten Stunden der neueren Kirchengeschichte: Vor 30 Jahren brachen die Piusbrüder um den französischen Erzbischof Marcel Lefebvre mit Rom. Traditionalist Lefebvre und seine Gefolgschaft lehnen die 1965 beschlossenen Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils zu Ökumene, Liturgie und Religionsfreiheit ab. Sie halten am Alten Ritus fest. Lefebvre war zunächst auf Distanz, dann auf offene Konfrontation mit dem Vatikan gegangen. Mit der unerlaubten Weihe von vier Bischöfen für seine „Priesterbruderschaft Pius X.“überschritt er am 30. Juni 1988 die Grenze. Am gleichen Tag bestätigte der Vatikan die Exkommunikation Lefebvres und seiner Neubischöfe. Die Spaltung war besiegelt. Vorausgegangen waren dramatische Wochen mit hektischen Verhandlungen. Nach einer Serie von Konferenzen hatte sich Kardinal Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., als Präfekt der Glaubenskongregation mit Lefebvre am 5. Mai 1988 auf eine sogenannte Einigungsplattform verständigt. Darin versprach dieser Treue zur katholischen Kirche und zum Papst. Doch über Nacht zog Lefebvre seine Zusage zurück, wohl auf Druck von Hardlinern in den eigenen Reihen. 1991 starb Lefebvre. Der von ihm geweihte Schweizer Bischof Bernard Fellay folgte als Generaloberer der Bruderschaft. Die Fronten verhärteten sich.
Das Pontifikat von Benedikt XVI. versprach Entspannung. Im Sommer 2005 empfing er Fellay im Vatikan. Zwei Jahre später gestattete er die Alte Messe (von 1962) als außerordentliche Form des römischen Ritus. Er ging sogar noch weiter auf die Piusbrüder zu und zog im Januar 2009 die Exkommunikation für die von Lefebvre geweihten Bischöfe zurück – und löste einen Eklat aus. Denn dazu gehörte auch der Holocaustleugner Richard Williamson. Benedikt XVI. musste sich hierfür entschuldigen.
Allerdings nutzte er den Eklat für einen neuen Anlauf zur Einigung. 2011 unterbreitete Rom den Piusbrüdern einen Kompromissvorschlag, der ihre Eingliederung in die katholische Kirche – als sogenannte Personalprälatur. Aber die Piusbrüder konnten sich nicht darauf einigen. Sie wollten Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils nur soweit akzeptieren, als sie früheren Kirchentraditionen entsprächen. Auch unter Papst Franziskus gingen Gespräche mit den Traditionalisten weiter. Während sich in Lehrfragen keine Bewegung abzeichnet, setzte Franziskus pastorale Signale. Er erlaubte Katholiken, bei Priestern der Bruderschaft zu beichten. Zudem können Ortsbischöfe den Piusbrüdern Eheschließungen erlauben.