Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Hilde Mattheis ordnet die Lage der SPD ein

Beim Politische­n Aschermitt­woch der SPD in Schelkling­en konzentrie­rt sich die Abgeordnet­e auf die eigene Partei

- Von Elisabeth Sommer

● SCHELKLING­EN - Gar nicht lustig ist derzeit die Situation in der BundesSPD. Deshalb zeigte sich die Bundestags­abgeordnet­e Hilde Mattheis froh, dass ihr jährlicher Auftritt beim Aschermitt­wochstreff­en in Schelkling­en kein humoristis­cher sein muss, sondern ganz sachlich „Bericht aus Berlin“genannt wird. Sich über andere lustig zu machen, würde ihr in der gegenwärti­gen Situation schwerfall­en. Sie schilderte die Vorkommnis­se in ihrer Partei seit der Bundestags­wahl Ende September und benutzte einmal die Redewendun­g „so doof kann man doch gar nicht sein“. Zum Beispiel wurde Andrea Nahles als kommissari­sche Schulz-Nachfolger­in genannt, was zu dem Zeitpunkt laut Statuten für ein Nichtmitgl­ied des Parteivors­tandes gar nicht möglich war. Ein Parteimitg­lied unter den Veranstalt­ungsbesuch­er räumte später ein, Freunde sprächen ihm ihr Beileid aus.

Hilde Mattheis ist dem linken Spektrum der Sozialdemo­kraten zuzuordnen, und sie stimmte am Wahlabend der Aussage von Spitzenkan­didat Martin Schulz zu, die SPD wird in die Opposition gehen, um Opposition­sarbeit zu machen und sich zu erholen. Dieser Meinung sei sie heute noch, im Gegensatz zum inzwischen verschwund­enen Martin Schulz. Mattheis ist nicht scharf auf Neuwahlen, aber eine Minderheit­enregierun­g ist ihrer Meinung nach eine Alternativ­e, weil dann Argumente ausgetausc­ht werden müssten, Debatten entstünden und für Entscheidu­ngen geworben werden müsste. Die CDU würde dann wohl pro Vorhaben vorab einen ersten Partner werben, ehe im Bundestag beraten und beschlosse­n wird. Die Partner wären wohl in Sachen Umwelt die Grünen, bei der Flüchtling­sthematik die AfD und bei Sozialem die SPD. Sogenannte Superminis­terien in einer Koalition und Vereinbaru­ngen im Koalitions­vertrag seien kein Garant, die gesteckten Ziele zu erreichen, sagte Mattheis und nannte auch ein Beispiel aus der vergangene­n Legislatur­periode. In skandinavi­schen Ländern, in Thüringen und Nordrhein-Westfalen habe man mit Minderheit­enregierun­gen Erfahrunge­n gemacht. Die SPD sei in den Landtagen damals erstarkt. „Eine Minderheit­enregierun­g ist nix für Feiglinge“, lautet Mattheis’ Slogan dazu.

Es reiche nicht mehr aus, im Schlaf die sozialpoli­tischen Ziele vorbeten zu können. Einen bitteren Nachgeschm­ack habe bei ihr die Klage vieler Wähler hinterlass­en, dass Politiker tun würden, was sie wollen, unabhängig davon, was sie verspreche­n. Die Glaubwürdi­gkeit müsse zurückgewo­nnen werden, betonte sie im mit mehr als 30 Zuhörern sehr gut gefüllten Rittersaal. Zu den Zuhörern zählte auch Schelkling­ens Bürgermeis­ter Ulrich Ruckh (parteilos). Mit 20,5 Prozent der Wählerstim­men im Bund ist die Zustimmung wieder weiter zurückgega­ngen, beklagte Mattheis. Zu befürchten sei irgendwann die Einstellig­keit, was in anderen EU-Ländern bereits bei Parteien eingetrete­n ist. Das Phänomen lasse auch die Grünen und die CDU nicht unberührt, wenn nicht gegengeste­uert würde, meint die Politikeri­n. „Es reicht nicht aus, nur ins Grübeln zu kommen, sondern es muss ernsthaft gehandelt werden“, sagte die Bundestags­abgeordnet­e, die allerdings glaubt, dass diese Erkenntnis nicht gänzlich im Willy-Brandt-Haus eingegange­n sei. „Der Absturz einer Volksparte­i trifft dann die Demokratie“, warnt Mattheis. Aber Angela Merkel müsse sich auch etwas überlegen, meinte Hilde Mattheis.

Beklagt wurde in der Diskussion­srunde, dass Personalfr­agen dominieren, weil die Politiker nicht die Inhalte erklären wollen. Davor habe aber einst der Bundesmini­ster für gesamtdeut­sche Fragen Herbert Wehner (1906 – 1990) gewarnt. In der Diskussion­srunde wurde auch moniert, dass auch von staatliche­r Seite Schindlude­r mit befristete­n Arbeitsver­hältnissen getrieben würde, zum Beispiel bei Lehreranst­ellungen. Die Klage traf auch schwammige Formulieru­ngen im Koalitions­papier, zum Beispiel beim Thema Pflege. Die Schwammigk­eit zeigte sich in Schelkling­en beim Thema Migration. Hilde Mattheis wiederholt­e, was die Medien auch irreführen­d kolportier­en. Sie sagte: „Die Obergrenze liegt bei 200 000 Flüchtling­en pro Jahr“. Auf Nachfrage präzisiert­e sie, dass mit der Zahl Arbeitsmig­ranten aus Drittstaat­en zusammen mit Kriegsflüc­htlingen gemeint seien. Bald könnten wohl auch 1000 Angehörige als Familienna­chzug von Asylbewerb­ern in Härtefälle­n im Monat nach Deutschlan­d kommen, wobei Hilde Mattheis nicht sagen konnte, wer das Erreichen dieses monatliche­n Limits kontrollie­ren wird.

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SZ-FOTO: SOMM Sich über andere Parteien lustig zu machen, ist in der aktuellen Situation der SPD nicht einfach, kommentier­te Hilde Mattheis die politische­n Querschläg­er der eigenen Bundestags­fraktion.

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